L 1 KR 565/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 78/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 565/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 40/21 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 

Die Revision wird nicht zugelassen. 

Der Streitwert wird auf 5.904,70 € festgesetzt.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Krankenhausvergütung in vier Behandlungsfällen in Höhe von insgesamt 4.704,70 € sowie auf jeweils eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 € nebst Zinsen hat.

Die Klägerin ist Trägerin der A-Klinik, einer Akutklinik zur Behandlung des Parkinson-Syndroms und der verwandten Krankheitsbilder.

1.    Behandlungsfall C. M.:
Der 1933 geborene und bei der Beklagten versicherte Patient C. M. befand sich in der Zeit vom 30.04.2012 bis zum 19.05.2012 in stationärer Behandlung in der Klinik der Klägerin. Die Klinik diagnostizierte im Bericht vom 08.06.2012 u.a. ein primäres Parkinson-Syndrom vom Äquivalenztyp Stadium IV nach Hoehn & Yahr (G20.10), Demenz (F02.3), organische Halluzinose (F06.0) und organische affektive Störung (F06.3). Mit Datum vom 22.05.2012 stellte die Klägerin mit einer DRG B67A (Morbus Parkinson mit äußerst schweren CC oder schwerster Beeinträchtigung) der Beklagten einen Betrag in Höhe von 3.763,79 € in Rechnung. Diesen Betrag glich die Beklagte zunächst vollständig aus. Die Beklagte leitete daraufhin ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein. Dieser erstellte am 20.09.2012 ein Gutachten und führte aus, dass der Patient aufgrund eines primären Parkinson-Syndroms vom Äquivalenztyp mit einer schweren motorischen Verschlechterung stationär aufgenommen worden sei. Die Nebendiagnosen F02.3 (Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom) und F06.0 (organische Halluzinose) seien nicht ausreichend belegt. Bei Aufnahme seien keine Halluzinationen im psychopathologischen Befund beschrieben. Im Verlauf werde im Entlassungsbrief berichtet, dass der Patient unter der Therapie mit Betahistin optische Halluzinationen entwickelt habe. Somit handele es sich nicht um eine organische Halluzinose. Die Beklagte forderte hierauf die Klägerin auf, korrigierte Datensätze zu übermitteln. Die Klägerin widersprach dem Gutachten des MDK. Bei dem Versicherten handele es sich um einen schwer dementen Patienten.

Am 13.04.2013 erstattete Dr. G. (Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Sozialmedizin) im Auftrag des MDK ein nervenfachärztliches Gutachten. Er führte aus, dass die Nebendiagnosen weiterhin nicht ausreichend belegt seien. Für die Nebendiagnose F02.3 müsse entsprechend dem Verfahren der Movement Disorder Task Force ein typisches Profil der Einschränkungen mindestens zweier kognitiver Kerndomänen vorliegen, was hier nicht nachgewiesen sei. Es könne allenfalls eine sog. Mögliche Demenz bei Parkinson-Krankheit diagnostiziert werden. Die Nebendiagnose F06.0 sei ebenfalls nicht nachgewiesen, da an eine Medikamentenvergabe geknüpfte Halluzinationen nicht einer organischen Halluzinose entsprächen. Die Beklagte forderte die Klägerin nochmals zur Übermittlung korrigierter Datensätze auf. Nachdem die Klägerin dem nicht nachkam, verrechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.174,37 € mit einer unstreitigen Forderung.

Am 22.01.2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben (S 15 KR 78/15). Sie ist der Ansicht, dass die Kodierung der Nebendiagnosen korrekt sei.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. S. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin/Rehabilitationswesen/Verkehrsmedizinische Qualifikation/ Medizinischer Sachverständiger CPU). Dieser hat unter dem 26.01.2016 ausgeführt, dass die Nebendiagnose F02.3 nachvollziehbar belegt sei. Die Nebendiagnose F06.0 dagegen könne nicht kodiert werden. Die Halluzinationen beruhten auf einer erhöhten Vulnerabilität durch die vorbestehende Erkrankung. Es handele sich um eine medikamentös bedingte Störung auf dem Boden einer erhöhten Risikosituation durch die Parkinson-Erkrankung. Das Betahistin sei kein übliches Medikament zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung und auch nicht notwendig um dieses zu behandeln. Das Medikament Isicom sei für die Halluzinationen nicht maßgeblich gewesen. Durch das Absetzen des die Halluzinationen auslösenden Medikaments sei die psychische Reaktionsweise des Patienten sofort und vollständig zur Rückbildung gebracht worden. Einer weiteren spezifischen psychiatrischen Therapie habe es nicht bedurft. Ein eigenständiges Krankheitsbild liege deswegen nicht vor (Bl. 67 ff. der Gerichtsakte).

Unter Vorlage eines Grouper-Ausdrucks hat die Beklagte darauf verwiesen, dass auch bei Kodierung der F02.3 - aber ohne F06.0 - sich die DRG B67B (Morbus Parkinson ohne äußerst schwere CC, ohne schwerste Beeinträchtigung) ergebe (Bl. 83 ff. der Gerichtsakte). 

