Es gibt viele Anlässe, den Schwellenwert von Steigerungssätzen für medizinische Leistungen zu überschreiten. Was hier beachtet werden muss und wie man im Fall einer Monierung vorgehen sollte, erläutert der Abrechnungsfachmann Dr. Conrad C. Singe.

Bei sehr hohem Aufwand für eine Leistung sollte bei der Privatabrechnung keine Ärztin und kein Arzt davor zurückschrecken, auch einen Steigerungssatz in der Rechnung aufzurufen, der über dem Schwellenwert liegt - wenn dies gerechtfertigt ist.

"Viele Kolleginnen und Kollegen gehen nur selten über den Schwellenwert hinaus, weil sie die Mühe für die Begründung scheuen. Aber damit vergeben sie Chancen auf eine angemessene Vergütung", so Dr. Conrad C. Singe, Vorstand im Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS) und Vorstandsvorsitzender des PVS Kurpfalz e. V.

Wenn etwa ein Behandlungsgespräch deutlich länger als zehn Minuten dauert, aber nicht ganz 20 Minuten, sei es gerechtfertigt, bei Nr. 3 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für das Gespräch auch über den 2,3-fachen Satz hinauszugehen. Bewertet ist die Nr. 3 mit 20,11 € zum Schwellenwert und mit 30,60 € zum Höchstsatz.

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Bei individueller und guter Begründung ist es auch möglich, erhöhte Steigerungssätze in der Rechnung aufzurufen.

Begründung für erhöhten Zeitaufwand nötig

"Der Faktor Zeit allein", räumt Singe ein, "reicht aber noch nicht für eine Begründung." Es müsse nachvollziehbar werden, warum der Zeitbedarf erhöht war: etwa aufgrund eines "komplexen Therapiegeschehens", einer "schwierigen Differenzialdiagnose bei Mehrfachbefunden" oder einer "schwierigen medikamentösen Einstellung bei Polymedikation". Tatsächlich gibt die GOÄ in § 12 vor, dass dies bei einem Faktor oberhalb des Schwellenwertes "auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen" sei. "Individuell begründet, verständlich und auf Verlangen der privaten Krankenversicherung auch näher zu erläutern", fasst Singe die Anforderungen zusammen.

Der Aufwand für die Begründung hält sich trotz einer individuellen Gestaltung in Grenzen: Jede Praxis müsse sich einen Vorrat an Textbausteinen zurechtlegen und dann jeweils den passenden für die Rechnung anklicken, sagt Singe. In einschlägigen GOÄ-Kommentaren sind in der Regel viele mögliche Begründungen für erhöhte Faktoren notiert. Wichtig sei auch, dass die Dokumentation so ausführlich sei, dass die Begründung bei einer Nachfrage der privaten Krankenversicherung (PKV) fachlich untermauert werden kann.

Die Textbausteine der Versicherer

Bei der PVS seien zuletzt von 2,68 Millionen Rechnungen 12.600 moniert worden, berichtet Singe - also nur jede 200. Rechnung. Dennoch sei es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte vorbereitet seien, so Singe. Und wenn doch einmal ein Patient oder eine Patientin ein Schreiben der Versicherung vorlegt, in dem die Überschreitung der Regelspanne moniert wird? "Aus den eingereichten Unterlagen können wir die Gründe für die Überschreitung nicht erkennen, wir erstatten daher nur bis zur Regelspanne", heißt es häufig in Monierungsschreiben. "Auch Versicherer arbeiten mit Textbausteinen, manchmal hat vor dem ersten Brief der Versicherung noch nicht einmal ein Sachbearbeiter die Rechnung gesehen", weiß Singe. Er empfiehlt daher, wenn nicht ein eindeutiger Fehler in der Rechnung ist: "Nehmen Sie nie eine Rechnung zurück - weder gegenüber dem Patienten oder der Patientin, noch der Versicherung gegenüber!" Die Sorgen von Patientinnen und Patienten wegen der unvollständigen Erstattung seien ernst zu nehmen. Durch eine ausführlichere Begründung könnte die Praxis häufig den Widerspruch unterstützen.

Lohnt sich der Weg vor Gericht?

Der Weg gehe dann oft zunächst über Sachbearbeiter, dann über Versicherungsärzte und schließlich über den Ombudsmann für die PKV im schlimmsten Fall bis zum Sozialgericht. "Wegen 20 Euro lohnt sich das natürlich nicht", sagt Singe, das könne man mit den Patienten besprechen. Am häufigsten moniert werde übrigens die mehrfache Berechnung der GOÄ-Nrn. 1 (Beratung) und 5 (Untersuchung) im Behandlungsfall (= im Monat) neben Leistungen der Abschnitte C bis O. Hier könne eine Praxis auch schwer nachbegründen, weiß Singe. Ebenfalls regelmäßig strittig sei die GOÄ-Nr. 34 (Beratung wegen einer schweren, lebensverändernden Erkrankung, mindestens 20 Minuten, 40,22 € zum Schwellenwert). "Auch dagegen muss und kann man sich wehren, wenn man die Leistungsbedingungen der GOÄ 34 erfüllt hat", betont Singe.