Zweifel gleich von mehreren Seiten

Warum Lauterbachs Klinikreform zum Rohrkrepierer werden könnte

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

Berlin. Karl Lauterbach spricht gern in Superlativen. Vor einigen Wochen kündigte er die „größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre“ an. Kernpunkt nach seinen damaligen Worten: eine Entlastung der Pflegekräfte, unter anderem durch den Wegfall von Nachtdiensten. Inzwischen liegen Details vor, doch bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass es höchst unsicher ist, ob das Ziel je erreicht werden kann. Die Kritik nimmt dementsprechend zu.

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Die von Lauterbach geplanten Gesetzesänderungen sehen vor, den Krankenhäusern mit der sogenannten Tagesbehandlung eine neue Form der Versorgung zu erlauben. Bei Eingriffen oder Untersuchungen, die sich über einige Tage hinziehen – beispielsweise bei Krebspatientinnen und -patienten –, sollen die Betroffenen nicht mehr in der Klinik schlafen, sondern zu Hause. Durch den Wegfall der Übernachtungen soll das Personal entlastet und zudem auch Geld gespart werden. Schließlich ist vorgesehen, dass es bei der Honorierung der Kliniken einen Abschlag gibt. Lauterbach will allerdings keinen Patienten und keine Patientin zur Tagesbehandlung zwingen. Sie müssen ausdrücklich zustimmen.

Die gesetzlichen Krankenkassen wiesen jedoch umgehend auf finanzielle Probleme hin. Sie rechneten vor, dass die Neuregelung nicht zu Einsparungen, sondern im Gegenteil zu Mehrkosten in der Größenordnung von rund 4 Milliarden Euro führen würde. Denn Lauterbach habe zwar die Einsparungen bei den Kliniken einkalkuliert, nicht aber die zusätzlichen Kosten für die mehrfachen Fahrten der Versicherten ins Krankenhaus, so der Vorwurf.

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Lauterbach reagierte und legte fest, dass bei den Tagesbehandlungen nur die erste Fahrt ins Krankenhaus von den Kassen erstattet wird. Alle weiteren müssen die Patientinnen und Patienten aus der eigenen Tasche bezahlen. „Das Krankenhaus ist verpflichtet, die Patientinnen und Patienten hierauf gesondert und in geeigneter Weise hinzuweisen“, heißt es im Entwurf der Gesetzesänderung.

Zweifel von mehreren Seiten

Die Kassen begrüßen das. Doch nun steht nach Ansicht der Opposition die gesamte Regelung endgültig infrage. „Kein Patient will zum Pendler werden. Für Tagesbehandlungen muss es eine Regelung zur Fahrtkostenerstattung geben“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Sonst wird die Reform zum Rohrkrepierer“, warnte er.

Lauterbach stellt Kliniken Milliardenunterstützung in Aussicht

Karl Lauterbach hat den Krankenhäusern angesichts von Inflation und hoher Energiekosten eine Milliardenunterstützung in Aussicht gestellt.

Die Reform könnte nach Ansicht von Sorge am Schluss sogar mehr kosten, als sie einspart. „Muss ein Patient nachts ins Krankenhaus zurück, weil er nach dem Eingriff Schmerzen hat, wird die Fahrt mit dem Rettungsdienst sehr teuer“, sagte er. Gerade mehrfache Entlassungen und Wiederaufnahmen verursachten zudem einen hohen bürokratischen Aufwand.

Sorge sieht einen weiteren kritischen Punkt. So seien die Kliniken in Haftungsfragen auf sich allein gestellt. Kein Krankenhaus könne sicherstellen, dass das häusliche und soziale Umfeld eine Tagesbehandlung anstelle einer vollstationären Behandlung erlaube. „Diese Unsicherheit wird nur wenige Häuser ermutigen, auf Tagesbehandlungen umzustellen“, so seine Prognose.

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Auf die Pflegekräfte kommt eine Verdichtung und Verschärfung der Arbeitssituation zu.

Bernadette Klapper,

Geschäftsführerin des Berufsverbandes für Pflegeberufe

Auch die Pflegekräfte glauben nicht, dass die geplante Gesetzesänderung ein Erfolg wird. Die Geschäftsführerin des Berufsverbandes für Pflegeberufe, Bernadette Klapper, sagte, es sei nicht zu erwarten, dass Pflegekräfte durch weniger Übernachtungen im Krankenhaus entlastet würden. „Wer geht denn nach Hause, das sind nicht die Pflegebedürftigen, die tatsächlich Arbeit auf der Station machen. Es sind genau die Patienten, die ohne großen Pflegebedarf sind“, argumentiert sie. So würden vielleicht weniger Betten belegt, die Arbeitslast reduziere sich aber nur unwesentlich. Wenn dann trotzdem die Zahl der Pflegekräfte reduziert werde, werde das Gegenteil dessen erreicht, was Lauterbach verspreche: „Auf die Pflegekräfte kommt eine Verdichtung und Verschärfung der Arbeitssituation zu“, warnt sie.

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