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Sparkurs bleibt: Finanzielle Lage der Göttinger Uni-Klinik ist weiter angespannt

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Hier ist auf der UMG-Kinderintensivstation eine Pflegerin mit einem neugeborenen Kind zu sehen.
High-Tech-Medizin und hoch qualifizierte Pflegekräfte: In der Uni-Medizin Göttingen (UMG) wird aufwändige Medizin betrieben. Hier ist auf der Kinderintensivstation eine Pflegerin mit einem neugeborenen Kind zu sehen. © UMG/nh

Weniger Patienten, fehlende Einnahmen: Viele Kliniken sind in Finanznot. Auch die Universitätsmedizin Göttingen spart - und muss das weiterhin.

Göttingen – Ein Sparpaket sorgte Anfang des Jahre in der Göttinger Uni-Klinik für Unruhe und Unmut. Inhalt: ein Sparpaket mit Investitions-Stopp und Stellenwegfall.

Die Versorgung aber – wie andere Medien folgerten –, war „zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt oder gar gefährdet“, wie der Vorstand mit Wolfgang Brück, Jens Finke und Lorenz Trümper betont.

Sparkurs bleibt vorerst: Die Universitätsmedizin Göttingen muss auch künftig den Gürtel enger schnallen

Problem Liquidität: Daran hat sich auch nach einem halben Jahr Sparkurs nichts geändert. Aber die Liquiditätssituation „an der UMG ist weiter sehr angespannt“, wie Finanzvorstand Jens Finke sagt. Der Mangel an flüssigem Geld zwang die UMG-Verantwortlichen zu den Einsparungen.

Denn, die UMG als Teil der Stiftungsuniversität, steht nicht wie alle anderen 35 Uni-Kliniken in Deutschland unter Gewährträgerhaftung der Länder. Verluste aus dem Betrieb werden nicht automatisch ausgeglichen. „Die Defizite, die aus dem Betrieb der Klinik entstehen, bleiben Defizite“, sagt Finke.

Der UMG-Vorstand im Gespräch, von links: Lorenz Trümper, Wolfgang Brück, und Jens Finke.
Der UMG-Vorstand im Gespräch, von links: Lorenz Trümper (Vorstand Krankenversorgung), Wolfgang Brück (Vorstandssprecher, Forschung und Lehre) und Jens Finke (Vorstand Finanzen/Personal). Rechts HNA-Redakteur Thomas Kopietz. © Stefan Weller/UMG/NH

Die UMG saß also praktisch seit November auf dem Trockenen und muss die roten Zahlen mit einem Betriebsmittelkredit von maximal 95 Millionen Euro ausgleichen. Den sichert das Land und gewähren Banken.

Uni-Medizin Göttingen: 40 Millionen Euro Personalkosten pro Monat

Bei 40 Millionen Euro Personalkosten monatlich für mehr als 8.000 Mitarbeiter reicht der Kredit aber nicht weit. „Wir haben auch noch andere Kosten und inflationsbedingte Kostensteigerungen. So bleibt für Personal letztlich nur eine Monatsreserve.“ Aktuell half das Land mit einem Vorschuss auf die Finanzhilfe für Forschung und Lehre aus.

Einnahmen fehlen: Wie kam es zur Liquiditätskrise? Das Kernproblem liegt nicht allein auf der Ausgabenseite, sondern ist auch bedingt durch (zu) geringe Einnahmen. „2022 fehlten Ausgleichszahlungen von Bund und Land aufgrund der Pandemie“, nennt Vorstandssprecher Wolfgang Brück einen Grund.

„Das Defizit basiert aber auf in der Pandemie und auch jetzt geringeren stationären Patientenzahlen im Vergleich zu 2019“, sagte Brück im März. Ein erhoffter Schub blieb aber bis heute aus: Die Fallzahlen aus der Vor-Corona-Zeit konnten, wie in anderen Uni-Kliniken, nicht wieder erreicht werden. Auch 2023 werden so „etwa 5.000 Patienten weniger stationär behandelt werden“. 2022 fehlten sogar 6.000 Patienten.