Die Klägerin hat daraufhin eine undatierte Stellungnahme der ärztlichen Direktorin der klägerischen Klinik, Dr. E., vorlegt. Diese hat ausgeführt, dass alle Medikamente gegen Parkinson das Auftreten von Halluzinationen begünstigten, jedoch nicht die Ursache der Halluzinose seien, sondern nur ein möglicher Risikofaktor. Dass Halluzinationen unter Weglassen von auslösenden Medikamenten abklingen, sei nicht der Beweis, dass es sich um eine einfache Nebenwirkung der Medikation handele (Bl. 83 ff. der Gerichtsakte).

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.06.2016 ausgeführt, dass die Diagnose F02.3 nach den Ausführungen des Gutachters eher vermutet als eindeutig festgestellt worden sei. Hätte eine organische Halluzinose vorgelegen und einen therapeutischen Aufwand erzeugt, würde die Kodierung an dem Exklusivum in F06.0 scheitern. Unter Berücksichtigung von F02.3 als Nebendiagnose sei die DRG B67B zutreffend (Bl. 100 f. der Gerichtsakte).

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.11.2016 ist Prof. Dr. S. bei seiner Auffassung geblieben, dass die Nebendiagnose F06.0 (ebenso wie die Diagnose F06.3 - organische affektive Störung) nicht kodiert werden könne. Daraus ergebe sich die DRG B67B (Bl. 108 ff. der Gerichtsakte).

2. Behandlungsfall F. P.:
Der bei der Beklagten versicherte Patient Herr F. P. befand sich in der Zeit vom 23.04.2012 bis zum 11.05.2012 in stationärer Behandlung in der Klinik der Klägerin. Mit Datum vom 14.05.2012 stellte die Klägerin unter Angabe der DRG B67A einen Betrag in Höhe von 3.973,79 € in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte zunächst vollständig. Die Beklagte leitete daraufhin ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein. Dieser erstellte am 02.10.2012 ein Gutachten und führte aus, dass die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 (organische Halluzinose) nicht ausreichend belegt sei. Es sei kein Ressourcenverbrauch erkennbar.  Die Beklagte forderte die Klägerin unter Berufung auf das Gutachten des MDK auf, korrigierte Datensätze zu übermitteln. Mit Schreiben vom 12.10.2012 widersprach die Klägerin dem Gutachten des MDK. 

Am 13.05.2013 erstattete Dr. G. ein Gutachten. Er führte aus, dass die Nebendiagnose weiterhin nicht ausreichend belegt sei. Ob eine Person wegen einer intrinsischen Konstellation oder extrinsisch bedingt aufgrund etwa von Komorbitäten oder Medikation Nebenwirkungen erleide, ändere nichts an der Tatsache dieser Nebenwirkung und dem evtl. Erfordernis einer daraus resultierenden Korrektur. Eine solche Korrektur gehöre aber zu einer sach- und fachgerechten Behandlung der Krankheitssymptomatik, die den Behandlungseinsatz bewirke und stelle somit keinen relevanten Mehraufwand im Sinne eines Ressourcenverbrauchs dar. Die Beklagte forderte die Klägerin nochmals zur Übermittlung korrigierter Datensätze auf. Nachdem die Klägerin dem nicht nachkam, verrechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.174,37 € mit einer unstreitigen Forderung.

Am 22.01.2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben (S 15 KR 79/15). Sie ist der Ansicht, dass die Kodierung der Nebendiagnosen korrekt sei.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. S. Dieser hat in seinem Gutachten vom 13.10.2016 ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 vorlägen. Es seien Halluzinationen dokumentiert worden, in einem Fall sei die Wahrnehmung eines Hundes auf dem Gang beschrieben worden. Der Nachweis eines dementiellen Bildes einer fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit sei ein starker Hinweis dafür, dass die beschriebenen Halluzinationen Ausdruck des fortgeschrittenen Krankheitsbildes seien. Des Weiteren sei die Medikation hierbei zu berücksichtigen. Nach dem System von „Try and Error“ sei die Medikation angepasst worden, um zum einen die Verträglichkeit bzgl. der Auslösung von Halluzinationen zu optimieren, zum anderen auch um die motorischen Fähigkeiten des Patienten zu verbessern. 

Die Beklagte hat vorgebracht, bei der Analyse der Krankenunterlagen sei aufgefallen, dass von optischen und nicht von organischen Halluzinationen die Rede sei. Optische Halluzinationen würden jedoch unter die Nebendiagnose R41.1 und nicht unter F06.0 fallen. Zudem sei für F06.0 Voraussetzung, dass ein Zusammenhang zwischen der zu Grunde liegenden cerebralen Erkrankung und dem Auftreten von Halluzinationen vorliege. Nicht ausreichend sei es, wenn die Halluzinationen im Zusammenhang mit der Medikamentengabe stünden. Beim vorliegenden Fall liege ein Zusammenhang mit der Medikamentenvergabe vor. Das Auftreten einer zweimaligen Halluzination könne nicht als „ständig immer wiederkehrende“ Halluzination definiert werden. Im Übrigen sei kein spezifischer Ressourcenverbrauch in Bezug auf Halluzinationen erkennbar. Des Weiteren werde auf das Exklusivum in F06 hingewiesen, wonach in Verbindung mit Demenz, wie unter F00-03 beschrieben, die Kodierung der organischen Halluzinationen regelmäßig nicht in Betracht komme. 

