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Kliniken im Kreis Görlitz schreiben rote Zahlen

Höhere Kosten und sinkende stationäre OPs verschärfen die finanzielle Situation der Krankenhäuser. Was kommt nun auf die Patienten zu?

Von Sebastian Beutler
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Die Linkspartei machte in dieser Woche wie hier in Ebersbach deutlich, worum es ihr bei der Krankenhausdebatte im Kreis geht.
Die Linkspartei machte in dieser Woche wie hier in Ebersbach deutlich, worum es ihr bei der Krankenhausdebatte im Kreis geht. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Das Krankenhaus in Weißwasser steht beispielhaft für die Lage im stationären Gesundheitswesen hierzulande. Zehn Millionen Euro schießt der Kreis Görlitz in diesem und im nächsten Jahr zu, weil das Unternehmen sonst schon in diesem Frühjahr Insolvenz anmelden müsste - das Eigenkapital wäre spätestens dann durch die Fehlbeträge der Vorjahre aufgezehrt.

Doch das nördlichste Krankenhaus im Landkreis Görlitz steht längst nicht mehr allein da. Nach Berechnungen der Sächsischen Krankenhausgesellschaft summieren sich die erwarteten Defizite aller sächsischen Kliniken in diesem Jahr auf 88 Millionen Euro. Davon sind auch die Kliniken im Kreis Görlitz betroffen.

Wie ist die Lage der Kliniken im Kreis Görlitz?

Nach einer SZ-Umfrage schreiben in diesem Jahr alle Krankenhäuser im Landkreis Görlitz rote Zahlen - die Spezialkliniken in Großschweidnitz und Rothenburg wurden dabei nicht gefragt. So plant das Städtische Klinikum in Görlitz mit einem Defizit von 500.000 Euro, das erste seit Jahren. Doch könnte die Summe noch steigen, denn die ersten beiden Monate verliefen nach Angaben von Geschäftsführerin Ines Hofmann schlechter als geplant.

Das Krankenhaus Oberlausitzer Bergland mit seinen Standorten in Zittau und Ebersbach sowie das Weißwasseraner Krankenhaus rechnen mit einem Defizit im Millionenbereich. Hier will man von den ersten beiden Monaten noch nicht auf das ganze Jahr schließen.

Für das Emmaus-Krankenhaus in Niesky erklärt Ralf Schönherr, kaufmännischer Vorstand der Diakonissenanstalt Dresden und damit auch Mitglied der Krankenhausleitung des Emmaus: "Die Höhe des Jahresdefizits können wir für das Krankenhaus Emmaus in Niesky momentan noch nicht beziffern. Allerdings gehen wir davon aus, dass wir rote Zahlen schreiben werden". Und Stephanie Hänsch, Sprecherin des Krankenhauses St. Carolus erklärt auf SZ-Nachfrage: "Nachweislich ist bekannt, dass die finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser seit Jahren nicht ausreicht. Kosten und Erlöse decken sich nicht."

Wodurch entstehen die Defizite bei den Kliniken?

Bei den Gründen für diese Situation sind sich die Betreiber der Krankenhäuser einig: Die Kosten für Strom und Wärme sind durch die Decke gegangen, höhere, durchaus gerechtfertigte Lohnkosten, steigende Sachkosten durch die Inflation auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sinkt die Zahl der Operationen seit Jahren, dafür steigt die Zahl ambulant zu erbringender, aber schlecht vergüteter Leistungen. Dadurch geht die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben aus. "Unser Preis für unsere Behandlungen ist mit den Krankenkassen fixiert", sagt die Görlitzer Geschäftsführerin Ines Hofmann. Und an Patienten, so fügt ihr Kollege Steffen Thiele aus Zittau hinzu, könnten die Krankenhäuser die gestiegenen Kosten auch nicht weiterreichen.

Natürlich ist die Lage auch durch die Folgen des Ukraine-Krieges besonders dramatisch. Auf allein 4,3 Millionen Euro beziffert die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz die Mehrausgaben für Strom für ihr Haus.

Wo können die Krankenhäuser selber sparen?

Darauf reagieren die Kliniken mit eisernem Sparen. "Alle Maßnahmen werden geprüft, die zu einer Kostensenkung führen können", sagt Stephanie Hänsch vom Görlitzer Carolus-Krankenhaus. Das größere Städtische Klinikum hat die Energiekosten reduziert und eine kleine Fotovoltaik-Anlage installiert. "Aber für unseren Stromverbrauch würden wir eine viel größere Anlage benötigen, deren Machbarkeit wir derzeit prüfen", sagt Geschäftsführerin Ines Hofmann. Die Kliniken in Ebersbach und Zittau sehen auch im Abbau von Doppelstrukturen einen Weg und in der Etablierung von Ambulanzen in Ergänzung zum stationären Versorgungsauftrag, so wie sie für Weißwasser und Ebersbach vor allem angestrebt werden. Das Emmaus in Niesky investiert neun Millionen Euro gerade, um künftig verstärkt ambulante Krankenhausbehandlungen durchführen zu können. Am Personal, zumal am ärztlichen, jedenfalls will keiner sparen. "Es sichert langfristig unsere Arbeitsfähigkeit", sagt Ines Hofmann.

Was fordern die Kliniken von Bund und Land?

Um die Lage zu ändern, haben die Kliniken klare Forderungen an Bund und Land. So sollte der Bund die höheren Energiekosten wie versprochen übernehmen und dabei als Vergleichsjahr 2021 ansetzen und nicht wie jetzt vorgesehen den März 2022. "Wir und viele andere Krankenhäuser haben bereits im März 2022 einen viel höheren Preis als noch im Vorjahr bezahlt", sagt die Görlitzer Geschäftsführerin Ines Hofmann. Auch könnte der Bund die Inflationskosten bei der Vergütung stärker berücksichtigen. Im Moment werden für 2023 nur 2,37 Prozent höhere Kosten im Vergleich zu 2022 den Krankenhäusern erstattet.

Ralf Schönherr vom Emmaus-Krankenhaus in Niesky erwartet, dass der Freistaat endlich die Investitionskosten der Krankenhäuser in vollem Umfang trägt. So muss das Emmaus einen erheblichen Anteil an Eigenmitteln bei den laufenden Bauarbeiten aufbringen. Auch die Vergütung der Gesundheitszentren, wie sie für Weißwasser angedacht und für Niesky bereits seit 2015 vorbereitet werden, müsse geklärt werden. "Bisher ist keine Finanzierung geregelt, die über die normale fallpauschalen-basierte Vergütung hinausgeht", sagt er.

Da schließt sich auch Steffen Thiele aus Zittau an, der aber ganz grundsätzlich die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Reduzierung der Fallpauschalen und dafür eine höhere Vorhaltefinanzierung, wie sie jetzt schon bei Kinderkliniken üblich ist, erforderlich hält. Da das aber nicht von heute auf morgen geht, hält Thiele auch eine "Liquiditätsunterstützung" der Krankenhäuser für wünschenswert, wie sie der Kreis für Weißwasser jetzt zahlt. "Ich fürchte, dass einige Kliniken diesen Prozess sonst nicht durchhalten können."