Kliniken in SH machen Millionen-Defizite

Stand: 05.12.2022 20:44 Uhr

Das Diako-Krankenhaus in Flensburg steckt mitten einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Doch wie steht es um die finanzielle Lage der anderen Kliniken? NDR Schleswig-Holstein hat nachgefragt.

von Hannah Böhme, Jörn Zahlmann und Jörg Jacobsen

Viele Kliniken im Land können derzeit ihre Kosten nicht decken. Nur durch Rücklagen oder zusätzliche Mittel ihrer Träger halten etliche Krankenhäuser den Betrieb derzeit aufrecht. Bei einer Umfrage von NDR Schleswig-Holstein unter 32 Regel- und Schwerpunktversorgern bewerteten die meisten Kliniken ihre wirtschaftliche Situation als schlecht. Mit Blick auf das kommende Jahr fällt die Bewertung noch schlechter aus.

Patientin auf einem Krankenhausflur © picture alliance / AFP Creative Foto: Joel Saget
AUDIO: NDR-Umfrage: Kliniken berichten von Verlusten in Millionenhöhe (2 Min)

Große Unterschiede zwischen Kliniken

Finanzielle Folgen der Corona-Pandemie, die allgemeine Inflation und steigende Energiekosten bringen die Finanzplanung der Kliniken durcheinander - aber unterschiedlich stark. Die Kostensteigerungen fallen zum Teil sehr unterschiedlich ins Gewicht. Ein Unternehmen gibt an, dass Arzneimittel um zwei Prozent teurer geworden sind, andere sprechen von bis zu 20 Prozent. Auch bei den Energiekosten schwanken die Angaben stark.

Das größte Klinikum im Land hat nach den vorliegenden Rückmeldungen auch das größte Defizit. Für dieses Jahr prognostiziert das Universitätsklinikum in Kiel und Lübeck ein Minus von 122 Millionen Euro, für das kommende Jahr sind es 96 Millionen Euro.

Imland fehlen 46 Millionen Euro

Die Imland-Kliniken im Kreis Rendsburg-Eckernförde können aktuell das Geschäft nur mit Finanzhilfe des Kreises bewältigen und bewerten die Lage derzeit als "schlecht", für das kommende Jahr sogar als "dramatisch". Die gemeinnützige Gesellschaft mit den Standorten Rendsburg und Eckernförde erwartet dann ein negatives Jahresergebnis von 25 Millionen Euro. Zusätzlich muss das Klinikum 21 Millionen Euro für Investitionen zahlen, die nicht durch die Krankenhausfinanzierung gedeckt sind. Der Liquiditätsbedarf liegt laut Klinikleitung also bei 46 Millionen Euro.

Nur ein Klinikum bewertet die Lage als "gut"

Das Friedrich-Ebert-Krankenhaus der Stadt Neumünster macht in diesem Jahr nach eigenen Angaben noch kein Defizit, hat im Wirtschaftsplan für 2023 allerdings rund zehn Millionen Euro mehr Ausgaben als Einnahmen eingeplant.

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Ähnlich ist die Lage am Westküstenklinikum im Kreis Dithmarschen: Aufgrund von Sondereffekten erwartet die Klinikleitung in diesem Jahr einen kleinen Überschuss, im kommenden Jahr allerdings ein Defizit von mehr als sieben Millionen Euro. "Unser großer Vorteil ist die kommunale Trägerschaft durch den Kreis Dithmarschen. Mit dem Kreis haben wir einen absolut verlässlichen Eigentümer, der uns in allen Belangen unterstützt."

Nur ein Betreiber bewertet die wirtschaftliche Situation in diesem und im kommenden Jahr als gut: Das Helios-Klinikum in Schleswig plant nach eigenen Angaben ohne Defizit und bezeichnet die eigene Lage als "solide". "Wir sind Teil der Helios Unternehmensgruppe, die es uns ermöglicht notwendige Investitionen wie etwa für eine moderne Ausstattung unseres Klinikums zu tätigen und zugleich auf ein umfassendes Netzwerk kompetenter Experten zurückzugreifen", teilte eine Sprecherin mit.

Appelle nach Berlin

Das Klinikum Nordfriesland mit seinen Standorten in Husum, Niebüll und Wyk auf Föhr rechnet mit einem Minus im "unteren achtstelligen Bereich" - also von mindestens zehn Millionen Euro. Allein im Energie-Sektor seien die Kosten dort um 300 Prozent gestiegen. "Bis die Kliniken (hoffentlich) einen Inflations- und Energiekosten-Ausgleich durch die Bundesgesetzgebung erhalten, sorgt der Träger für eine ausreichende Liquidität", teilte das Klinikum dem NDR mit.

"Da insbesondere die finanzielle Situation derzeit sehr drängt und zunehmend Krankenhäuser in Schleswig-Holstein und darüber hinaus in Schieflage geraten, braucht es schnell Klarheit zu den derzeit noch nicht beschlossenen finanziellen Hilfen des Bundes sowie eine umfassende Strukturreform des Finanzierungssystems", heißt es von den Sana Kliniken Lübeck. "Wir sind der Meinung, dass es nur so gelingen wird, kurzfristig die Krankenhäuser durch die herausfordernden Zeiten zu bringen."

"Verantwortung hat Bundesregierung zu tragen"

Die Geschäftsführung des St. Franziskus-Hospital (SFH) der Malteser in Flensburg spricht angesichts steigender Betriebskosten und Corona-bedingten Erlösminderungen von einer "desaströsen Entwicklung" und einer "existenzgefährdenden Situation". Das Krankenhaus sieht sich gezwungen - unabhängig vom realen Versorgungsbedarf - das Leistungsangebot auf den Prüfstand zu stellen und defizitäre Versorgungsbereiche und Angebote einzuschränken. "Dieses Szenario kann nur noch durch eine sofortige und umfassende staatliche Unterstützung, die einer zukünftig kostendeckenden Finanzierung der Krankenhäuser auf Basis einer Krankenhausreform vorangestellt wird, vermieden werden", heißt es vom Malteser-Krankenhaus. "Den Gesundheitspolitikern auf allen politischen Ebenen ist der Ernst dieser Lage vielfach mitgeteilt worden. Die Verantwortung für die deutliche Verschlechterung der Gesundheitsversorgung hat am Ende die Bundesregierung zu tragen."

Wer wurde gefragt?

Ein Rechercheteam von NDR Schleswig-Holstein hat vor genau einer Woche 32 Kliniken in Schleswig-Holstein angeschrieben. Darunter sind Kliniken der Grund- und Regelversorgung, Schwerpunktkliniken und das UKSH als Maximalversorger. Es handelt sich um Standorte, die für die Akutversorgung von Patienten relevant sind. Einige Betreiber haben für die Beantwortung der Fragen um mehr Zeit gebeten. Ameos im Kreis Ostholstein, Asklepios in Bad Oldesloe und die Segeberger Kliniken teilten mit, die Fragen nicht beantworten zu wollen. Die Inselkrankenhäuser auf Sylt und Helgoland haben bisher gar nicht auf unsere Anfrage reagiert.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 05.12.2022 | 19:30 Uhr

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Gesundheitspolitik

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