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Interview mit dem Generalbevollmächtigten Dr. Christoph Niering

Insolvenz: Vincenz-Krankenhaus in Paderborn macht erste Sanierungsschritte

Paderborn

Vor zwei Wochen hat mit der St.-Vincenz-Krankenhaus GmbH die erste Klinik in OWL einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Was ist seitdem passiert? Wie geht es weiter? Dr. Christoph Niering, Generalbevollmächtigter der Kliniken, hat sich den Fragen der Redaktion gestellt.

Dr. Christoph Niering ist Generalbevollmächtigter der St.-Vincenz-Kliniken in Paderborn.
Dr. Christoph Niering ist Generalbevollmächtigter der St.-Vincenz-Kliniken in Paderborn. Foto: Jörn Hannemann

Was haben Sie bislang seit dem Insolvenzantrag in die Wege geleitet?
Dr. Christoph Niering: Sehr viel. Zunächst war es wichtig, alle Beteiligten über die aktuelle Situation und unsere weiteren Pläne zu informieren – dazu gehören nicht nur die Mitarbeitenden, sondern Lieferanten, Krankenkassen und politische Entscheidungsträger. Gleichzeitig haben wir in Abstimmung mit dem vorläufigen Sachwalter die weiteren Sanierungsschritte ausgearbeitet und auch erste Maßnahmen wie etwa die Schaffung eines zentralen OP-Managements und die Verbesserung des Einkaufs-Managements umgesetzt. So sind wir auf einem guten, aber sicherlich uns noch in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigenden Sanierungsweg.

Mitunter wird in Ihrem Fall auch von einem Schutzschirmverfahren gesprochen. Wo ist der Unterschied zur Insolvenz in Eigenverwaltung?
Dr. Niering: Wir haben von Beginn an ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt und dies auch so dokumentiert. In letzter Zeit und gerade nach der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof wird diese Verfahrensart pauschal mit dem Begriff des Schutzschirmverfahrens bezeichnet. Daher vielleicht diese scheinbare Ungereimtheit. Der „Vorteil“ im Schutzschirmverfahren liegt lediglich darin, dass sich das antragstellende Unternehmen die Person des Sachwalters aussuchen darf und Gläubiger und das Gericht an diese Auswahl weitestgehend gebunden sind. Im Übrigen gibt es in der tatsächlichen Abwicklung keine wesentlichen Unterschiede. Das normale Eigenverwaltungsverfahren ist sogar zumindest im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe etwas flexibler.

Wie sind die Reaktionen der Gläubiger? Es gibt ja sicherlich auch kleinere Lieferanten aus der Region, die nun auf ihr Geld warten oder verzichten müssen. Wie groß ist die Verärgerung?
Dr. Niering: Selbstverständlich ist die individuelle Betroffenheit aufseiten der Lieferanten und Dienstleister zunächst groß. Aber gerade im Gesundheitswesen und vor allem im Krankenhausbereich ist gleichermaßen die Bereitschaft sehr groß, die mögliche Verärgerung hinten anzustellen und keinerlei Versorgungslücken zulasten der Patienten entstehen zu lassen.

„Keinerlei Versorgungsengpässe“

Werden Sie weiter in allen Bereichen beliefert?
Dr. Niering: Wir werden ausnahmslos in allen Bereichen von unseren Lieferanten und Dienstleistern weiter beliefert. Damit gibt es keinerlei Versorgungsengpässe.

Warum springt das Erzbistum nicht als Geldgeber ein?
Dr. Niering: Träger der Krankenhaus GmbH sind die Barmherzigen Schwestern vom hl. Vincenz von Paul zu Paderborn. Die Gemeinschaft ist eine Genossenschaft nach päpstlichem Recht und unterliegt somit nicht der Aufsicht und Zuständigkeit des Erzbistums Paderborn. Aufgrund dieser rechtlichen und für Ordensgemeinschaften in Deutschland üblichen Struktur steht das Erzbistum Paderborn nicht in der Finanzierungsverantwortung.

