Weil Millionen fehlen: Klinik-Sterben in Sachsen droht

Dr. Hans-Ulrich Gröger (66, ehemaliger Chirurg), Landtagsabgeordneter Kay Ritter (52, CDU) und Krankenschwester Bettina Mühlner sind gegen den Sanierungsplan

Dr. Hans-Ulrich Gröger (66, ehemaliger Chirurg), Landtagsabgeordneter Kay Ritter (52, CDU) und Krankenschwester Bettina Mühlner sind gegen den Sanierungsplan

Foto: Alexander Schumann
Von: KARL KEIM

Wurzen/Grimma – Die Muldentalkliniken sind am Limit. Fast zehn Millionen Euro fehlen den Krankenhäusern in Grimma und Wurzen. Rettung könnten Gelder des Landkreises bringen – doch nur wenn der Kreistag Mittwoch einem drastischen Sanierungsplan zustimmt.

Und der hat es in sich: Das Krankenhaus in Wurzen soll ein ambulantes OP-Zentrum werden. Stationäre Leistungen wie u.a. Chirurgie, Innere- und Allgemeinmedizin wandern komplett nach Grimma. In Wurzen soll die Notaufnahme nur noch von Montag bis Freitag von 8 bis 19 Uhr betrieben werden, die Anzahl der Betten von 178 auf 26 schrumpfen, 55 Stellen müssten gestrichen werden.

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Foto: Alexander Schumann

Wurzens Oberbürgermeister Marcel Buchta (40, parteilos) zynisch in einer Stellungnahme: „Exzellent sterben kann man dann Montag bis Freitag nach 19 Uhr sowie am Wochenende, denn da gibt es weder eine Notaufnahme, geschweige denn eine Notfallsprechstunde.“ Unterstützung bekommt er von Kay Ritter (52), dem örtlichen CDU-Landtagsabgeordneten. „Wir wollen das nicht zulassen, ich bin entsetzt. Das Konzept ist Wahnsinn, das Wurzener Land wird kaputt gemacht.“

Der Landkreis sieht jedoch wenig andere Möglichkeiten: „Den Muldentalkliniken fehlen die Patienten, der Rückgang während der Corona-Pandemie konnte nicht wieder aufgeholt werden. Zudem decken die Fallpauschalen nicht die aktuellen Kostensteigerungen z.B. durch die Energiepreise und auch Tarifsteigerungen ab“, erklärt Landkreis-Sprecherin Brigitte Laux. „Die Muldentalkliniken brauchen 10 Mio. Euro Finanzhilfe vom Landkreis Leipzig, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.“ Ohne drohe die Insolvenz.

Stadträtin Sarah Fischer (34, CDU): „Das Maß­nahmenpaket gewährleistet keine medizinische Grundversorgung mehr rund um Wurzen“

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Foto: Alexander Schumann

Doch viele Wurzner sehen mit dem Sparplan die Versorgung einer ganzen Region abgeschnitten. Mit Demonstrationen, Mahnwachen und Unterschriftenaktionen laufen Belegschaft und Einwohner Sturm. Bettina Mühlner (60) hat 1979 ihre Ausbildung zur Krankenschwester begonnen, arbeitet seitdem in Wurzen. Sie sagt: „Ich komme mir verarscht vor. Ich bin wütend, fassungslos und enttäuscht. Die Wurzener Zahlen waren immer besser als in Grimma. Wir haben oft Personal abgestellt, um in Grimma auszuhelfen.“

OB Buchta ruft die Kreisräte dazu auf, gegen den Sanierungsplan zu stimmen. Am Mittwoch soll es um 16 Uhr eine Demo gegen die Klinik-Pläne geben.

Kliniksterben in Sachsen

Die Muldentalkliniken sind nicht die einzigen Kliniken mit Finanzsorgen. Das Krankenhaus im vogtländischen Reichenbach mit 180 Betten wurde im März nach 160 Betriebsjahren wegen Insolvenz bis auf das medizinische Versorgungszentrum geschlossen, 320 Mitarbeiter gekündigt. Fast zeitgleich übernahm das Zwickauer Heinrich-Braun-Krankenhaus die Zwickauer Paracelsus-Klinik (400 Mitarbeiter), die bereits seit 2018 finanziell ums Überleben kämpfte.

Die sächsische Krankenhausgesellschaft rechnet für 2023 mit einem Gesamt-Defizit von mindestens 88 Mio. Euro bei den Kliniken im Freistaat.

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