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Krankenhaus-Gutachter fordert Sachlichkeit: „Die Debatte ist zu emotional“

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Vor Beginn der Kreistagssitzung verkündete Krankenhaus-Geschäftsführer Thomas Lippmann seinen Mitarbeitern, dass sein Vertrag um fünf weitere Jahre verlängert wurde. Schongauer kämpfen für Schongau, Penzberger fühlen sich ignoriert
Vor Beginn der Kreistagssitzung verkündete Krankenhaus-Geschäftsführer Thomas Lippmann seinen Mitarbeitern, dass sein Vertrag um fünf weitere Jahre verlängert wurde. © HANS-Helmut Herold

Die Debatte um die Zukunft der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH dreht sich ein Stück weit im Kreis. Das zeigte auch die Sondersitzung des Kreistags.

Landkreis – Auf der einen Seite die Schongauer, die verzweifelt um ihr Krankenhaus kämpfen. Auf der anderen Seite die Experten und diejenigen, die mit Blick auf die Finanzen nicht daran glauben, dass alles so weitergehen kann wie bislang. Und mittendrin die Mitarbeiter, zermürbt von der endlosen Kette schlechter Nachrichten der vergangenen Monate. So ist es um die Krankenhausdebatte im Frühjahr 2023 bestellt.

Dr. Thomas Löffler, Chefarzt der Kliniken für Orthopädie und Unfallchirurgie, machte seinem Unmut im Kreistag Luft. „Hass und Polemik – auf diesem Niveau sind wir mittlerweile angekommen“, sagte er im Kreistag und präsentierte das Foto eines Plakats, entstanden auf einer der Demos zum Erhalt des Krankenhauses in Schongau. Die Landrätin, der Geschäftsführer, aber auch die Chefärzte der Krankenhaus GmbH werden darauf unflätig beschimpft. „Meine Kollegen und ich stehen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr bereit, um Leben zu retten. Wir haben es nicht verdient, so durch den Dreck gezogen zu werden“, so Löffler deutlich. „Wir haben fantastische Mitarbeiter bei der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH. Aber momentan wandern sie ab, weil sie durch die monatelange Lethargie nach dem Bürgerentscheid zutiefst verunsichert sind. Schaffen Sie für beide Häuser Klarheit!“, forderte er von den Kreisräten. Genau wie Krankenhaus-Gutachter Prof. Norbert Roeder, Roland Engehausen von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft machte er sich dafür stark, aus Weilheim ein Level-2-Krankenhaus zu machen.

Ohne Level 2 keine Leuchttürme mehr, sondern nur noch Minimalversorgung

Warum, das erklärte Prof. Reinhold Lang, Ärztlicher Leiter des Schongauer Krankenhauses. Sein Kollege Löffler, der Robotertechnik Knie- und Hüftgelenke auf höchstem Qualitätsniveau operiere, sei „ein Leuchtturm in ganz Oberbayern, der dafür sorgt, dass Patienten von weither zu uns kommen“. Wenn man Weilheim nicht zum Level-2-Haus ausbaue, werde es nach Inkrafttreten der Gesundheitsreform diese Art der „Leuchttürme“ im Landkreis nicht mehr geben, sondern nur noch eine Minimalversorgung mit kleiner Notaufnahme.

Krankenhaus-Gutachter Roeder kritisierte insbesondere den Forderungskatalog, den die Schongauer CSU vorgelegt hatte (wir berichteten) scharf: „Ich habe den Eindruck, man möchte die Realität nicht wahrhaben. Ein ,weiter so’ mit weniger Geld – das wird einfach nicht funktionieren“, warnte er.

Private Träger kaufen nicht, denn „die wollen Geld verdienen“

Susann Enders (Freie Wähler/Weilheim) wunderte sich darüber, dass man sich so einseitig darauf konzentriere, Weilheim zum Level-2-Haus ausbauen zu wollen: „Da ist kein Platz, der Zuschnitt des Hauses ist eigentlich ungeeignet, es gibt keinen Hubschrauberlandeplatz direkt am Krankenhaus – wie soll das funktionieren?“

Natürlich seien die Möglichkeiten beim Ausbau Weilheims ungleich schlechter als beim eigentlich vorgeschlagenen Neubau eines Zentralkrankenhauses, entgegnete Gutachter Roeder. Aber „der Zug ist durch den Bürgerentscheid abgefahren“. Weilheim sei immer „Plan 1B“ gewesen, „jetzt müssen sie retten, was noch zu retten ist, sonst eskaliert die Personallage“, warnte Roeder. Ein Verkauf der Krankenhaus GmbH an einen privaten Träger sei „ausgeschlossen. Die wollen Geld verdienen. Und das ist mit den Häusern in Weilheim und Schongau nicht möglich.“