3.    Behandlungsfall H. N.: 
Der bei der Beklagten versicherte Patient H. N. befand sich in der Zeit vom 13.03.2012 bis zum 03.04.2012 in stationärer Behandlung in der Klinik der Klägerin. Mit Datum vom 10.04.2012 stellte die Klägerin unter Angabe der DRG B67A einen Betrag in Höhe von 3.763,79 € in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte zunächst vollständig. Die Beklagte leitete daraufhin ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein. Dieser erstellte am 19.09.2012 ein Gutachten. Dieser führte aus, dass die Kodierung der Nebendiagnose F02.3 (Demenz bei primärem Parkinsonsyndrom) nicht ausreichend belegt sei. Tests zur Objektivierung der Demenz seien nicht durchgeführt worden. Die Beklagte forderte die Klägerin unter Berufung auf das Gutachten des MDK auf, korrigierte Datensätze zu übermitteln. Mit Schreiben vom 18.10.2012 widersprach die Klägerin dem Gutachten des MDK. 

Am 13.04.2013 erstattete Dr. G. ein Gutachten. Er führte aus, dass der Nachweis relevanter vaskulärer Läsionen in der Bildgebung entsprechend dem Verfahren Movement Disorder Task Force nicht die Diagnose einer „wahrscheinlichen“ zulasse, sondern nur einer „möglichen“ Demenz bei Parkinson-Krankheit zu. Die Beklagte forderte die Klägerin nochmals zur Übermittlung korrigierter Datensätze auf. Nachdem die Klägerin dem nicht nachkam, verrechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.174,37 € mit einer unstreitigen Forderung.

Am 22.01.2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben (S 15 KR 86/15). Sie ist der Ansicht, dass die Kodierung der Nebendiagnosen korrekt sei.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. S. Dieser führt in seinem Gutachten vom 18.10.2016 aus, dass die Nebendiagnose F02.3 vorliege. Folge man den Ausführungen in den Pflegeberichten mit regelmäßigen, nahezu täglich dokumentierten Eintragungen über dementielle Symptome, so sei eine Demenz de facto vorhanden. Entsprechende Testungen wären in diesem Falle eventuell partiell möglich gewesen, jedoch sei nicht damit zu rechnen, dass hier ein unauffälliger Befund zu erwarten gewesen wäre. Aufgrund des begrenzten Instruktionsverständnisses des Versicherten und der klaren klinischen Symptomatik, sowie der anamnestisch vorliegenden Demenz, sei eine testpsychologische Untersuchung zur Bestätigung der klinisch eindeutigen Demenz-Symptomatik nicht erforderlich gewesen. Die Klassifizierung der Demenz bleibe letztlich unklar. Es sei aufgrund der vaskulären Läsionen des Gehirns nicht sicher zu entscheiden, dass eine vaskuläre Demenz vorliege. Alternativ hierzu wäre eine Parkinson-Demenz aufgrund des Vorhandenseins von Lewy-Bodys im Gehirn zu diskutieren. Oder es handele sich um eine Kombination der beiden Demenzformen. Da die Parkinson-Krankheit die leitende Diagnose sei, sei es gerechtfertigt die Demenz des Versicherten diesem Krankheitsbild zuzuordnen mit dem Zusatzhinweis, dass auch eine vaskuläre Encephalopathie vorliege. Aufgrund der regelmäßig beschriebenen Halluzinationen halte er eine Parkinson-Demenz für wahrscheinlicher. 

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 05.12.2016 ausgeführt, dass die Abgrenzung zwischen der Lewy-Körperchen-Demenz (G31.82) zur Parkinson-Demenz (F02.3) mehr als relevant sei. Bei der Kodierung der G31.82 gelange man in die von der Beklagten als korrekt erachtete DRG B67B. Es entbehre jeder Grundlage, dass der Gutachter festgestellt habe, dass die Diagnose F02.3 zweifelsfrei belegt sei. Selbst die Klägerin habe sich hier nicht endgültig festgelegt. Interessant sei auch in diesem Zusammenhang, dass in allen Aufenthalten vor und nach dem hier streitigen in anderen Häusern die Lewy-Körperchen-Demenz kodiert worden sei. Die Demenz sei nicht leitliniengerecht festgestellt worden, sondern nur als möglich erachtet worden. Zudem bestehe ein Exklusivum zwischen den Diagnosen F02.3 und F06.0, wonach eine Kodierung nebeneinander regelmäßig nicht in Betracht komme. 

4.    Behandlungsfall D. J.:
Die bei der Beklagten versicherte Patientin D. J. befand sich in der Zeit vom 05.07.2012 bis zum 26.07.2012 in stationärer Behandlung in der Klinik der Klägerin. Mit Datum vom 30.07.2012 stellte die Klägerin unter Angabe der DRG B67A einen Betrag in Höhe von 3.998,65 € in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte zunächst vollständig. Die Beklagte leitete daraufhin ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein. Dieser erstellte am 16.01.2013 ein Gutachten. Dieser führte aus, dass die Kodierung der Nebendiagnosen F02.3 (Demenz bei primärem Parkinsonsyndrom) und F06.0 (Organische Halluzinose) nicht ausreichend belegt sei. Die Beklagte forderte die Klägerin unter Berufung auf das Gutachten des MDK auf, korrigierte Datensätze zu übermitteln. Mit Schreiben vom 30.01.2013 widersprach die Klägerin dem Gutachten des MDK. Am 18.06.2013 erstattete der MDK erneut ein Gutachten. Die Kodierung der Nebendiagnose F02.3 sei nachvollziehbar. Die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 und F06.3 (Organische affektive Störungen) könnten dagegen nicht kodiert werden aufgrund des Exklusivums in der Überschrift zu F06- in Verbindung mit Demenz F00-F03 im OPS-Katalog. Die Beklagte forderte die Klägerin nochmals zur Übermittlung korrigierter Datensätze auf. Nachdem die Klägerin dem nicht nachgekommen war, verrechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.181,59 € mit einer unstreitigen Forderung.

