Medizinische Versorgungszentren

Klarere Regeln für MVZ-Ketten

Die Diskussion über Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in der Hand von Finanzinvestor:innen hat in den letzten Monaten an Dynamik gewonnen. Die Ersatzkassen sprechen sich klar für eine Träger:innen-Vielfalt aus. Gleichzeitig müssen jedoch die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass Versorgung gesichert und Marktkonzentrationen verhindert werden.

Illustration: Medizinische Versorgungszentren

Im Mittelpunkt der Diskussion steht der zunehmende Aufkauf von Praxissitzen durch investor:innenfinanzierte MVZ. Die Bildung solcher „MVZ-Ketten" ist insbesondere in den Bereichen Nephrologie, Radiologie, Labor und Augenheilkunde zu beobachten. Dadurch können regionale Angebotsmonopole oder -oligopole entstehen, die durch die Konzentration auf besonders renditestarke Leistungen zu einer Verschlechterung der Versorgungssituation führen können.

Ersatzkassen bekennen sich zur Träger:innen-Vielfalt

Ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem braucht moderne Versorgungsstrukturen; dazu gehören auch fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften wie MVZ. Solche Modelle werden den veränderten Bedürfnissen gerade junger Ärzt:innen nach einer größeren Work-Life-Balance und einer Konzentration auf rein medizinische Tätigkeiten am besten gerecht. Die Gründung eines MVZ ist jedoch häufig mit hohen finanziellen Anforderungen verbunden, die den Einsatz von externem Kapital erforderlich machen. Die Ersatzkassen sprechen sich daher dafür aus, dass von Finanzinvestor:innen gegründete MVZ weiter ihren Platz in der ambulanten Versorgung haben. Die bisherige Vorgabe, die die Gründereigenschaft auf vertragsärztliche Leistungserbringer:innen und Krankenhäuser beschränken, hat sich als unwirksam erwiesen. Mit dem Erwerb eines kleinen Krankenhauses haben Finanzinvestor:innen heute schon die Möglichkeit, MVZ zu gründen. Wenn mit geeigneten regulatorischen Maßnahmen möglichen Fehlentwicklungen entgegengewirkt werden kann, sollten Kapitalgesellschaften mit steuerlichem Sitz in der EU auch direkt ein MVZ aufbauen oder sich an ihm beteiligen können.

Breite Anbieterstruktur sichern

Nur mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Anbieter:innen in der Gesundheitsversorgung können unter anderem die freie Arztwahl der Versicherten sichergestellt und übermäßiger Einfluss einzelner Akteur:innen verhindert werden.

Anträge auf Zulassung eines MVZ oder Anstellung einer Ärztin beziehungsweise eines Arztes sollten daher abgelehnt werden, wenn eine marktbeherrschende Stellung in einem Planungsbereich vorliegt, wenn also unter anderem mehr als 50 Prozent der Arztsitze einer Fachgruppe zu drei oder weniger MVZ-Träger:innen oder mehr als zwei Drittel zu fünf oder weniger Träger:innen gehören. In größeren Planungsbereichen, gerade in städtischen Ballungsregionen, sind niedrigere Prozentwerte anzusetzen; in Regionen mit drohender oder bestehender Unterversorgung sowie bei Fachgruppen, die nur auf Überweisung tätig werden können, sollte die Anwendung dieser Regelung im Ermessen der regionalen Zulassungsausschüsse liegen. Über die genannten Maßnahmen je Planungsbereich hinausgehend sind auch weitere Begrenzungen je Träger:in und Region der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) notwendig.

Leistungskonzentrationen vermeiden

Die Sicherstellung des Versorgungsauftrages wird gefährdet, wenn sich MVZ-Strukturen in patient:innennahen Bereichen auf besonders renditestarke – also meist operative oder technische – Leistungen konzentrieren. Daher muss die gemeinsame Selbstverwaltung dafür sorgen, dass das Bewertungsverhältnis von konservativen zu technischen/operativen Leistungen dem tatsächlichen Aufwand in der Praxis besser entspricht. Wenn Leistungen in einer Praxis besonders häufig – und damit effizienter – erbracht werden, muss die Vergütung mit steigender Menge sinken. Gleichzeitig muss der Leistungsumfang, der durch die einzelnen Fachgruppen zu erbringen ist, klarer und bundeseinheitlich festgelegt wird. Die Zulassungsausschüsse müssen Vorgaben zum Leistungsspektrum machen können, die durch die KV kontrolliert und auch sanktioniert werden.

Mehr Transparenz und ärztliche Unabhängigkeit

Darüber hinaus müssen sich Patient:innen über die Besitzstrukturen der MVZ informieren können, sowohl über eine Kennzeichnungspflicht auf dem Praxisschild als auch über eine Erweiterung bestehender Arztregister um Eigentums- und Träger:innenverhältnisse, die dann auch frei zugänglich sein sollten.

Neben der Stärkung der ärztlichen Leitung muss ebenso sichergestellt sein, dass angestellte Ärzt:innen ihre Entscheidungen im Sinne der Patient:innen treffen und sich dabei nicht von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Hierzu sollten Zielvereinbarungen weitgehend ausgeschlossen werden und Whistleblower-Stellen zur Meldung von Verstößen gegen die ärztliche Unabhängigkeit eingerichtet werden.

Politik und Selbstverwaltung sollten diese Rahmenbedingungen gemeinsam setzen, damit sich der Gesundheitsmarkt in Deutschland zum Wohle der Versicherten weiterentwickeln kann.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. (5. Ausgabe 2022)