Unklar, welche Krankenhäuser im Umland die Gesundheitsreform überleben

Kerstin Engel (Grüne/Penzberg) kritisierte, dass bei der Festlegung auf den Ausbau Weilheims ausgeblendet wäre, dass rund um Weilheim viele Krankenhäuser bestehen. „Sie werden sich schon im Landkreis nicht einig, wie es mit den Krankenhäusern weitergehen soll“, entgegnete Roeder. „Da wollen Sie wirklich die Debatte auf die umliegenden Landkreise ausweiten?“ Fakt sei, dass von Weilheim aus weite Teile des Landkreises innerhalb der vorgeschriebenen Zeiten versorgt werden könnten. In Schongau sei das nicht der Fall. Und es sei unklar, welche Krankenhäuser in den Nachbarlandkreisen die kommenden Jahre und die Gesundheitsreform überleben würden: „Bei Starnberg, Landsberg, Murnau und Kaufbeuren mache ich mir da keine Sorgen. Beim Rest ist das kaum vorherzusehen“, so seine harte Analyse. Man müsse sehen, dass man im Landkreis selbst die meisten Bewohner versorgen kann. Und das gehe nun mal nur von Weilheim aus, weil der Westen des Landkreises deutlich dünner besiedelt sei.

Dem pflichtete sogar Falk Sluyterman (SPD/Schongau) bei: „Aus medizinischer Sicht und mit Blick auf das Einzugsgebiet ist das sicher zutreffend“, meinte er. Aber der Kreistag sei auch verantwortlich dafür, gleiche Lebensverhältnisse im gesamten Landkreis zu schaffen. „Und da haben wir mittlerweile zwei Geschwindigkeiten: In Weilheim hält am Wochenende der ICE, in Schongau verkauft einem nicht einmal mehr jemand einen Fahrschein.“ Man rede so leichthin davon, Schongau zu schließen. „Dass der Region dadurch 700 Arbeitsplätze verloren gehen, wird ausgeblendet“, so Sluyterman.

Zellner wirbt für Peißenberg, Korpan eher im Spaß für Penzberg

Bettina Buresch (Grüne/Schongau) kündigte an, die „40 000 betroffenen Einwohner des Schongauer Raums werden aus Verzweiflung nicht nach Weilheim, sondern nach Landsberg fahren, wenn Schongau geschlossen wird.“ Gutachter Roeder entgegnete: „Die Debatte ist zu emotional. Orientieren Sie sich an den Fakten. Ich habe das Gefühl, dass an Argumenten festgehalten wird, weil Realitäten wie der Personalmangel in Schongau ignoriert werden.“

Direkt anschließend forderte Frank Zellner (CSU/Peißenberg), dass direkt nach Ende der Bindungsfrist durch das Krankenhaus-Gutachten die Planungen für das Zentralkrankenhaus in Peißenberg wieder aufgenommen werden sollen. „Alle Gutachten haben ergeben, dass das der beste Standort für das beste Konzept ist“, sagte er.

Die Vorlage ließ sich Stefan Korpan (CSU/Penzberg) nicht entgehen: „Da wird immer von Weilheim und Schongau gesprochen. Der Landkreis geht aber meines Wissens nach bis nach Penzberg. Wir haben da ein Grundstück für ein Zentralkrankenhaus. Da steht sogar schon ein Krankenhaus drauf“, stichelte er.

„Haben ein fantastisches Notarzt- und Sanka-System“

Danach äußerte er ganz ernst Kritik an der Debatte in Schongau: „Die Penzberger hat bislang auch keiner gefragt, wie sie das finden, dass sie bis nach Starnberg oder Garmisch zur Entbindung fahren müssen. Das ist immer noch näher als Schongau.“

Brigitte Gronau (Grüne/Weilheim) wunderte sich, dass immer noch diskutiert werde: „Wir hatten einen Grundsatzentscheid, ein Zentralkrankenhaus zu bauen und aus Schongau ein Ambulanzzentrum zu machen. Dennoch diskutieren wir hier seit Stunden über Standortfragen. Wir haben ein fantastisches Notarzt- und Sanka-System und Hubschrauber, die auch in Zukunft die Patienten aus dem Schongauer Raum in den nötigen Zeiten zur Behandlung bringen.“

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