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Hessens Kliniken spezialisieren sich

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Expertise verbessert die Qualität.
Expertise verbessert die Qualität. IStock © Getty Images/iStockphoto

Es gibt höhere Hürde bei den Mindestmengen. Die Krankenkassen erwarten mehr Qualität bei Eingriffen.

Im kommenden Jahr dürfen deutlich weniger hessische Krankenhäuser Eingriffe an der Speiseröhre vornehmen. Der Grund: Die gesetzliche Mindestmenge für solche Operationen hat sich erhöht, teilt die AOK Hessen mit. Denn Krankenhäuser dürfen nicht ohne weiteres alle Operationen ausführen und abrechnen. Bei der Implantation von Knieprothesen oder Eingriffen an der Speiseröhre etwa muss eine festgelegte Zahl an Fällen erreicht werden. Denn mehr Erfahrung führt zu besserer Qualität.

Der Gesetzgeber hat das Soll für die komplexen Operationen an der Speiseröhre von 10 auf 26 Eingriffe pro Jahr angehoben. Laut Mindestmengen-Transparenzkarte der AOK Hessen reduziert sich dadurch die Zahl der 17 Klinikabteilungen mit Erlaubnis dieser Ösophagus-OP von 17 auf 6. Auch für Operationen an der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gibt es Änderungen. Die Folge: Zwei Kliniken verlieren ihre Berechtigung. Übrig bleiben 24.

Sterberisiko sinkt

Die AOK unterstützt diese Änderungen. Studien belegten, dass in Kliniken, die die vorgegebenen Mindestmengen einhalten, das Komplikationsrisiko und die Sterblichkeit der Patientinnen und Patienten geringer seien als in Krankenhäusern mit Fallzahlen unterhalb der Mindestmenge.

„Daher fordern wir schon länger eine Erhöhung der bestehenden Mindestmengen und vor allem auch weiterhin eine Erweiterung auf weitere Operationen,“ sagt Joachim Henkel, Krankenhaus-Chef der AOK Hessen. Die Konzentration komplexer Leistungen sei sinnvoll und notwendig, um die Behandlungsqualität zu verbessern und die Patientensicherheit zu erhöhen. „Hier hinken wir in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten deutlich hinterher.“ Henkel fordert eine Reform der Krankenhausplanung mit dem Ziel der bestmöglichen Versorgungsqualität bei gleichzeitiger Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.

Mehr Routine, mehr Qualität

Gesetzlich vorgegebene Mindestmengen gibt es für die Implantation künstlicher Kniegelenke (50 Fälle pro Jahr), Transplantation von Leber (20), Niere (25) und Stammzellen (25), komplexe Operationen an Speiseröhre (ab nächstem Jahr 26),und Bauspeicheldrüse (10) sowie die Versorgung von Früh- und Neugeborenen von einem Aufnahmegewicht unter 1250 Gramm (bisher 14, ab nächstem Jahr 20 Fälle pro Jahr).

Im Jahr 2024 kommen Mindestmengen für Brustkrebsoperationen und thoraxchirurgische Behandlungen von Lungenkrebs hinzu. Aktuell berät der gemeinsame Bundesausschuss über Mindestmengen unter anderem für Herztransplantationen. jur

Weitere Informationen: Die Mindestmengen-Transparenzkarte der AOKsteht unter https://aok-bv.de; der Barmer-Report unter www.bifg.de

Nach Angaben der Barmer-Krankenkasse würde eine Verlagerung an Kliniken mit höheren Fallzahlen nicht zu unzumutbaren Fahrtzeiten oder mangelnder Erreichbarkeit der Kliniken führen. Laut einer im aktuellen Barmer-Krankenhausreport veröffentlichten Modellrechnung können in Hessen 1959 der insgesamt mehr als 37 000 Hüft- und Knieeingriffe und 796 der rund 28 400 Herzinfarktbehandlungen an anderen Standorten erfolgen, ohne dass sich die Erreichbarkeit deutlich verlängert. Jeder vierte Krankenhausstandort in Hessen erbringt demnach Leistungen, die ohne größere Fahrzeitnachteile konzentriert werden könnten.

Hohe Klinikdichte in Rhein-Main

Besonders groß ist demnach das Verlagerungspotenzial im Rhein-Main-Gebiet mit seiner hohen Krankenhausdichte. 42 Prozent der Kliniken im Raum Frankfurt nähmen Prothetik- und Osteosyntheseeingriffe an Hüfte und Knie in geringer Fallzahl vor. 28 Prozent der Behandlungen an Hüfte und Knie in Hessen im niedrigen Fallzahlsegment werden demnach alleine in Frankfurt erbracht.

„Wer ein Krankenhaus betritt, geht oftmals von immer gleichen Qualitätsstandards aus“, sagt Barmer-Landeschef Martin Till. „Doch nicht jedes hessische Krankenhaus kann Spitzenmedizin für jede Art der Behandlung bieten.“

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