„Die Stimmung ist den Umständen entsprechend gut“

Der ehemalige Geschäftsführer Dr. Josef Düllings hat kurz vor dem Insolvenzantrag das Haus verlassen. Was lastet die neue Geschäftsführung dem alten Geschäftsführer an?
Dr. Niering: Die Beendigung der Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Düllings steht, wie wir dies schon mit der Pressemitteilung vom 19. Juni zum Ausdruck gebracht haben, im Zusammenhang der mittel- bis langfristigen Neuausrichtung der St.-Vincenz-Kliniken einerseits und der Konzentration von Herrn Dr. Düllings auf seine Tätigkeit als Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Krankenhaus Direktoren. Darüber hinaus wollen wir uns zu dieser Personalfrage nicht äußern.

Wie ist die Stimmung im Haus? Hat sich die Lage beruhigt?
Dr. Niering: Den Umständen entsprechend sehr gut. Ein Insolvenzantrag, auch der in Eigenverwaltung, ist ein wesentlicher Einschnitt. Trotzdem überwiegt nach unserer Einschätzung ganz deutlich die Aufbruchstimmung und der allgemein getragene Wille auf Veränderung. Mitarbeitervertretung, Chefärzte und alle Mitarbeitenden erkennen sehr deutlich die Chance, die ein solches Verfahren mit sich bringt. Eine Chance, Veränderungen kurzfristig planen und umsetzen zu können, um die St.-Vincenz-Kliniken nachhaltig zu sanieren.

Haben inzwischen alle Mitarbeiter das Insolvenzausfallgeld beantragt und erhalten?
Dr. Niering: Die über 3000 Mitarbeitenden haben – bis auf eine sehr geringe Anzahl an Nachzüglern – bereits drei Tage nach Antragstellung alle notwendigen Formalitäten erledigt und auch die erste Insolvenzgeldzahlung erhalten.

Keine konkrete Vorgabe zum Stellenabbau

Haben Mitarbeiter gekündigt?
Dr. Niering: Es gibt nach unserer Erkenntnis und der ausdrücklichen Rücksprache mit der Personalabteilung und den übrigen Verantwortungsträgern bis heute keine insolvenzbedingten Kündigungen. Lediglich vereinzelt gibt es die üblichen familiär bedingten Austritte, an denen wir insgesamt zu Ende Juli lediglich zehn Kündigungen entgegengenommen haben.

Wie viele Stellen sollen im Zuge der Restrukturierung abgebaut werden?
Dr. Niering: Es gibt noch keine konkrete Vorgabe, da wir zurzeit noch die konkreten Sanierungsschritte und die Teilmaßnahmen planen und mit den Beteiligten, hierzu gehören insbesondere die Chefärzte und die Mitarbeitervertretung, besprechen. Bereits von Beginn an stand fest, dass wir vor allem auf die natürliche Fluktuation und auf eine interne Neubesetzung der frei werdenden Positionen setzen wollen. Wichtig ist in jedem Fall, Personalmaßnahmen, sofern sie denn darüber hinaus erforderlich sind, so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.

Wie sehen Ihre Gespräche hinsichtlich einer Fusion mit den Paderborner Krankenhäusern aus? Könnte eine Fusion die Lösung sein, oder geht es eher um eine Zusammenarbeit und sinnhafte Aufteilung der Disziplinen?
Dr. Niering: Hier stehen wir erst am Anfang. Ob, und wenn ja in welcher Form, eine Zusammenarbeit mit anderen Krankenhäusern aus der Region oder auch überregional in Betracht kommt, wird in den nächsten Wochen intern zu diskutieren und mit etwaigen Partnern zu besprechen sein.

Welcher Partner in der Region wäre ihr Wunschpartner? Wie sehen Sie in dem Zusammenhang die Katholische Hospitalvereinigung im Kreis Höxter?
Dr. Niering: Aus Sicht der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vincenz von Paul zu Paderborn, aber auch aus Sicht der Mitarbeitenden und verschiedenster sonstiger Beteiligten wäre ein katholischer Partner mit regionalem Bezug sicher wünschenswert. Die KHWE wären dabei einer der denkbaren Partner.

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