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Solzbach

Debatte um Zukunft der Krankenhäuser: Klares Votum für die Sankt Anna-Virngrund-Klinik

Ellwangen / Lesedauer: 7 min

Bürger sprechen sich bei der Podiumsdiskussion in der Stadthalle für den Erhalt der Ellwanger Klinik aus
Veröffentlicht:28.10.2022, 01:00

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„1, 2 oder 3, letzte Chance… vorbei!“ Mit dem Slogan der gleichnamigen Kinder-Quiz-Show hat Moderator Timo Lämmerhirt, Redaktionsleiter der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichten“, am Mittwochabend die Podiumsdiskussion zur Zukunft der Kliniken im Ostalbkreis eröffnet.

Der Vorstand der Ostalb-Kliniken muss sich derzeit mit einer weitaus ernsteren Frage befassen, für die es am Ende nur eine Antwort geben kann: Welche der drei Krankenhäuser im Kreis bleiben bestehen, welche müssen der Umstrukturierung weichen: Die Sankt-Anna-Virngrund-Klinik, die Stauferklinik Mutlangen oder das Ostalb-Klinikum Aalen?

Allerdings stehen dabei nicht wie bei „1, 2 oder 3“ ein Pokal und ein Paket mit Überraschungen auf dem Spiel, sondern die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung im Kreis.

Großes Interesse aus der Bevölkerung

Die Brisanz, die das Thema für die Menschen aus der Region um Ellwangen hat, spiegelte sich im großen Interesse an der Veranstaltung wider, zu der die „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichten“ eingeladen hatte.

Knapp 400 Menschen waren zu dem Gespräch mit den Klinikvorsitzenden Professor Dr. Ulrich Solzbach und Thomas Schneider in die Ellwanger Stadthalle gekommen, viele verfolgten die Diskussion, moderiert von Redakteur Mark Masuch, mangels weiterer Sitzplätze sogar über zwei Stunden hinweg im Stehen.

Drei Krankenhäuser, mehrere Lösungen

Wie Solzbach und Schneider einführend darlegten, stehen bei der geplante Umstrukturierung der klinischen Versorgung im Kreis mehrere Varianten zur Debatte.

Wie sich im Laufe des Abends im Gespräch jedoch mehrfach andeutete, hält der Vorstand der Ostalb-Kliniken eine der Varianten für besonders zielführend: Den Erhalt der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik und den Neubau eines Zentralklinikums zwischen Aalen und Mutlangen.

Wenn eine Zentralisierung kommt, dann nur zwischen den zwei größeren Häusern.

, Bürgermeister Volker Grab

Ein Vorschlag, der bei Bürgermeister Volker Grab auf Zuspruch stößt. „Wenn eine Zentralisierung kommt, dann nur zwischen den zwei größeren Häusern“, betonte er in diesem Kontext.

Die Virngrundklinik sei ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung im östlichen Teil des Kreises. Ein Regionalversorger, der zu weit im Westen des Kreises angesiedelt werde, könne das Ellwanger Hinterland nicht mehr ausreichend versorgen. „Das ist ein ganz wichtiges Argument für uns“, erklärte er weiter.

Denn das nächste größere Krankenhaus Richtung Osten sei erst in Ansbach, dagegen seien vom Westen des Kreises aus die Kliniken Göppingen, Schorndorf oder Esslingen erreichbar, im Süden gebe es eine Ausweichmöglichkeit mit dem Klinikum in Heidenheim.

Gründe der Umstrukturierung

Warum eine Umstrukturierung aus Sicht des Vorstands der Ostalb-Kliniken zwingend notwendig ist, hat laut Solzbach mehrere Gründe.

