Lauterbach: Krankenhäuser sollen Patienten früher entlassen

Die Kliniken sind voll mit Grippe- und RSV-Fällen, gleichzeitig sind viele Ärzte und Pfleger krank: Experten warnen vor einem Kollaps an den Feiertagen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will, dass Kliniken Patienten früher entlassen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will, dass Kliniken Patienten früher entlassen.dpa/Michael Kappeler

Angesichts der Häufung von Infektionskrankheiten und zugleich dünner personeller Besetzung warnen Krankenkassen und Gesundheitsexperten vor einer Überlastung der Krankenhäuser über die Feiertage. „Ärzte und Pflegekräfte sind am Limit. Erst Corona, jetzt Grippe und RSV gleichzeitig“, sagte die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, der Bild-Zeitung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach sich dafür aus, Patientinnen und Patienten früher zu entlassen.

Durch Bürokratieabbau, andere Regeln für Abrechnungen und durch mögliche frühere Entlassungen sollten mehr Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern geschaffen werden, schrieb Lauterbach laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland an den GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Kassen, den Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG).

„Hohe Krankenstände und eine beispiellose Infektionswelle setzen vor allem Kinderkliniken unter Druck. Daher wollen wir sie nicht nur finanziell unterstützen, sondern das Personal auch von zusätzlichem Bürokratieaufwand spürbar entlasten“, sagte Lauterbach dazu den RND-Zeitungen. „Insbesondere Kinder dürfen nicht im Krankenhaus bleiben müssen, nur um Abrechnungsformalien zu genügen.“

Lauterbach: Kassen sollen untere Grenzverweildauer aussetzen

Er rief daher die Krankenkassen auf, „die untere Grenzverweildauer und die Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen begrenzt bis Ende Januar 2023 auszusetzen“. Durch die Aussetzung der unteren Grenzverweildauer könnten Krankenhäuser zusätzliche Behandlungskapazitäten dadurch schaffen, „dass sie Patientinnen und Patienten bei entsprechender ärztlicher Einschätzung früher entlassen“, wenn dies medizinisch vertretbar sei.

Reimann sprach sich wegen der angespannten Lage zudem für ein Böllerverbot an Silvester aus, um zumindest Mehrbelastungen durch Verletzungen mit Feuerwerkskörpern zu vermeiden. Aus medizinischer Sicht sei eine solche Einschränkung „immer sinnvoll“, sagte die AOK-Chefin. „Das wäre für die Krankenhäuser eine echte Entlastung“, sagte die AOK-Chefin. Sie wies darauf hin, dass die Lage dort an Feiertagen zusätzlich schwierig sei, „weil die Besetzung dann noch dünner ist“.

„Ich kann nur die Menschen bitten, zum Beispiel beim Umgang mit Silvesterfeuerwerk umsichtig zu sein und auch ansonsten die Notaufnahmen und Rettungsdienste nur in Anspruch zu nehmen, wenn es auch wirklich sein muss“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, ebenfalls der Bild-Zeitung. Eine Entwarnung sei in den Kliniken nicht in Sicht, sagte er weiter. Laut DKG ist derzeit jeder zehnte Krankenhausmitarbeiter selbst erkrankt.

Statistiker: Weihnachten wird eine Superspreader-Ereignis

Der Statistiker Christian Hesse äußerte die Befürchtung, dass es über Weihnachten in diesem Jahr zu besonders vielen neuen Infektionen kommen werde. „Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Festtage, wo bundesweit viele Menschen in Innenräumen zum Feiern zusammenkommen, zu einem Superspreader-Ereignis für die RSV-Zahlen werden“, sagte der Wissenschaftler der Universität Stuttgart der Augsburger Allgemeinen.

„Wenn keine Vorkehrungen getroffen werden, ist es absehbar, dass viele Kinderkliniken den verstärkten Ansturm dann nicht mehr bewältigen können“, warnte Hesse. Er rief dazu auf, Notfallpläne für eine erwartbare Zuspitzung der Lage vorzubereiten. So könnten als Verstärkung Medizinstudentinnen und -studenten rekrutiert werden, um für eine Übergangszeit das Pflegepersonal in besonders betroffenen Kliniken zu entlasten.