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05.10.2022 | Fachkräftemangel | Schwerpunkt | Online-Artikel

Miese Arbeitsbedingungen schrecken Fachkräfte ab

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Zu klein oder zu unbekannt: So lauten bekannte Gründe, warum Arbeitgeber keine neuen Mitarbeiter finden. Allerdings sind schlechte Arbeitsbedingungen im Recruiting ein größerer Hemmschuh, als sich manche Branchen eingestehen wollen, zeigt eine Studie.

Stellenbesetzungsprobleme gibt es aktuell in allen Branchen und für alle Karrierelevel. Das zeigt auch die Betriebs- und Personalrätebefragung 2021/22 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, für die Unternehmen und Verwaltungen aller Branchen ab 20 Beschäftigten befragt wurden. Von Mai bis Dezember 2021 standen rund 2.900 Betriebsrats- und 960 Personalräte in Interviews für die Studie Rede und Antwort. 

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Demnach konnten insbesondere im Baugewerbe Vakanzen nicht besetzt werden (72 Prozent). Aber auch im Bereich Öffentliche Dienstleistungen (66,7 Prozent) sowie Finanzdienstleistungen und Versicherungen (64 Prozent) klafften großen Lücken. Insgesamt geben im Mittel 56 Prozent der Befragten an, Stellenbesetzungsprobleme zu haben.

Qualifizierte Bewerber fehlen

Bei den Gründen nennen die meisten zu wenige qualifizierte Bewerber auf dem Arbeitsmarkt als Hauptgrund. Dies gilt vor allem für Positionen, für die eine qualifizierte Berufsausbildung erforderlich ist (66 Prozent) oder bei Auszubildenden (72 Prozent). Ein deutlich geringerer Teil von 24  Prozent macht die schlechten Konditionen verantwortlich.

Bei schwer zu besetzenden Akademikerpositionen sehen allerdings rund 31 Prozent der Befragten die unattraktiven Arbeitsbedingungen und Konditionen als Ursache, in der öffentlichen Verwaltung sind es sogar 39 Prozent, die Gehalt und Arbeitszeit als Hürde sehen. Auch bei einfachen Tätigkeiten nennt fast ein Drittel die miesen Arbeitsbedingungen als Grund für den Fachkräftemangel. Während im Handel rund 36 Prozent die Konditionen für die schlechte Bewerberlage verantwortlich machen, sind es im Sektor Verkehr, Logistik und Gastgewerbe 45 Prozent. 

Diese Branchen schneiden in Hinblick auf die Arbeitsbedingungen auch bei den Erwerbstätigen mit Berufsausbildung schlecht ab. So nennen jeweils rund 35 Prozent in der Gastronomie und im Bereich Verkehr beziehungsweise Logistik das berufliche Umfeld als Ursache für die Stellenbesetzungsproblematik. Im Handel sind es 31 Prozent, im Gesundheitswesen 27 Prozent.

Employer Branding setzt im Unternehmen an

Es haben also noch einige Branchen in Hinblick auf attraktive Konditionen wie eine gute Vergütung oder Benefits sowie vernünftige bei Arbeitszeiten und Überstunden Luft nach oben. Mit noch mehr Recruiting-Aktivitäten alleine werden diese Wirtschaftszweige ihre Fachkräfteproblem nicht allerdings lösen. 

Employer Branding beginnt damit, innerhalb des Unternehmens Verbesserungen zu schaffen, die Stärken des Unternehmens herauszuarbeiten und diese ans Tageslicht zu bringen. Es gilt, ein harmonisches Betriebsklima, eine Willkommenskultur und eine positive Stimmung zu erzeugen und damit dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter zufrieden und glücklich sind. Erst im zweiten Schritt sollte erarbeitet werden, wie man auch außerhalb des Unternehmens als Arbeitgeber wahrgenommen werden möchte."

So umschreibt Philipp Rügner im Buchkapitel "Recruiting – Möglichkeiten und Chancen in Zeiten des Fachkräftemangels" das Problem auf Seite 263.

Gehaltspaket uns soziale Benefits müssen stimmen

Ohne ein attraktives Gehaltspaket, eine vernünftige Zahl an Urlaubstagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie eine Perspektive über die zu erwartende Entwicklung können Arbeitgeber seiner Einschätzung nach durch Unterstützung eines Umzugs, der Bereitstellung einer kleinen Zweitwohnung oder Homeoffice-Regelungen punkten. Ebenso überzeugen laut Rügner Arbeitgeber, die wirklich flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten anbieten, die Teilzeitarbeit ermöglichen und Reisetätigkeiten je nach Aufgabe überschaubar halten, sodass die Vereinbarkeit von Familienleben und Berufstätigkeit gelingt.

Aber auch die Arbeitsatmosphäre müsse überzeugen. Dabei gehe es nicht nur um die Stimmung im Team, sondern auch um Ergonomie und Ausstattung am Arbeitsplatz, die Hardware wie die eingesetzte Software. "Das alles ist für viele Unternehmen nicht ohne weiteres darstellbar. Dabei ist aber zu bedenken, welche enormen Produktivitätssteigerungen erzielt werden können, welche Effekte dies auf die Personalgewinnung und Mitarbeiterbindung hat und welche Kosten damit langfristig gespart werden", betont Rügner auf Seite 265.

Pflegebereich braucht umfassende Reform

Das Fachkräfteproblem im Gesundheitswesen lässt sich mit diesem Werkzeugkasten allerdings nicht lösen. "Ein Großteil der Probleme im Pflegebereich ergibt sich aus einem Mangel an Pflegepersonal beziehungsweise einer nicht angemessenen Betreuungsrelation zwischen Patienten und Pflegebedürftigen einerseits und professionellen Pflegekräften andererseits in vielen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten", so Mareike Breinbauer im Fazit ihrer Studie "Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen in der Pflege" auf Seite 234. Dauerstress, Burnout und Kündigungen sind die Folge. Um Berufe im Gesundheitswesen wieder attraktiver zu machen, seien umfassende Reformen durch Arbeitgeber und Politik unausweichlich.

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