Am 22.01.2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben (S 15 KR 88/15). Sie ist der Ansicht, dass die Kodierung der Nebendiagnosen korrekt sei.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. S. Dieser führt in seinem Gutachten vom 17.10.2016 aus, dass in den Ausführungen der Klinik-Einweisung vermerkt sei, dass die Patientin neben der primären Parkinson-Erkrankung mit schwerer bis mäßiger Beeinträchtigung auch an einer organischen wahnhaften schizophrenen Störung gelitten habe. Dies bedeute wahrscheinlich, dass die behandelnden Fachärzte aus dem ambulanten Sektor eine organische Halluzinose und eine organische affektive Störung bei Parkinson-Demenz gemeint hätten. Die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 hätten vorgelegen. Ursache für die organische Halluzinose sei das Parkinson-Syndrom mit einer dementiellen Entwicklung im Rahmen der Grunderkrankung sowie pharmakogene Einflüsse durch die Medikation. In der Patientenakte fänden sich Hinweise dafür, dass die Symptomatik einer organischen Halluzinose nach F06.0 bei der Patientin vorgelegen habe. Es fänden sich entsprechende Vermerke in der Krankenbeobachtung. Es sei auf Grundlage der Krankenbeobachtung die neue therapeutische Entscheidung zur Behandlung mit Leponex (Clozapin) getroffen worden. 

Die Beklagte hat vorgebracht, bei der Analyse der Krankenunterlagen sei aufgefallen, dass in dem zitierten Bericht Halluzinationen nicht erwähnt seien. Der Sachverständige schließe dennoch aus diesem Bericht, dass „wahrscheinlich“ eine organische Halluzinose gemeint sei. In dem unvollständigen Entlassungsbericht der Klägerin sei dann von optischen Halluzinationen seit einem Jahr unter Pramipexol-Dosis die Rede. Woher diese Erkenntnis komme, bleibe unklar. Im Kurvenblatt sei am 08.07.2012 nach der Gabe von 20 Tropfen Motilium eine einmalige optische Halluzination vermerkt. Weiteres sei nicht lesbar. Am 12.07.2012 seien Halluzinationen in der Nacht vermerkt. Ausdrücklich werde dokumentiert, dass sich hieraus keine medizinischen Konsequenzen ergeben hätten. Im Pflegebericht würden Halluzinationen nicht erwähnt. Vorliegend würden die Halluzinationen im Zusammenhang mit der Medikamentengabe stehen. Dies sei jedoch für die Kodierung der Nebendiagnose nicht ausreichend. Zudem könne das Auftreten einer zweimaligen Halluzination nicht als „ständig immer wiederkehrende“ Halluzination definiert werden. Im Übrigen sei kein spezifischer Ressourcenverbrauch erkennbar. In kodierrechtlicher Hinsicht werde nochmal auf das Exklusivum in F06.- hingewiesen, wonach in der Verbindung mit Demenz, wie unter F00-F03 beschrieben, die Kodierung der organischen Halluzinationen regelmäßig nicht in Betracht komme. 

Mit Beschluss vom 11.01.2017 hat das Sozialgericht die vier Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 19.04.2018 die Klagen abgewiesen. Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs sei § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und dem Fallpauschalen-Katalog aus dem Jahr 2012. 

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entstehe unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes bei der Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus und bei Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, u.a. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 Rn. 11 m.w.N.). Maßgebend für die Krankenhausvergütung seien die vertraglich vereinbarten Fallpauschalen (vgl. BSG, SozR 4-5560 § 17 b Nr. 2 Rn. 14 ff.). Der Fallpauschalen-Katalog sei nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dem liege ein System zugrunde, bei dem in einem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess aus den ermittelten Diagnosen, Operationen und Prozeduren mithilfe eines zertifizierten Software-Programms unter Einbeziehung von weiterer Variablen eine DRG-Pauschale und die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt würden. Die maßgeblichen Vergütungsregelungen, insbesondere die Deutsche Kodierrichtlinien, seien eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen hätten außer Betracht zu bleiben. Denn eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen sei, könne ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belasse. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit lernendes System angelegt sei, seien bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - SozR 4-5560 § 17b Nr. 2; Hessisches LSG, Urteil vom 21.08.2014 - L 8 KR 128/13 - juris). 

