Finanzmisere der städtischen Krankenhäuser:Überlebensgarantie für München Klinik

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Das Klinik-Bauprogramm wird insgesamt etwa eine Milliarde Euro verschlingen - hier das Klinikum Bogenhausen. (Foto: Florian Peljak)

Sogar die Opposition steht trotz der Millionen-Verluste und leer stehender Betten zu den städtischen Krankenhäusern - auch wenn sie "hausgemachte Probleme" kritisiert.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Die Politik steht trotz alarmierender Zahlen weitgehend geschlossen hinter der München Klinik, der Gesellschaft für die fünf städtischen Krankenhäuser. Die finanziellen Verluste müsse die Stadt eben auffangen, so die vorherrschende Meinung. Darüber hinaus zeichnet sich jedoch eine Mehrheit ab, das im Moment geltende Sanierungs- und Medizinkonzept aus dem Jahr 2014 zu überarbeiten. Festlegen will sich dabei noch niemand, doch in der München Klinik wird unter anderem über eine Reduzierung der Bettenzahl sowie die Schließung oder Zusammenlegung von Stationen nachgedacht.

Auf 36 Millionen Euro werden die Verluste der München Klinik allein im Jahr 2022 geschätzt. Das geht aus nicht öffentlichen Unterlagen des Stadtrats hervor, die der SZ vorliegen. Das Klinik-Bauprogramm wird insgesamt etwa eine Milliarde Euro verschlingen. Viele Betten stehen leer, weil nicht genügend Personal da ist. Dazu kommen viel weniger Patienten als erwartet. Linken-Fraktionschef Stefan Jagel, der auch Korreferent des Gesundheitsreferats und damit das Bindeglied des Stadtrats zur Verwaltung ist, erwartet, dass die Vorschläge für eine Neustrukturierung im ersten Quartal 2023 auf den Tisch kommen. In einem Beteiligungsprozess müssten die Beschäftigten der Krankenhäuser eingebunden werden, forderte er.

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Die Bundesebene spiele bei der Misere der städtischen Klinik schon eine Rolle, so Jagel, er sehe allerdings auch hausgemachte Probleme. Der Pflegenotstand etwa sei "nicht nur ein strukturelles Problem, sondern auch eines der Geschäftsführung". Diese trage Verantwortung dafür, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ein neues Medizinkonzept müsse sich an der Versorgungslage orientieren, nicht an ökonomischen Kriterien. Generell habe die Klinik über die Jahre mit zu positiven Planzahlen gerechnet, kritisierte Jagel.

Auch die FDP sieht interne Fehler in einem "Desaster zwischen externen Krisen und hausgemachten Problemen". Die Corona-Pandemie und die gestiegenen Energiepreise könnten die Misere nur zum Teil erklären, sagte Fraktionschef Jörg Hoffmann. "Nach so vielen Sanierungsanläufen und vergeblichen Bemühungen stellt sich die Frage, ob die Geschäftsführung und die Aufsicht durch das Gesundheitsreferat noch geeignet sind, die anstehenden Probleme mit frischen Gedanken zu bewältigen." Am liebsten sähe Hoffmann die Kliniken wieder in der Zuständigkeit der Kämmerei.

Für den CSU-Gesundheitsexperten und Fraktionsvize Hans Theiss wäre es schon mal ein guter Anfang, wenn die Koalition den Bürgern sagen würde, "um wie viel Geld es geht", und sich dazu bekennen würde, dafür aufzukommen. Auch ärgert es ihn, dass die München Klinik nun selbst Kredite aufnehmen muss, um zumindest einen Teil ihrer Verluste auszugleichen. Aufkommen dafür müsse am Ende doch wieder die Stadt. "Das empfinde ich als einen Schattenhaushalt." Die CSU stehe voll hinter den städtischen Krankenhäusern und deren Versorgung von Patienten, die für Privatkliniken nicht lukrativ seien. Zu den Plänen für ein neues Medizinkonzept will er sich nicht konkret äußern. Die CSU werde sich "ergebnisoffen" alle Vorschläge ansehen, nur eines dürfe nicht passieren: dass sich die Versorgung verschlechtere.

Die Koalition aus SPD und Grünen lässt nicht den geringsten Zweifel aufkommen, dass sie die Krankenhäuser voll unterstützen wird. "Wir stehen absolut hinter der München Klinik", sagte SPD-Stadträtin Kathrin Abele. Das ist auch der Standpunkt von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der sich im Übrigen als Aufsichtsratschef aktuell nicht zu internen Zahlen oder Konzepten äußern wollte. Abele betonte, dass die Beschäftigten in den kommunale Krankenhäusern "Daseinsvorsorge und Medizin auf Spitzenniveau leisten". Man habe in München schon einiges auf dem Weg gebracht, etwa um die Situation in der Pflege zu verbessern. "Gleichzeitig aber brauchen wir vom Bund endlich ein tragfähiges Finanzierungsmodell für kommunale Kliniken."

Das sei die Aufgabe von SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, sagte Florian Roth, Grünen-Stadtrat und Klinik-Aufsichtsrat. Die zweieinhalb Pandemiejahre hätten gezeigt, wie wichtig Krankenhäuser in öffentlicher Hand seien. Deshalb werde die Stadt auch für die Verluste aufkommen. Im Zentrum müsse auch stehen, die Situation für die Pflegenden entscheidend zu verbessern. "Ohne Schere im Kopf" müsse man die Optionen diskutieren und auch überlegen, ob man wirklich alles an allen Standorten anbieten müsse. Dafür dürfe man auch an das jetzige Sanierungs- und Medizinkonzept gehen. "Nicht jeder Baustein dort ist in Stein gemeißelt. Dass wir zur Klinik stehen, allerdings schon."

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