Panorama

Fehler nicht wiederholen Dänemark macht Krankenhausreform vor

Im dänischen Aarhus ist eines der sogenannten Superkrankenhäuser entstanden.

Im dänischen Aarhus ist eines der sogenannten Superkrankenhäuser entstanden.

(Foto: picture alliance / Alexander Farnsworth)

Der deutsche Krankenhaussektor soll gründlich reformiert werden. Ein Vorhaben, das Dänemark in ähnlicher Weise schon seit Jahren vorantreibt. Dort hat sich die Gesundheitsversorgung erheblich verbessert. Einen Fehler sollte Deutschland jedoch nicht nachahmen.

Nichts Geringeres als eine "Revolution" des Krankenhaussektors hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt. Das ist tatsächlich recht treffend. Die verantwortliche Regierungskommission will die Finanzierung und Strukturierung der Kliniken gehörig umkrempeln, hin zu mehr Effizienz und einer höheren Spezialisierung. Für die Bürgerinnen und Bürger hätte das spürbare Auswirkungen auf die Versorgung.

Konkret will die Kommission Kliniken in drei Kategorien einteilen. Künftig soll es Häuser zur Grundversorgung, zur weiterführenden Versorgung und in der Spitze zur spezialisierten Maximalversorgung geben, letztere soll vor allem den Universitätskliniken vorbehalten sein. Zudem ist geplant, mehr Behandlungen ambulant durchzuführen. Die überdurchschnittlich hohen Bettenkapazitäten sollen so abgebaut werden - und mit ihnen Kliniken, die damit obsolet werden.

Einen Hinweis darauf, wie viel Erfolg die Reformbestrebungen versprechen, gibt Dänemark. Deutschlands nördlicher Nachbar hat bereits vor Jahren einen vergleichbaren Wandel vorangetrieben. Auch wenn Dänemark mit rund sechs Millionen Einwohnern um einiges kleiner ist als die Bundesrepublik, stehen beide Länder vor ähnlichen Herausforderungen. Infolge einer alternden Bevölkerung nehmen chronische Erkrankungen zu, zugleich fehlen an vielen Stellen Fachkräfte.

"Die Dänen hatten vor knapp 15 Jahren eine ähnliche Situation wie wir gerade. Auch dort stand man etwa bei der Krebssterblichkeit im internationalen Vergleich nicht gut da und hatte innerhalb des Landes eine große Qualitätsvariation. Bei uns ist das ähnlich, obwohl wir so viel Geld ins System stecken", sagt Elke Berger vom Fachgebiet Management im Gesundheitswesen der Technischen Universität Berlin. Sie hat das dänische Krankenhausprogramm wissenschaftlich untersucht.

Entstehung von Superkrankenhäusern

Im Jahr 2007 reagierte die dänische Regierung auf die vorherrschenden Probleme und brachte einen umfassenden Reformkatalog auf den Weg. Herz dieser Maßnahmen war eine radikale Straffung der Krankenhauslandschaft. Die Anzahl der Kliniken wurde fast halbiert, Spezialbehandlungen sollten sich nur noch auf eine Handvoll sogenannter Superkrankenhäuser konzentrieren. Um diese herum entstanden Ambulanzen zur Abdeckung der Grundversorgung.

Eine Herkulesaufgabe, deren Umsetzung immer noch im Gange ist, die bislang fast sechs Milliarden Euro verschlungen hat und nicht ohne Probleme vonstattenging. Insbesondere der Bau der Superkrankenhäuser geht zäh voran und übersteigt die ursprünglich veranschlagten Kosten massiv. Doch insgesamt geht das dänische Rezept auf. "Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei sehr vielen Krebsarten ist deutlich gestiegen und Wartezeiten auf geplante Operationen sind verringert worden", erläutert Expertin Berger im Gespräch mit ntv.de. Trotz des Kahlschlags der Kliniken gebe es mehr Personal. Zudem herrsche in Dänemark ein großer Qualitätswettbewerb zwischen den Regionen, "den man sich in Deutschland eigentlich nur wünschen kann".

Auch der Mehrbelastung infolge der Corona-Pandemie konnte das Land standhalten – trotz verringerter Bettenanzahl. Das lag einerseits an einer frühzeitigen und entschlossenen Umsetzung von Schutzmaßnahmen, jedoch auch am modernen Gesundheitssystem. "Dänemark konnte die Situation mit einem Aufstocken der Kapazitäten gut bewältigen. Auch, weil es dort schon vor der Pandemie ein Intensivregister gab", so Berger.

Qualität statt Nähe?

Neue Superkrankenhäuser werden in Deutschland nicht gebaut. Dennoch eröffnen sich am dänischen Beispiel die Vorzüge eines zentralisierten und spezialisierten Krankenhaussektors. Also einfach dem Vorbild folgen? Ganz so einfach ist es nicht. Denn dem Land sei ein schwerwiegender Fehler unterlaufen, sagt Berger. "In Dänemark hatte man das Credo: Qualität vor Nähe. Doch es wurde nicht ausreichend bedacht, dass manche Dinge eben Nähe brauchen". Besonders in ländlichen und strukturschwachen Regionen hat sich die Anbindung an Kliniken verschlechtert. Menschen mit leichteren Beschwerden müssen oft längere Wege zurücklegen.

Das führte in Dänemark zu reichlich Unmut. Inzwischen will die Regierung nachjustieren und Nahkrankenhäuser schaffen, die in etwa denen der deutschen Kategorie Grundversorgung entsprechen. Für Deutschland verspricht Lauterbach, dass Krankenhäuser in ländlichen Gebieten und in den Stadtteilen, wo es wenig Versorgung gibt, "auch überleben können". Man müsse dennoch aufpassen, bei allem Effizienzeifer die dänischen Fehler nicht zu wiederholen, sagt Berger.

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Wiederum ein Beispiel nehmen kann sich Deutschland an der fortgeschrittenen Digitalisierung. Elektronische Patientenakten sind in Dänemark längst die Regel. Jeder Däne erhält per Geburt Zugang zum Nationalen Gesundheitsportal sundhed.dk, auf dem die gesamte Krankheitsgeschichte zusammenläuft. Das kann im Ernstfall Leben retten. "Bei einem Rettungseinsatz werden präklinische Daten aus dem Rettungswagen an das Krankenhaus übermittelt, sodass man dort bereits im Vorfeld über alles Bescheid weiß und direkt loslegen kann", so Berger.

In Deutschland kann die elektronische Patientenakte seit Januar 2021 freiwillig genutzt werden und soll künftig die Regel werden. Ein wichtiger Schritt, auch, um Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden und somit Ressourcen zu schonen. Ressourcen, mit denen nach Meinung vieler Experten in Deutschland zu großzügig umgegangen wird. Dänemark zeigt, wie es besser geht - zum Vorteil der Patientinnen und Patienten.

(Dieser Artikel wurde am Samstag, 10. Dezember 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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