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Ambulante Operationen: Verlagert sich die Pflege in die Familie?

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Das Krankenhaus Agatharied hat mit hohen Kosten zu kämpfen.
Auch das Krankenhaus Agatharied wäre von einer Reform betroffen. © archiv tp

Die Krankenhaus-Reform des Bundes sieht eine Ausweitung ambulanter Operationen vor. Das hätte Folgen. Der Agatharieder Klinik-Vorstand mahnt zu einer ehrlichen Diskussion.

Landkreis – Abkehr vom Fallpauschalensystem, Entlastung der Pflegekräfte, mehr ambulante Eingriffe – eine umfassende Reform im Krankenhauswesen plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Nicht zuletzt sollen kleinere Kliniken gestärkt und die Grundversorgung gesichert werden. Eine Reform sei grundsätzlich zu begrüßen, heißt es dazu aus dem Krankenhaus Agatharied. „Man befasst sich jetzt mal mit dem großen Ganzen, zuletzt stand nur Corona im Vordergrund“, sagt Vorstand Benjamin Bartholdt. „Aber was da genau auf uns zukommt und wie die Auswirkungen sein werden, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen.“

Klinik arbeitet selbst an Reformplänen

Für sich selbst hat das Krankenhaus bereits vor einiger Zeit Handlungsbedarf festgestellt. Agatharied steltt sich selbst gerade neu auf – insbesondere, um das hohe Defizit in den Griff zu bekommen. Inwieweit die Reformen der Bundesregierung dem Krankenhaus in die Karten spielen könnten, hängt nicht zuletzt von deren konkreter Ausgestaltung ab.

Sorge vor stärkeren Vorgaben

Beispiel Fallpauschalen: Bislang wird finanziell belohnt, wer viele Patienten hat und entsprechend häufig operiert. Bartholdt würde es begrüßen, aus diesem Hamsterrad herauszukommen, zumal sich die Zahl der Patienten im Landkreis nicht beliebig steigern lässt. „Dieses Vergütungssystem ist inzwischen so kompliziert geworden, dass es eigentlich nicht mehr händelbar ist“, sagt er. Eine Vorhaltevergütung, die unabhängig von medizinischen Eingriffen für die Bereitstellung der Grundversorgung fließt, wäre daher im Grundsatz zu begrüßen. „Meine Sorge ist nur, dass damit noch stärkere Vorgaben verbunden sind“, gibt der Klinik-Vorstand zu bedenken.

 Benjamin Bartholdt, Vorstand Krankenhaus Agatharied
Benjamin Bartholdt, Vorstand am Krankenhaus Agatharied. © THOMAS PLETTENBERG

Gewisses Spektrum an Operationen erforderlich

So könnte vorgeschrieben werden, welche Eingriffe ambulant erfolgen müssen und welche stationären Operationen das Krankenhaus gar nicht mehr durchführen darf. „Für eine mittlere Klinik wie uns bliebe dann nur noch wenig übrig“, sagt Bartholdt. „Nicht zuletzt wegen der Qualität ist es wichtig, dass wir ein gewisses Spektrum anbieten können.“

Verlagerung der Pflegetätigkeit in die Familien

Auf ein gewisses Maß an ambulanten Eingriffen ist das Krankenhaus eingestellt. So betreibt es im Landkreis bereits mehrere Medizinische Versorgungszentren, in denen Operationen durchgeführt werden. Doch es gibt Grenzen. „Die Politik fährt hier mit der Entlastung der Pflege eine populäre Verkaufsstrategie“, stellt der Klinik-Vorstand fest. „Es ist aber wichtig, dass man ehrlich über die Dinge spricht.“ So führe eine Steigerung der ambulanten Operationen zu einer Verlagerung der Pflegetätigkeit von den Fachkräften in der Klinik auf die Familie. „Da kommt einiges auf die Angehörigen zu“, prophezeit er. Nicht bei allen Patienten sei eine Operation ambulant machbar. „Das Klientel in unserem Krankenhaus ist – je nach Abteilung – im Durchschnitt zwischen 62 und 85 Jahre alt“, rechnet Bartholdt vor. „Da gibt es einen gewissen Überwachungs- und Pflegebedarf.“

Anderes Vergütungssystem wäre große Herausforderung

Der Krankenhaus-Chef hofft, dass die Bundesländer und Klinikverbände nun rasch in die aktuellen Reformüberlegungen eingebunden werden. Denn ganz wesentlich sei es, die verschiedenen Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen. „Eine Kliniklandschaft in Berlin muss man anders betrachten als die ländliche Struktur bei uns“, sagt Bartholdt. Dass eine Reform, wie immer sie letztlich auch aussieht, die aktuellen eigenen Strategieplanungen über den Haufen wirft, glaubt er nicht. „Mit unseren Strukturen sind wir schon ganz gut gerüstet“, findet er. Dennoch könnten wieder zusätzliche organisatorische Aufgaben auf Agatharied zukommen. „Ein völlig anderes Vergütungssystem“, sagt Bartholdt, „wäre eine ganz große Herausforderung.“

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