Wilhelmshaven - Ohne die im Oktober vom Rat beschlossene Finanzspritze von 20 Millionen Euro wäre das Klinikum Wilhelmshaven im Dezember zahlungsunfähig. Das stellte Geschäftsführer Oliver Pommerenke am Mittwoch auf einer außerordentlichen Ratssitzung nochmals nachdrücklich klar. Dieses Geld aber dürfte das Klinikum nur bis 2025 über Wasser halten.
Kaum zahlungsfähig
Wie schlecht es wirtschaftlich um das Klinikum tatsächlich steht, habe er erst nach seinem Dienstantritt Ende April erfahren, sagte Pommerenke. Bei einer ausführlichen Bestandsaufnahme hätten sich immer neue und/oder größere Finanzlücken aufgetan. „Von meinem ersten Tag an gab es ein Liquiditätsproblem, das habe ich mit voller Wucht abbekommen“, betonte der Geschäftsführer. Unter seiner Leitung sei alles getan worden, um mit Hilfe eines Sanierungskonzeptes eine mögliche Insolvenz abzuwenden. „Es hängen viele Existenzen am Klinikum. Die ganze Situation war für mich nicht tragbar und hat mir viele schlaflose Nächte bereitet.“ Pommerenke zog die Konsequenzen und kündigte zum Jahresende. Bis dahin aber, so versprach er, werde er sich mit ganzer Kraft für das Klinikum einsetzen. Stand jetzt und sofern in den kommenden Monaten „alles normal“ laufe, sei die Liquidität bis 2025 gesichert. „Dann brauchen wir wieder Hilfe.“
Bestandsaufnahme
Aber woher kommt die desaströse Finanzlage? In den Vorjahren seien massive Fehler gemacht worden, das habe die Bestandsaufnahme gezeigt, so der Geschäftsführer. Zu früheren Entscheidungsträgern aber wollte er nichts sagen. Doch die Zahlen, die Pommerenke vorlagen, spiegelten das Ausmaß des wirtschaftlichen Desasters wider und waren damit zumindest Teil der Erklärung.
Erklärungsansätze
Ein zentraler Ansatz ist die Bettenzahl: Die Planungen, die auf Basis des Vor-Corona-Jahres erstellt worden sind, sahen 324 Betten vor. Tatsächlich konnten nur 250 Betten vorgehalten werden. Die Pandemie sei ein Grund, der andere eine Gesetzesänderung, die Personaluntergrenzen für Stationen vorsieht.
„Unser Personal hätte ohne Ausfälle für maximal 300 Betten gereicht“, sagte der Geschäftsführer. Doch Ausfälle gebe es immer – in Coronazeiten umso mehr. Jedes Bett sorge für einen Monatsumsatz von rund 20 000 Euro. „Da sind Erlöseinbußen dann unvermeidbar“, sagte Pommerenke. Aktuell kämpfe man, zumindest den aktuellen Stand zu halten. Doch gehe er davon aus, mit dem Personalbestand im Jahr 2024 nochmals zehn Prozent der Betten zu verlieren.
Also mehr Pflegepersonal? „Schön wär’s“, sagte Pommerenke . Statt mehr gehe es darum, nicht noch weniger Personal zu haben. Viele Mitarbeiter hätten das Haus verlassen. „Der Umgang mit den Mitarbeitern war manchmal unterirdisch“, gibt der Geschäftsführer zu. „Es gab keine Spielregeln, es regierten die Ellenbogen.“ Das habe er unterbrochen. „Jeder Mitarbeiter hat jetzt die Chance, sein Veto einzulegen, wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte. Ein fairer Umgang miteinander vereinfacht den Klinikbetrieb.“
Neues Personal zu finden, sei gar nicht so einfach. Zum allgemeinen Fachkräftebedarf kämen die Negativ-Schlagzeilen über das Klinikum, die die Akquise zusätzlich erschwerten. Mit der Prämie von 5000 Euro hätten 15 neue Kräfte gewonnen werden können. Ein Erfolg. Doch Pommerenke habe die Aktion nach Kritik aus anderen Häusern beendet.
Selbst mehr auszubilden, um dem Personalmangel zu begegnen, funktioniere auch nicht, desillusionierte der Geschäftsführer den Rat. „Alle Azubis erhalten nach bestandener Prüfung ein Übernahmeangebot. Nur nehmen es nicht alle an. Schon jetzt bekommen wir die Ausbildungsplätze kaum besetzt. Die Nachfrage wird immer geringer und die Ausfallquote ist hoch. Mehr Plätze anzubieten, macht also keinen Sinn.“