Eines der größten Probleme sei der Personalmangel in der Pflege, der so akut sei, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser davon beeinträchtigt werden. „Wir brauchen pro zehn Betten eine Pflegekraft“, erklärte Solzbach. „Fehlt eine Kraft, dann müssen wir auch zehn Betten sperren.“

Derzeit fehle den Kliniken etwa zehn Prozent an Personal, Solzbach rechnet damit, dass mit den Entwicklungen der kommenden zehn Jahre weitere 20 Prozent altersbedingt ausscheiden werden: „Wir sehen jetzt schon, dass unser Personalmangel noch einmal schlimmer wird.“

Krankenpfleger warnt: Manche Kräfte würden nicht mit umziehen

Lucas Bienert, Gesundheits- und Krankenpfleger in der Virngrund-Klinik, wandte ein, dass sich seiner Ansicht nach die Mangellage mit einer Zentralisierung nicht unbedingt verbessern werde: „Wir haben in den nächsten Jahren viele ältere Pflegekräfte, die in Rente gehen, und es gibt auch viele jüngere Pflegekräfte, die den Umzug mitmachen.“ Auch die Bettenzahl werde sich verringern, wenn zwei Kliniken zusammengelegt werden.

 Professor Dr. Ulrich Solzbach und Thomas Schneider stehen den Fragen der Bürgerinnen und Bürger Rede und Antwort.
Professor Dr. Ulrich Solzbach und Thomas Schneider stehen den Fragen der Bürgerinnen und Bürger Rede und Antwort. (Foto: Larissa Hamann/Schwäbische.de)

Solzbach stimmte dem Pfleger zu und erklärte hierzu, dass im Falle eines Zentralkrankenhauses eine Bettenklinik von maximal 600 bis 700 Betten vorgesehen sei.

Auch gehe es nicht darum, mit einer zentralen Einrichtung den Fachkräftemangel zu beheben, sondern die Menschen im Kreis in einem Notfall bestmöglich versorgen zu können. Ziel müsse sein, auch mit dünner werdender Personaldecke bei dringenden Eingriffe, wie zum Beispiel bei Herzinfarkt, Schlaganfällen, Traumata oder Sepsen, handlungsfähig zu bleiben.

 Mark Masuch, Redakteur der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichten“, hat sich mit Professor Dr. Ulrich Solzbach und Thomas Schneider über die Zukunft der Kliniken im Ostalbkreis unterhalten.
Mark Masuch, Redakteur der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichten“, hat sich mit Professor Dr. Ulrich Solzbach und Thomas Schneider über die Zukunft der Kliniken im Ostalbkreis unterhalten. (Foto: Larissa Hamann/Schwäbische.de)

Dies sei in einem Zentralkrankenhaus effektiver möglich als in zwei eigenständigen Kliniken. „Wir wollen keine Klinikschließung, sondern etwas schaffen, das auch in zehn Jahren noch Bestand hat. Das Patientenwohl steht ganz oben an erster Stelle.“

 Die Bürgerinnen und Bürger nehmen das Angebot, ihre Fragen zur Zukunft der Krankenhäuser im Ostalbkreis zu stellen, rege wahr.
Die Bürgerinnen und Bürger nehmen das Angebot, ihre Fragen zur Zukunft der Krankenhäuser im Ostalbkreis zu stellen, rege wahr. (Foto: Larissa Hamann/Schwäbische.de)

Thomas Schneider hob außerdem hervor, dass mit einem neuen Zentralbau auch neue Anreize für die Mitarbeiter geschaffen würden, um in Konkurrenz mit anderen Kliniken in Nachbarkreisen treten zu können. „Der Arbeitsplatz und die Klinik müssen sowohl für den Patienten von der Versorgung, von der Qualität wie auch für die Belegschaft attraktiv sein.“

Das gelte nach Ansicht des Vorsitzenden des Ellwanger Seniorenrates, Hermann Betz, jedoch auch für den Standort Ellwangen.

Das Krankenhaus in Ellwangen schließen und die Krankenpflegeschule dann mit, das darf nicht sein.

Hermann Betz, Seniorenrat

Die an die Virngrundklinik angegliederte Krankenpflegeschule nehme hierbei eine Schlüsselposition ein, um den Pflegenachwuchs im Kreis zu fördern. „Das Krankenhaus in Ellwangen schließen und die Krankenpflegeschule dann mit, das darf nicht sein“, so Betz.

