Im Beisein von Jörg Zietemann (parteilos), Bürgermeister der Kreisstadt, und Landrat Roger Lewandowski (CDU), der gleichsam den Vorsitz im Aufsichtsrat der zu 100 Prozent kreiseigenen Havelland-Kliniken-Unternehmensgruppe ausübt, hat Geschäftsführer Thilo Spychalski zehn Eckpunkte für den Standort Rathenow vor Journalisten vorgestellt. Die Angestellten hatte er zuvor bereits per Betriebsversammlung informiert.
Das Strategiepapier ist im Grunde das Resultat von Spychalskis neu eingebrachter Art von Kommunikation. Die Mitarbeitenden wurden in den Findungsprozess mit eingebunden, konnten Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen etc. äußern. Der Neue hat erst im Sommer 2022 den in Ruhestand verabschiedeten Jörg Grigoleit beerbt. Zietemann lobte, dass es gefühlt schon mehr Gespräche mit dem neuen Geschäftsführer gab als je zuvor. Der Bürgermeister sprach überdies von einem guten Tag für Rathenow.

Eigene Klinik-Leitung für Standort Rathenow angekündigt

Das Strategiepapier soll dazu beitragen, dass sich Mitarbeitende, Patienten und Einwohner im westlichen Havelland wieder stärker mit der Klinik in Rathenow, einst Paracelsus-Krankenhaus, identifizieren können. Moniert wurde etwa, dass seit der 2003 erfolgten Fusion mit dem Krankenhaus in Nauen vieles von dort entschieden wurde, ohne Rathenower Befindlichkeiten entsprechend zu bedenken. Die Geschäftsführung hat weiter in Nauen ihren Sitz, doch wird die Klinik in der Kreisstadt voraussichtlich zum 1. Oktober 2023 eine eigene dreiköpfige Leitung erhalten, wie Thilo Spychalski am Mittwoch erläuterte. In der Reihenfolge der Eckpunkte ist das Nummer 9. Aktuell muss im Unternehmen noch geklärt werden, über welche Kompetenzen das Trio verfügen soll.
Eigentlich mit Ausrufezeichen müsste der erste Eckpunkt versehen sein, wie der Geschäftsführer meinte. Hier steht: „Es soll auch in Zukunft eine stationäre Versorgung in der Klinik Rathenow geben“. Gerade im Hinblick auf die Krankenhausreform, an der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerade feilt, gab es einige negative Mutmaßungen und Gerüchte über die Zukunft des Rathenower Standorts.

KVBB-Bereitschaftspraxis auch in der havelländischen Kreisstadt?

Thilo Spychalski geht indessen davon aus, dass nun Bereitschaftspraxen überall dort zum Standard erklärt werden, wo es auch Notfallversorgung gibt. Da aber bei einer Bereitschaftspraxis in der Klinik Rathenow die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) für den Betrieb zuständig bliebe, handelt es sich eher nur um „politischen Rückwind“, für den aber Spychalski sehr dankbar ist.
Während es etwa im Städtischen Klinikum Brandenburg an der Havel und seit Herbst 2020 auch in der Klinik Nauen solche Praxen gibt, die geöffnet sind, wenn niedergelassene Ärzte wegen Feierabends, Wochenenden oder Feiertagen geschlossen haben, klafft in Rathenow diesbezüglich eine medizinische Versorgungslücke. Spätestens seit in Nauen die Einrichtung besteht, wird mit der KVBB über Rathenow diskutiert bzw. verhandelt. Bislang erfolglos. Leidtragende sind Patienten und die Notaufnahme in der Klinik, die auch bei Bauchschmerzen zur Anlaufstelle wird.

Thilo Spychalski bezeichnet Hebammen als „Goldstaub“

Idealerweise wird die Klinik in der Forststraße wieder zur ersten regionalen Adresse bei Geburten. Das Strategiepapier liefert ein Bekenntnis zum Rathenower Kreißsaal, der seit Anfang 2021 geschlossen ist. Ziel ist die Reaktivierung, und wie auch Landrat Roger Lewandowski betonte, sei man personell auf einem guten Weg. Konkret heißt das, dass den Havelland-Kliniken die Bewerbungen von drei Hebammen vorliegen. Sie würden sich freilich erst diesbezüglich festlegen, wenn hier die berufliche Perspektive gegeben ist, so der Geschäftsführer, der Hebammen als „Goldstaub“ bezeichnete.
Zum Rund-um-die-Uhr-Betrieb des Kreißsaals würden fünf Hebammen benötigt, dazu Anästhesisten. Ein neuer Pädiater konnte bereits gewonnen werden. Was die Gewinnung von Geburtshelferinnen betrifft, kann sich das Unternehmen auch auf das Engagement von Jasmin Goebel verlassen. Sie ist seit 1. April die neue Leitende Hebamme in den Havelland-Kliniken.
Spychalski wies allerdings darauf hin, dass ein Kreißsaal wirtschaftlich schwierig zu betreiben sei. Wichtig sind entsprechende Geburtenzahlen. Bei Defiziten müsste es eine Verständigung mit dem Gesellschafter, also mit dem Landkreis Havelland geben.

Noch kein Havelbus, der vom Bahnhof zur Klinik fährt

Weitere Eckpunkte im Strategiepapier sind etwa die Weiterentwicklung der altersmedizinischen Angebote (auch um einen palliativen Bereich), wobei aber die Klinik generell weiter auf alle Generationen (ab null Jahre) ausgerichtet bleiben soll. Originell ist die Idee eines „Gesundheitscampus Rathenow“, wobei eigentlich nur in räumlicher Nähe befindliche Einrichtungen wie Klinik, Pflegedienste und Apotheke in eine Versorgungskette eingebunden werden müssen.
Dank Spychalski und dem ebenso seit 2022 im Amt befindlichen neuen Bürgermeister Zietemann ist nun auch das erkannt: Vom Bahnhof fährt kein Havelbus, der am Klinik-Standort hält. Das soll sich ändern.