Die Klägerin habe die stationären Aufenthalte der Versicherten zu Unrecht nach der DRG B67A abgerechnet. Die Behandlungsfälle hätten nach einer DRG B67B abgerechnet werden müssen. Nach dem ICD-10-GM 2012 handele es sich bei der Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (F02.3) um eine Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Krankheit entwickelt. Bisher hätten allerdings noch keine charakteristischen klinischen Merkmale beschrieben werden können. Unter den Schlüssel F06 fielen andere psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit. Diese Kategorie umfasse verschiedene Krankheitsbilder, die ursächlich mit einer Hirnfunktionsstörung in Zusammenhang stünden als Folge von primär zerebralen Krankheiten, systemischen Krankheiten, die sekundär das Gehirn betreffen, exogenen toxischen Substanzen oder Hormonen, endokrinen Störungen oder anderen körperlichen Krankheiten. Zudem enthalte die Kategorie F06 das Exklusivum in Verbindung mit Demenz, wie unter F00-F03 beschrieben. Nach dem ICD-10-GM 2012 handele es sich bei der organischen Halluzinose (F06.0) um eine Störung mit ständigen oder immer wieder auftretenden, meist optischen oder akustischen Halluzinationen bei klarer Bewusstseinslage. Sie könnten vom Patienten als Halluzinationen erkannt werden. Die Halluzinationen könnten wahnhaft verarbeitet werden, Wahn dominiere aber nicht das klinische Bild. Die Krankheitseinsicht könne erhalten bleiben. 

Die Klägerin habe in dem Behandlungsfall C. M. nicht nachgewiesen, dass die Nebendiagnose F06.0 vorliege, wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. S. vom 26.01.2016 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 16.11.2016 ergebe. Dieser habe ausgeführt, dass bei diesem Patienten lediglich einmal eine Wahrnehmungsstörung beschrieben worden sei. Die Halluzinationen beruhten auf einer erhöhten Vulnerabilität durch die vorbestehende Erkrankung. Es handele sich um eine medikamentös bedingte Störung auf dem Boden einer erhöhten Risikosituation durch die Parkinson-Erkrankung. Das Betahistin sei kein übliches Medikament zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung und auch nicht notwendig um dieses zu behandeln. Das Medikament Isicom sei für die Halluzinationen nicht maßgeblich gewesen. Durch das Absetzen des die Halluzinationen auslösenden Medikaments sei die psychische Reaktionsweise des Patienten sofort und vollständig zur Rückbildung gebracht worden. Ein eigenständiges Krankheitsbild liege hier deswegen nicht vor. Zudem sei eine Kodierung der Diagnose F06.0 aufgrund des Exklusivums in F06 nicht möglich. Die Kategorie F06 enthalte den Hinweis, dass diese nicht in Verbindung mit den unter F00-F03 enthaltenen Diagnosen gestellt werden dürfe. Da zwischen den Beteiligten unstreitig die Diagnose F02.3 vorliege, komme eine Kodierung der Nebendiagnose F06.0 regelmäßig nicht mehr in Betracht. Im Jahr 2016 seien aufgrund dieses Exklusivums auch die Kodierempfehlungen angepasst worden. Danach seien Halluzinationen, die im Rahmen einer bekannten Parkinson-Demenz aufträten, mit dem Kode R44 zu verschlüsseln. Zwar sei diese Kodierempfehlung bei dem hier in Streit stehenden Behandlungsfall noch nicht in Kraft gewesen, jedoch habe sich an der Formulierung der ICD-10 hinsichtlich des Exklusivums nichts geändert, so dass eine Kodierung der Nebendiagnose F06.0 neben F02.3 bereits 2012 nach dem Wortlaut der ICD-10 Version 2012 nicht möglich gewesen sei. Damit sei nur die Diagnose F02.3 zu kodieren gewesen, was eine DRG B67B zur Folge habe.

In dem Behandlungsfall F. P. hätten die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 nicht vorgelegen. Dem Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. S. vom 13.10.2016 könne insoweit nicht gefolgt werden. Der Gutachter führe aus, dass Halluzinationen einige Male erwähnt worden seien. In den Krankenunterlagen sei jedoch lediglich zweimal vermerkt, dass der Patient optische Halluzinationen gehabt habe (am 01.05.2012 und am 04.05.2012). Danach sei vermerkt worden, dass keine Halluzinationen mehr aufgetreten seien. Auch im Aufnahmebefund sei bei dem psychischen Befund vermerkt, dass keine Störung der Wahrnehmung oder Denkstörungen festgestellt worden seien. Nach Ansicht der Kammer könne die Diagnose einer organischen Halluzination in diesem Fall schon alleine deshalb nicht gestellt werden, da bei einer zweimalig aufgetretenen Halluzination nicht von ständigen oder immer wieder auftretenden Halluzinationen gesprochen werden könne. Zudem habe die Klägerin in ihrem Entlassungsbericht sowie im Kurvenblatt vermerkt, dass es sich dabei um optische und nicht um organische Halluzinationen gehandelt habe. Nachdem die Medikation des Patienten umgestellt worden sei, seien keine Halluzinationen mehr aufgetreten. Prof. Dr. S. habe weiter ausgeführt, dass das Vorliegen einer fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit ein starker Hinweis dafür sei, dass die beschriebenen Halluzinationen Ausdruck des fortgeschrittenen Krankheitsbildes seien. Des Weiteren sei die Medikation zu berücksichtigen. Es sei nach dem System „Try and Error“ die Medikation angepasst worden, um das Auslösen von Halluzinationen zu optimieren. Die Ursache der Halluzinationen habe vorliegend in den verabreichten Medikamenten gelegen. Dies habe bereits Dr. G. in seinem Gutachten dargelegt. Auch Prof. Dr. S. habe dies in seinem Gutachten angedeutet. Weshalb jedoch einmal ein Ursachenzusammenhang zur Medikamentenvergabe nicht ausreichen solle, um organische Halluzinationen zu kodieren (Behandlungsfall C. M.) und einmal schon, erschließe sich der Kammer nicht. Sie gehe in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Prof. Dr. S. im Behandlungsfall C. M. sowie dem Gutachten von Dr. G. vom 13.05.2013 davon aus, dass ein Ursachenzusammenhang mit der Medikation für die Nebendiagnose F06.0 nicht ausreiche. Zudem sei eine Kodierung der Diagnose F06.0 aufgrund des Exklusivums in F06 regelmäßig nicht möglich. Nach Überzeugung der Kammer sei damit nur die Diagnose F02.3 zu kodieren gewesen, was eine DRG B67B zur Folge habe.

