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Behandelt Uni-Klinik kürzer?

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Das Schreiben einer Marburger Ärztegenossenschaft sorgt für Aufregung. Weil die Uniklinik Gießen und Marburg vorzeitige Entlassungen plane, müssten sich die niedergelassenen Ärzte auf mehr Patienten einstellen. Gewerkschaft, KV und Krankenhausgesellschaft reagieren unterschiedlich - das UKGM noch gar nicht.

Weil die privatisierte Uniklinik Gießen-Marburg an ihre Grenzen kommt, will sie die Behandlung von Patienten abkürzen. Dies geht aus einem Schreiben der Ärztegenossenschaft PrimMa an ihre Mitglieder hervor, das der Frankfurter Rundschau zugespielt wurde. »Man möchte die vorhandenen Ressourcen besser nutzen und deshalb, wo immer medizinisch möglich, frühzeitiger entlassen«, heißt es in dem Brief an die niedergelassenen Ärzte in der Region Marburg-Biedenkopf. »Dadurch würden sich die Behandlungsmöglichkeiten für wartende Patientinnen und Patienten vergrößern und gleichzeitig das Personal nicht durch Überbelegung zusätzlich belastet.« Um die Weiterbehandlung sinnvoll zu ermöglichen, werde die Klinik bei der Entlassung einen Kurzbericht mit allen relevanten Informationen für die Niedergelassenen mitgeben sowie Rezepte für die Erstverordnung von Medikamenten.

Der Brief sei ein weiterer Beleg dafür, dass Verdi mit den Forderungen nach einem Entlastungstarifvertrag richtigliege, sagt Fabian Dzewas-Rehm, der zuständige Gewerkschaftssekretär. Dazu wurden jüngst 4163 Unterschriften an die Geschäftsführung übergeben. »Wir haben einen eindringlichen Notruf abgesetzt, dass es so nicht mehr weitergeht.« Frühzeitige Entlassungen seien schlechter für Patient:innen, aber auch für das Personal, sagt der Gewerkschafter. »Es ist frustrierend, wenn man keine gute Medizin machen kann.« Nun auf die Unterstützung der hochbelasteten Praxen zu setzen, sei unfair. Auch sei es nicht jedem möglich, zu Hause angemessen versorgt zu werden. »Das Thema blutige Entlassungen hat viele Ebenen.«

Besserung nicht in Sicht

Der Begriff »blutige Entlassungen« ist verbunden mit dem Fallpauschalensystem, das Verdi wegen der Fehlanreize ablehnt. Er steht für die Gefahr, aus Kostengründen nach Hause geschickt zu werden, obwohl der Heilungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Deutsche Kliniken werden seit 2003 pro Fall bezahlt. So kann es passieren, dass sie von einer vorzeitigen Entlassung mehrfach profitieren. Nämlich dann, wenn der oder die Betroffene erneut ins Krankenhaus eingeliefert wird. »Das könnte sich finanziell lohnen«, sagt Gewerkschafter Dzewas-Rehm. Er wolle der Uniklinik aber nichts dergleichen unterstellen.

»Alle haben wohl schon bemerkt, dass es am Uniklinikum nicht mehr richtig rundläuft«, heißt es im Brief der Ärztegenossenschaft. »Die Lage scheint sehr angespannt.« Eine Besserung in den nächsten Monaten sei nicht in Sicht. Man könne einwenden, »dass noch blutigere Entlassungen eine Zumutung sind«. Doch langes Warten auf Behandlungstermine und »völliges Auslaugen des Klinikpersonals« seien es auch. »Im Sinne unserer Patientinnen und Patienten und aus Solidarität mit den Pflegekräften sollten wir für einen überschaubaren Zeitraum diesen Mehraufwand übernehmen.«

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) sieht frühzeitige Entlassungen kritisch. »Weil damit Patienten in der Regel in einem Zustand entlassen werden, der dies noch nicht zulässt beziehungsweise eine engmaschige Kontrolle nötig macht, die die Niedergelassenen im normalen Praxisbetrieb nicht leisten können«, sagt Pressesprecher Karl Roth. Der KVH sei nicht bekannt, dass Kliniken derlei planen.

Gesellschaft spricht von Einzelfall

Das müsse ein Einzelfall sein, teilte die hessische Krankenhausgesellschaft mit. »Unsere Krankenhäuser kommen selbst in schwierigen Zeiten ihren Verpflichtungen nach und werden dies auch weiterhin tun.« Auch weitere Gesundheitsbereiche seien stark belastet, »vor allem der ambulante Versorgungsbereich«.

Eine Stellungnahme der Uniklinik lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

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