Er forderte im selben Zug unter Applaus aus dem Publikum eine bessere Bezahlung der Pflegerinnen und Pfleger.

Notstand auch bei den Ärzten

Der Fachkräftemangel beschränke sich nach Angaben Solzbachs schon lange nicht mehr nur auf Pfleger und Hebammen, sondern betreffe auch die ärztliche Versorgung.

„In der Tat ist es so, dass wir in vielen Bereichen nur noch so über die Runden kommen, indem wir Ärzte auf Honorarbasis bestellen“, sagte Solzbach.

Damit entstehen für die Ostalb-Kliniken jedoch jährliche Zusatzkosten von vier bis fünf Millionen Euro. „So geht es nicht mehr weiter“, so der 67-Jährige weiter. „Wir haben Pflege nicht zur Verfügung, wir haben Ärzte nicht zur Verfügung, wir haben noch eine ganz andere Problematik.“

Klinikdebatte 1
Klinikdebatte 1 (Foto: Larissa Hamann)

Damit spielte der vorsitzende Mediziner auf die sogenannte Mindestmengen-Verordnung an, nach der ein Krankenhaus jährlich eine bestimmte Anzahl an Eingriffen in einem bestimmten Fachgebiet – beispielsweise Knie- oder Hüftoperationen – durchgeführt haben muss, um diese Leistung weiter anbieten zu können.

Weil diese Zahlen kaum einzuhalten seien, habe sich der Vorstand bereits vor einigen Jahren dazu entschieden, in den Kliniken Schwerpunktzentren einzurichten.

Mit dem jeweiligen Eingriff müssen laut Gesetzgeber jedoch noch eine Reihe anderer Behandlungsangebote angesiedelt werden, um eine bestmögliche Versorgung und Betreuung der Patienten zu garantieren.

„Diese Verzahnung ist so groß, dass sie, wenn Sie richtig strikt nach Gesetz vorgehen würden und alles gut erfüllen wollen, zu einer maximalen Zentralisierung führen würde.“

Ebenfalls in die Entscheidung, welche Kliniken künftig noch weiter bestehen werden, fließe nach Angaben des Finanzvorstands Thomas Schneider auch die Frage nach dem Investitionsvolumen und den Betriebskosten der jeweiligen Häuser.

Zu berücksichtigen sei hier, dass die Gebäude des Ostalb-Klinikums Aalen und des Stauferklinikums bereits zwischen 50 und 60 Jahre alt seien.

Die Virngrundklinik sei dagegen vor etwa zehn Jahren komplett saniert worden und daher baulich in einem besseren Zustand.

Hinzu kämen die wachsenden Betriebskosten, die infolge der Preiserhöhungen mittlerweile auf etwa zehn Millionen Euro angestiegen sind. „Wir sind ein Hochenergieverbraucher“, so Schneider. „Sie können das nicht mit den Betriebskosten eines Wohnhauses oder einer Gemeindehalle vergleichen.“

Abschließend wandte sich auch Ellwangens Oberbürgermeister Michael Dambacher an das Stadthallen-Publikum und appellierte in seiner Rede an Landrat Joachim Bläse, bei der Entscheidung über die Zukunft der klinischen

Versorgung einzig die Sachargumente als Maßstab anzulegen und so den Kreisräten einen Vorschlag zu unterbreiten, der für den ganzen Ostalbkreis zufriedenstellend ist. „Die anderen Oberbürgermeister haben sich solidarisiert und sich für Gmünd und Aalen ausgesprochen. Sie können sich vorstellen, mein Herz schlägt für Ellwangen“, so Dambacher. „Ein Landrat kann nicht über das Votum seiner Mitarbeiter, in dem Fall der Personalrat und 3000 Mitarbeiter, hinweggehen und das wird er mit Sicherheit auch nicht tun.“