In dem Behandlungsfall H. N. sei das Vorliegen der Diagnose F02.3 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Prof. Dr. S. führe in seinem Gutachten vom 18.10.2016 aus, dass die Klassifizierung der Demenz unklar bleibe. Es sei aufgrund der vaskulären Läsionen des Gehirns nicht sicher zu entscheiden, dass eine vaskuläre Demenz vorliege. Alternativ sei eine Parkinson-Demenz aufgrund des Vorhandenseins von Lewy-Bodys im Gehirn zu diskutieren. Er halte jedoch aufgrund der regelmäßig beschriebenen Halluzinationen eine Parkinson-Demenz für wahrscheinlicher. Damit sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass eine Parkinson-Demenz vorgelegen habe. Testungen zur Diagnose seien nicht durchgeführt geworden. Zudem habe sich der Patient in der Zeit vom 24.11.2011 bis zum 15.12.2011 in der BDH-Klinik Braunfels in stationärer Behandlung befunden. Im vorläufigen Arztbrief vom 14.12.2011 sei als Diagnose eine Lewy-Body-Demenz aufgeführt. Die Symptomatik mit schwankender Orientierungsstörung, optischen Halluzinationen, rezividierenden Synkopen und Parkinsonsyndrom seien am ehesten im Rahmen einer Lewy-Body-Demenz zu werten. Testungen zur Festigung dieser Diagnose seien ebenfalls nicht durchgeführt worden. Letztlich sei vorliegend, mangels ausreichender Diagnostik, offen, ob eine Lewy-Body-Demenz (G31.82) vorliege oder eine Parkinsondemenz (F02.3). Bei einer Kodierung der Diagnose G31.82 neben F06.0 verbleibe es bei der von der Beklagten zugrunde gelegten DRG B67B. Bei einer Kodierung der Diagnose F02.3 sei jedoch die Kodierung der organischen Halluzinose F06.0 aufgrund des Exklusivums regelmäßig nicht möglich. Es verbleibe daher bei der DRG B67B. 

In dem Behandlungsfall D. J. lägen die Voraussetzungen für die Kodierung der Diagnose F06.0 und F06.3 nicht vor. Dem Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. S. vom 17.10.2016 werde insoweit nicht gefolgt. Der Gutachter habe ausgeführt, dass in den Pflegeberichten Halluzinationen vermerkt seien. Nach Durchsicht der Krankenunterlagen sei jedoch lediglich am 07.07.2012 und am 12.07.2012 das Auftreten von Halluzinationen vermerkt. Die Diagnose einer organischen Halluzination könne in diesem Fall schon alleine deshalb nicht gestellt werden, da bei einer zweimalig aufgetretenen Halluzination nicht von ständigen oder immer wieder auftretenden Halluzinationen gesprochen werden könne. Zudem sei eine Kodierung der Diagnose F06.0 und F06.3 aufgrund des Exklusivums in F06, wie oben bereits ausgeführt, regelmäßig nicht möglich. Damit sei nur die Diagnose F02.3 zu kodieren gewesen, was eine DRG B67B zur Folge habe.

Zinsansprüche nach § 10 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 des Hessischen Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestünden nicht. 

Zudem habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschalen. Anspruchsgrundlage für die Zahlung der Aufwandspauschale sei § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Vorliegend könne offenbleiben, ob es sich bei um Auffälligkeitsprüfungen handele. Denn auch wenn Auffälligkeitsprüfungen vorgelegen hätten, komme die Zahlung einer Aufwandspauschale nicht in Betracht, da es in den vier Behandlungsfällen zu einer Rechnungsminderung gekommen sei. 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 03.07.2018 zugestellte Urteil am 31.07.2018 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation (DIMDI) habe ausgeführt, dass das „Exklusivum“ eines Kodes besage, dass mit dem im Exklusivum genannten Kode eine Erkrankung anderer Genese bzw. ein nicht regelhaft enthaltender Zustand abgegrenzt werde. Folglich könnten beide Kodes nebeneinander verwendet werden. Die Gutachten von Dr. G. seien nicht zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um einen Angestellten des MDK handele. Es seien bloße Parteigutachten. Damit habe die Beklagte innerhalb der gesetzlichen Frist kein taugliches Gutachten vorgelegt. 

