Glasfront des Gebäudes 6 am Klinikum Darmstadt

Im Sommer herrschen in Gebäude 6 am Klinikum Darmstadt teils Temperaturen jenseits der 30 Grad - eine Qual für Patienten und Personal. Jetzt will die Stadt die architektonische Fehlleistung korrigieren und nimmt dafür sogar eine Geldstrafe in Kauf.

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Bullenhitze im Krankenzimmer

Große Glasfronten präden Gebäude 6 am Darmstädter Klinikum.
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Kühl und ein wenig trist wirkt das Gebäude 6 am Klinikum Darmstadt im trüben Herbstwetter - so wie viele moderne Funktionsgebäude. Doch im Sommer geht es hier im wahrsten Sinne des Wortes heiß her. Denn dann wird der Bau regelmäßig zur Hitze-Falle für Patienten und Personal - mit teils negativen Folgen für die Genesung.  

Temperaturen jenseits der 30 Grad

"Die Zimmer heizen sich enorm auf und man kann sehr schlecht lüften", berichtet Holger Eisenblätter, der aus eigener Erfahrung spricht. Er sitzt im Rollstuhl und wird unter anderem aufgrund seiner Rheumaerkrankung regelmäßig in besagtem Gebäude behandelt. "Wenn man dann noch sein Zimmer nicht verlassen kann, ist man der Hitze ausgesetzt." An warmen Tagen herrschen in den Patientenräumen Temperaturen jenseits der 30 Grad, wie auch André Schellenberg (CDU), Stadtkämmerer und Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums, bestätigt.

Dass sich die Luft im Inneren so aufheizt, liegt an der großen Glasfassade und ihrer ungünstigen Konstruktion. "Wir haben eine doppelte Glasfassade. Wenn ich die Fenster eines Zimmers aufmache, schaue ich auf die nächste Glasfassade", erklärt Schellenberg. Dazwischen staue sich die Hitze, lüften sei kaum möglich. Noch dazu liegen die Patientenzimmer an der östlichen und südlichen Seite des Gebäudes, sind also bereits am frühen Morgen und über den ganzen Mittag hinweg der Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Eine architektonische Fehlleistung.

Genesung leidet unter der Hitze

Für Patienten mit geschwächtem Allgemeinzustand wird die Hitze mitunter zur Qual, wie Eisenblätter bereits selbst erfahren musste. "Als Rheumapatient habe ich mit Entzündungen zu kämpfen, und Entzündungen werden durch Wärme durchaus begünstigt", berichtet er. In Gebäude 6 werden zudem Dialyse-Patienten behandelt, die während der Therapie nur 500 bis 800 Milliliter Wasser am Tag trinken dürfen.

Das Problem ist nicht neu. Seit das Gebäude 2010 in Betrieb genommen wurde, gab es immer wieder Klagen von Betroffenen. Die Verantwortlichen versuchen seitdem, der Sache Herr zu werden: Einzelne Teile der Glasfassade wurden zur besseren Durchlüftung herausgenommen. Vor vier Jahren wurde zudem eine teure Spezialfolie auf die Fenster geklebt, um der Sonne zumindest etwas die Kraft zu nehmen. Insgesamt 200.000 Euro sind nach Angaben des Klinikums bereits in vermeintliche Verbesserungen geflossen. Doch alle Maßnahmen brachten keinen nennenswerten Erfolg.

Rollläden oder Markisen sind nicht erlaubt

Natürlich stellt sich da die Frage: Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Warum bringt man nicht einfach Rollläden oder Markisen an? Schellenberg kennt die Antwort: "Das Hauptproblem ist, dass dieses Gebäude einen Architektenschutz hat, ohne die Zustimmung des Architekten dürfen wir an der Gebäudehülle keine Veränderungen vornehmen." Und eben diese Zustimmung gibt es nicht.

Für Schellenberg ist die Situation ein großes Ärgernis. Das hätte die Stadt vor etwa 15 Jahren bei der Ausschreibung berücksichtigen müssen, schließlich handelt es sich bei Gebäude 6 um ein Funktionsgebäude, das nur dazu gebaut wurde, damit Kranke es möglichst gesund wieder verlassen.

Antrag in Stadtverordnetenversammlung erfolgreich

Nachdem sich die Situation in diesem extrem heißen Sommer wieder zugespitzt hatte, brachte die Fraktion der Wählervereinigung Uffbasse (Unabhängige Fraktion Freier Bürger Aufrecht Spontan Subkulturell Eigenwillig) das Thema in der vergangenen Stadtverordnetenversammlung erneut auf den Tisch.

"Patienten und Personal haben uns berichtet, dass die Situation immer noch extrem belastend ist und mitunter nicht zur Gesundung beiträgt", sagt Uffbasse-Sprecher Marc Arnold. Über Wochen seien in den Zimmern Temperaturen über 30 Grad messbar gewesen. In einem Antrag forderte Uffbasse deswegen Maßnahmen zur schnellen Behebung des Problems. Der Antrag wurde einstimmig angenommen und von der Koalition aus Grünen, CDU und Volt explizit gelobt.

Stadt lässt es auf Klage ankommen

Nun hat die Stadt also den offiziellen Auftrag, möglichst schnell für mehr Schatten an Gebäude 6 zu sorgen. "Wir werden mit dem Architekten noch einmal in Verhandlung gehen, um das Urheberrecht zurückzunehmen", sagt Stadtkämmerer Schellenberg.

Sollten die Gespräche scheitern, will sich Schellenberg notfalls darüber hinwegsetzen. "Dann lassen wir es auf eine Klage ankommen." Ein Prozess würde höchstwahrscheinlich in einer Geldstrafe für die Stadt münden. Aber hier gehe der Patientenschutz klar vor Architektenschutz, so Schellenberg.

Photovoltaik-Fassade soll Schatten bringen

Er hat auch schon eine Idee, wie die Lösung aussehen könnte. "Wir prüfen derzeit, ob wir eine Photovoltaik-Fassade quasi als Sonnenschutz noch vor der bestehenden Glasfassade anbringen können." Da gebe es mittlerweile auch optisch ansehnliche Modelle in hellen Farben. "Das könnte der Durchbruch sein", glaubt Schellenberg.

Damit würde die Stadt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits brächte die Solar-Fassade mehr Schatten in die Patientenzimmer, auf der anderen Seite würde sie die Energiebilanz des Klinikums im Sinne der Nachhaltigkeit aufbessern.

Denn im Beschluss zum Antrag der Uffbasse-Fraktion hat sich die Stadt nicht nur verpflichtet, Abhilfe an Gebäude 6 zu schaffen. Sie wurde auch angehalten zu prüfen, ob und wo weitere Photovoltaikanlagen auf dem Klinik-Campus installiert werden können. Zudem soll die Stadt zusammen mit dem Klinikum Konzepte zur Klimaanpassung des gesamten Komplexes erarbeiten.

Das sei aber ein eher langfristiges Projekt, räumt Schellenberg ein, Priorität habe Gebäude 6. Allerdings werde die geplante Photovoltaik-Fassade, wenn überhaupt, frühestens im übernächsten Jahr fertiggestellt. Mindestens einen Sommer müssen die Patienten also noch ordentlich schwitzen.

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