Wirtschaftliches Alternativverhalten: Never Ending Story?

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Seit Jahren schlagen wir uns mit Fallzusammenführungen aus “wirtschaftlichen Gründen” herum. Das hat sich auch nach der Installation eines neuen Vorsitzenden für den 1. Senat BSG nicht geändert. Das zeigte sich in einem Urteil aus 2020.

In einem neueren Urteil hat sich nun der Senat erneut mit dem Thema befasst und an einigen Punkten präzisiert. Die schauen wir uns hier an.

Was wir schon wussten

Der erste Senat argumentiert, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 und § 70 SGB V) über alle nachrangigen Regelungen steht. Wenn also die Fallpauschalenvereinbarung Gründe für eine Fallzusammenführung abschließend regelt (§ 2 FPV), ist das in den Augen des BSG nicht maßgeblich.

Jede Anwendung von nachgeordneten Regelungen / Vereinbarungen / Katalogen muss am Ende die Wirtschaftlichkeitsprüfung bestehen. Gesetzliche Norm sticht eben alles andere.

Der Gesetzgeber hat schon lange erkannt, dass die oberste Sozialgerichtsbarkeit den Sinn der Fallpauschalenvereinbarung an dieser Stelle unterläuft und stattdessen eigene Abrechnungsregeln schafft, die nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen. Aus diesem Grund ergänzte das Pflegepersonalstärkungsgesetz mit Wirkung ab dem 01.01.2019 den § 8 Abs. 5 KHEntgG um einen 3. Satz: „In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.”

Das neue Urteil

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Die neue gesetzliche Regelung hat der erste Senat zwar zur Kenntnis genommen; die Fälle, die in den letzten Jahren dazu abgeurteilt wurden, betrafen aber alle die Zeit vor 2019. Für diese Fälle wird die Rechtsprechung aus dem “Zeitalter Hauck” fortgeschrieben, so auch jetzt wieder. Bundessozialgericht vom 26.04.2022, Az B 1 KR 14/21 R.

Der Fall

Die Behandlung fand im Jahr 2011 in Hamburg statt: Ein Patient wurde 9 Tage nach einem diagnostischen Aufenthalt wegen eines Analkarzinoms entlassen. Am Entlasstag wurde die Tumorkonferenz durchgeführt und eine OP empfohlen. Die abgerechnete DRG ist im Katalog mit „Ausnahme von Wiederaufnahme“ gekennzeichnet.

9 Tage nach der Entlassung erfolgte die erneute Aufnahme.

Der erste Senat gibt der Kasse mit ihrer Forderung nach einer Fallzusammenführung Recht.

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Die Gründe und was noch so festgelegt wurde

  • Wenn die FPV eine Fallzusammenführung nicht vorsieht, kann trotzdem aufgrund der Wirtschaftlichkeitsprinzips (§§ 12 und 70 SGB V) eine Fallzusammenführung erforderlich sein. (RdNr 17)
  • Landesverträge können das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht unterlaufen. (RdNr 25) Der Hamburger Landesvertrag erlaubt keine Beurlaubung in diesem Fall.
  • Versicherte dürfen nicht entlassen werden, wenn „in einem überschaubaren Zeitraum“ – das Gericht nennt hier als “überschaubar bis zu 10 Tage (RdNr 20) – klar sein wird, ob eine weitere Behandlung erforderlich oder ggf. möglich ist. (RdNr 19)
  • Die Fassung des § 8 Abs. 5 KHEntgG, die ab dem 01.01.2019 gültig wurde (siehe oben) wird im Urteil nur beiläufig erwähnt. (RdNr 18)

Fazit

Für Fälle, die vor dem 01.01.2019 abgerechnet wurden, muss eine Fallzusammenführung durchgeführt werden, wenn die notwendige Fortsetzung der Behandlung innerhalb von 10 Tagen feststeht. Es geht also nicht darum, wie lange der Patient zwischen den Behandlungen entlassen war! Entscheidend ist, wann Klarheit über die Notwendigkeit einer Folgebehandlung geschaffen wurde.

Wenn der Patient zwischenzeitlich nicht im Krankenhaus verbleiben muss, soll er beurlaubt werden. Landesvertragliche Regelungen zur Beurlaubung sind dabei zu ignorieren.

Fälle, die ab 2019 abgerechnet wurden (vermutlich wird das BSG auf das Datum der Fallabrechnung aufsetzen, sicher ist das aber nicht!) dürften vor dieser Rechtsprechung sicher sein; wir werden es erleben.

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