Zum Behandlungsfall C. M. hat die Klägerin ausgeführt, dass bei diesem Patienten sämtliche Voraussetzungen einer organischen Halluzinosen vorlägen. Er habe am 06.05.2012 („Pat. sieht seine Frau“) und am 18.05.2012 Halluzinationen gehabt. Die organische Halluzinose habe auch nicht in Verbindung mit der Demenz gestanden. Die Halluzinationen korrelierten mit der Dosierung des verordneten Parkinson-Medikament Betahistin. Die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 lägen vor. Der Hinweise des Sozialgerichts auf den Kode R44 aus dem Kapitel XVIII ICD-10-GM Version 2016 sei rechtsfehlerhaft und eine verbotene Rückwirkung. 

Zum Behandlungsfall F. P. hat die Klägerin angegeben, Prof. Dr. S. habe bestätigt, dass die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 vorlägen. Er habe festgestellt, dass Halluzinationen in Form von ständigen immer wiederkehrenden, meist optischen oder akustischen Halluzinationen bei klarer Bewusstseinslage des Patienten vorgelegen hätten. Das Sozialgericht habe fehlerhaft zwei Behandlungsfälle (P. und M.) vermischt. Es komme jedoch hinsichtlich der medizinischen Erfordernisse auf den Einzelfall an.

Zum Behandlungsfall H. N. hat die Klägerin vorgebracht, dass der Sachverständige Prof. Dr. S. eine Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Krankheit entwickelt habe, festgestellt habe. Im Übrigen sei anlässlich der streitgegenständlichen stationären Behandlung auch eine psychologische Testung erfolgt. Im Vordergrund der neurologischen Symptomatik habe das Parkinson-Syndrom gestanden.

Zum Behandlungsfall D. J. hat die Klägerin darauf verwiesen, Prof. Dr. S. habe bestätigt habe, dass die Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose F06.0 vorlägen. 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 19.04.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin

1.    in dem Behandlungsfall C. M. einen Betrag i. H. v. 1.174,37 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2013 sowie eine Aufwandspauschale i. H. v. 300,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2013 zu zahlen,

2.    in dem Behandlungsfall F. P. einen Betrag i. H. v. 1.174,37 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2013 sowie eine Aufwandspauschale i. H. v. 300,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2013 zu zahlen,

3.    in dem Behandlungsfall H. N. einen Betrag i. H. v. 1.174,37 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2013 sowie eine Aufwandspauschale i. H. v. 300,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2013 zu zahlen,

4.    in dem Behandlungsfall D. J. einen Betrag i. H. v. 1.181,59 € nebst Zinsen i.H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2013 sowie eine Aufwandspauschale i. H. v. 300,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Patientenakten, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19.04.2018 die Klagen abgewiesen. 

Auf die Entscheidungsgründe im angegriffenen Urteil wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Der Vortrag im Berufungsverfahren begründet keine andere Entscheidung.

Ergänzend wird ausgeführt: 
1.
Der Behandlungsfall C. M. ist zutreffend nach der DRG B67B zu kodieren. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Diagnose F06.0 nicht belegt. Dies folgt bereits daraus, dass - wie von Prof. Dr. S. ausgeführt - keine organische Halluzinose nachgewiesen ist. Während der stationären Behandlung ist lediglich eine Halluzination am 18.05.2012 dokumentiert. Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Patient am 06.05.2012 seine Frau gesehen habe, ist darauf zu verweisen, dass in der Patientenakte vermerkt ist, dass er seine Frau sucht - nicht sieht. Damit ist nicht von ständigen und immer wieder auftretenden Halluzinationen auszugehen. Darüber hinaus ist, wie vom gerichtlichen Sachverständigen überzeugend ausgeführt, diese Halluzination auf das verabreichte Medikament Betahistin zurückzuführen. Die rasche Rückbildung nach Absetzen des Medikaments Betahistin sowie die Auslösung nach Eindosierung dieses Medikaments innerhalb kürzester Zeit sprechen für die pharmokogene Auslösung. Zudem ist Betahistin kein übliches Medikament zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung. Eine organische Halluzinose ist damit nicht nachgewiesen, so dass F06.0 bereits aus diesem Grund nicht zu diagnostizieren ist.

2.
Der Behandlungsfall F. P. ist zutreffend nach der DRG B67B zu kodieren. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Diagnose F06.0 nicht belegt. Eine organische Halluzinose F06.0 setzt eine Störung mit ständigen oder immer wieder auftretenden, meist optischen oder akustischen Halluzinationen bei klarer Bewusstseinslage voraus. Zwar hat Prof. Dr. S. ausgeführt, dass Halluzinationen dokumentiert seien. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt dies jedoch für den 21-täigen stationären Aufenthalt lediglich für zwei Tage (01.05.2012 und 04.05.2012; s. Kurvenblatt II der Patientenakte). Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat Belege für weitere Halluzinationen nicht konkret aufgeführt. Er hat vielmehr lediglich darauf verwiesen, dass Halluzinationen in der Patientenakte dokumentiert seien, in einem Fall sei die Wahrnehmung eines Hundes auf dem Gang beschrieben. In dem Entlassungsbericht vom 16.05.2012 wird zudem lediglich erwähnt, dass es zum Auftreten von halluzinatorischen Phänomenen gekommen sei. Nach der Gabe des Medikaments Stalevo seien Halluzinationen aufgetreten. Als Diagnose werden u.a. optische Halluzinationen aufgeführt. In dem Formular „Grundanamnese“ ist unter „Psychische NW“ aufgeführt: opt. Halluzin. seit (Datum nicht leserlich). Als Aufnahmegrund ist jedoch eine organische Halluzinose nicht angekreuzt worden. Dennoch wird in der DRG-Dokumentationsübersicht eine organische Halluzinose benannt. Ständige oder immer wieder auftretende Halluzinationen sind damit nicht nachgewiesen, so dass F06.0 bereits aus diesem Grund nicht zu diagnostizieren ist. 

