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SG München: Die Vertretung durch einen anderen Arzt ist nur als tageweise, nicht als stundenweise oder halbtägige Vertretung möglich

Das Sozialgericht München hat in einer Entscheidung über eine Honorarrückforderung (Endurteil vom 25.03.2021 – S 38 KA 262/19) die Auffassung vertreten, dass es sich bei einer nur stundenweisen oder halbtägigen ersatzweisen Vertretung durch einen anderen Arzt nicht um eine Vertretung im Sinne der § 32 Ärzte-ZV, 17 BMV-Ä handelt.

Rechtlicher Hintergrund der Entscheidung

Die Leistungen ärztlicher Vertreter sind nur dann vergütungsfähig, wenn es sich um eine genehmigte Vertretung nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV handelt oder eine genehmigungsfreie Vertretung nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV möglich ist.

Bei Vertretungen, die weniger als eine Woche dauern, sind die Leistungen des Vertreters ohne Mitteilung oder Genehmigung abrechenbar. Bei Vertretungen über einer Woche besteht hingegen eine Mitteilungspflicht.

Die genehmigungsfreie Vertretung ist innerhalb von zwölf Monaten bis zu einer Dauer von drei Monaten zulässig.

Entscheidung des SG München

Im entschiedenen Fall hatte sich die Klägerin an mehreren Tagen nur halbtägig (ungenehmigt), aber nicht regelmäßig vertreten lassen. Es fand jedoch keine parallele ärztliche Tätigkeit andernorts statt. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung kürzte das Honorar der Klägerin um die von der ärztlichen Vertretung erbrachten Leistungen, mit der Begründung, dass diese nicht von der Klägerin persönlich erbracht worden seien.

Das Sozialgericht München geht davon aus, dass zur Ermittlung der zulässigen Gesamtdauer der Vertretung die einzelnen Vertretungstage aufzuaddieren sind.

Den Vorschriften zur ärztlichen Vertretung (§ 32 Ärzte-ZV und § 17 Abs. 3 BMV-Ä) sei zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber bzw. die Vertragspartner des Bundesmantelvertrages von einer tageweisen Vertretung ausgingen.

Das Gericht ist der Auffassung, dass es sich bei einer nur stundenweisen oder halbtägigen ersatzweisen Tätigkeit nicht um eine Vertretung im Sinne dieser Vorschriften handelt.

Zur Begründung führt das SG München aus, dass solche Fallkonstellationen bei dringendem Behandlungsbedarf durch andere Ärzte als Notfallbehandlungen abgerechnet würden. Außerdem wäre die Ermittlung der Höchstdauer der Vertretung kaum möglich oder praktikabel, da diese nur durch eine Addition (ganzer) Vertretungstage erfolge. Dies sei bei einer stundenweisen oder halbtägigen Vertretung indessen „kaum möglich".

Kritik und Schlussfolgerungen

An der Entscheidung wird kritisiert, dass das Gericht von einer „Höchstzeit" im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Vertretung ausgeht, obwohl die Kassenärztlichen Vereinigungen bei entsprechender Begründung und einem Sicherstellungserfordernis in der Praxis auch längere Vertretungszeiten genehmigen.

Zudem ist die vertragsärztliche Tätigkeit in freier Praxis auszuüben. Die freiberuflichen Ärzte dürfen ihren Urlaub und die entsprechenden freien Zeiten grundsätzlich frei bestimmen – soweit sie ihrer Sprechstundenpflicht nachkommen.

Die Praktikabilitätserwägungen des SG München übersehen auch, dass bei Ärzten mit geringen Anrechnungsfaktoren (etwa 0,25) ein „ganzer Tag" etwa nur 2 Stunden umfassen kann. Bei Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag kann dagegen schon ein halber Tag 5 Stunden bedeuten. Insofern ist es nicht plausibel, dass im ersten Fall eine „tageweise" Vertretung von 2 Stunden möglich ist, im zweiten Fall eine halbtägige von 5 Stunden hingegen nicht.

Es bleibt abzuwarten, ob sich weitere Gerichte an dieser Entscheidung, gegen die keine Rechtsmittel eingelegt wurden, orientieren. Aufgrund der Entscheidung bestehen jedoch Abrechnungsrisiken, wenn sich Ärzte in der hier beschriebenen Weise (ungenehmigt) halbtägig oder stundenweise vertreten lassen.