3.
Der Behandlungsfall H. N. ist zutreffend nach der DRG B67B zu kodieren. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt allerdings eine Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (F02.3) vor. Hierbei handelt es um „eine Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung entwickelt. Bisher konnten allerdings noch keine charakteristischen klinischen Merkmale beschrieben werden“ (ICD-Code). Eine solche Demenz hat der Sachverständige Prof. Dr. S. vorliegend bejaht. In den Pflegeberichten seien nahezu täglich Eintragungen über dementielle Symptome zu finden. Eine Demenz sei mithin de facto vorhanden. Eine testpsychologische Untersuchung zur Bestätigung der klinisch eindeutigen Symptome sei nicht erforderlich gewesen. Die Klassifizierung der Demenz bleibe letztendlich unklar. Da die Parkinson-Krankheit jedoch die leitende Diagnose sei, sei es gerechtfertigt, die Demenz des Versicherten N. diesem Krankheitsbild zuzuordnen. Aufgrund der regelmäßig beschriebenen Halluzinationen sei eine Parkinson-Demenz zudem wahrscheinlicher. Diesen überzeugenden Ausführungen folgt der Senat.

Entgegen der Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil ist im Vorläufigen Arztbrief der BDH-Klinik Braunfels vom 14.12.2011 eine Lewy-Body-Demenz nicht diagnostiziert, sondern lediglich der Verdacht dieser Diagnose aufgeführt worden. Im Übrigen wird in diesem Bericht ausgeführt: „Zusammenfassend ist die Symptomatik mit schwankender Orientierungsstörung, optischen Halluzinationen, rezidivierenden Synkopen und Parkinsonsyndromen am ehesten im Rahmen einer Lewy-Body-Demenz zu werten. Differentialdiagnostisch ist aber weiterhin ein atypisches Parkinson-Syndrom im Sinne einer Multisystematrophie in Betracht zu ziehen. Die Notwendigkeit einer Umstellung der Parkinson-Medikation besteht derzeit nicht.“ Eine organische Halluzinose (F06.0) liegt ebenfalls vor. Entsprechende ständige oder immer wieder auftretende Halluzinationen sind in den Pflegeberichten dokumentiert. 

Allerdings ist - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - F06.0 nicht neben F02.3 zu kodieren. Dies folgt aus der Regelung zu den F06-Diagnosen „Exkl.: In Verbindung mit Demenz, wie unter F00-F03 beschrieben“. Das „Exkl.“ eines Kodes besagt, dass mit dem im Exklusivum genannten Kode eine Erkrankung anderer Genese bzw. ein nicht regelhaft enthaltener Zustand abgegrenzt (klassifiziert) wird. Folglich können beide Kodes nebeneinander verwendet werden, wenn die Erkrankungen/Zustände sowohl als auch beim Patienten vorliegen und diagnostisch voneinander abgrenzbar sind (s.a. BSG, Beschluss vom 19.03.2020, B 1 KR 67/19 B, Rn. 11; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.09.2015, Rn 34 ff.; SG Hannover, Urteil vom 30.01.2020, S 19 KR 2103/16, Rn 55 - jeweils juris). Eine derartige diagnostische Abgrenzung ist bei dem Versicherten N. nicht möglich. Insoweit wird auf das Gutachten von Prof. Dr. S. Bezug genommen. Dieser hat ausgeführt, dass er aufgrund der regelmäßig beschriebenen Halluzinationen eine Parkinson-Demenz für wahrscheinlicher hält. Mit dem Exklusivum ist damit vorliegend eine kumulative Kodierung von F02.3 und F06.0 ausgeschlossen.

4.
Der Behandlungsfall D. J. ist zutreffend nach der DRG B67B zu kodieren. Ob tatsächlich eine organische Halluzinose durch die Dokumentation belegt ist, erscheint fraglich. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist in den Krankenunterlagen des klägerischen Krankenhauses nur zwei Mal das Auftreten von Halluzinationen vermerkt worden. Dies kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls aufgrund des o.g. Exklusivums die Diagnose F06.0 nicht neben der Diagnose F02.3 zu kodieren ist. Dies übersieht der Sachverständige Prof. Dr. S., wenn er als Ausschlusskriterien zur ICD F06.0 lediglich alkoholbedingte Halluzinationen und die schizophrene Halluzination aufführt (S. 10 des Gutachtens).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Rechtsstreit eine bezifferte Geldleistung betrifft, war der Streitwert in Höhe der Geldleistung festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).
 

Rechtskraft
Aus
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