Die Universitätsmedizin in Göttingen hat Tausende Patienten weniger stationär

Zudem wartet die UMG wie andere Kliniken auf Zahlungen aus dem gesetzlich zugesicherten Pflegebudget. Die Uni-Klinik musste so Pflegekosten vorfinanzieren, weil die Kostenträger in Niedersachsen nur Abschläge zahlten. Zurzeit werde zäh verhandelt, sagt Jens Finke, der betont, dass viele Kliniken in Niedersachsen betroffen sind, deshalb Liquiditätsengpässe haben.

Für 2020 gebe es nun ein Angebot der Krankenkassen: „Es liegt aber unter den tatsächlichen Ist-Kosten, die uns entstanden sind“, sagt Finke und schiebt kritisch nach: „Jedes Krankenhaus muss seine wirtschaftlichen Hausaufgaben machen. Aber das gesamte System ist im Moment sehr klinikunfreundlich.“

Von der Politik wünscht sich Finke, „dass das Land die GKV an die Einlösung ihres Versprechens zu erinnern, das Pflege voll bezahlt wird“.

Der Trend – das ist politischer Wille und gut für Patienten – geht zu einer stärkeren ambulanten Versorgung.

Lorenz Trümper, UMG-Vorstand

Ambulante Medizin: Eine Besserung ist für den Vorstand Krankenversorgung, Lorenz Trümper, indes nicht absehbar: „Wir haben in Deutschland, auch an der UMG, sehr viel mehr stationär behandelt als in Nachbarstaaten. Diese Fälle werden nicht mehr zurückkommen.

Der Trend – das ist politischer Wille und gut für Patienten – geht zu einer stärkeren ambulanten Versorgung.“ Darauf müsse man sich einstellen. „Wir werden auch mehr ambulant machen müssen“, sagt Krebsmediziner Trümper, der als Beispiele Mandeloperationen bei Kindern, Leistenbruch-OP´s und Metallentfernungen nach Knochenbrüchen nennt.

Immerhin, so Jens Finke, habe sich die wirtschaftliche Situation der Uni-Klinik seit Jahresbeginn nicht verschlechtert. Die „Konsolidierungsmaßnahmen seit 2020 im administrativen Bereich und die 2023 ergriffenen Sparmaßnahmen konnten dies verhindern.“

UMG-Vorstand: Eine Besserung der Situation an der Uni-Klinik ist nicht absehbar

Situation weiter kritisch: Die Frage in Bezug auf weiterführende Sparmaßnahmen lassen die Vorständler offen und weisen auf weiter schlechte Rahmenbedingungen hin: die hohe Inflation und steigende Personalkosten durch Tarifsteigerungen.

Gleichzeitig gebe es nur 4,3 Prozent mehr Geld für erbrachte Leistungen. „Wir haben ein durch Gesetze gedeckeltes Preissystem“, so der Vorstand. „Eine Verbesserung der finanziellen Situation der UMG ist so nicht möglich.“ Zudem würden die eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen an Grenzen stoßen.

„Bestimmte Qualität- und Strukturanforderungen sind zu Recht festgeschrieben“, sagt Trümper und fügt an: „Wir können bestimmte Renovierungen verschieben, aber bei notwendiger Technik ist das nicht möglich.“

Uni-Medizin Göttingen baut für Einsparungen Stellen via „Fluktuation“

Personal aufgebaut: Einsparpotenzial sieht Finanzchef Finke beim Personal. Man habe in der Corona-Zeit und davor Personal aufgebaut, auch aufgrund gestiegener Anforderungen. Er spricht von 120 Stellen. Gleichzeitig fehle die Gegenleistung, weil weniger Patienten kommen.

Abgebaut wird laut Finke über „Fluktuation“: Frei gewordene Stellen werden nicht wieder besetzt. Zudem habe er festgestellt, dass in manchen Bereichen „die notwendige Produktivität nicht erreicht wird“. Eine zunehmende Überbelastung sei „schwer messbar, ist häufig ein subjektives Empfinden“.

Andere UMG-Bereiche stünden unter Dauerdruck. „Wir schauen da genau hin“, betont Finke. Die Entwicklung ist für ihn, trotz Pandemie, „nicht vom Himmel gefallen, sie war abzusehen“.

Lorenz Trümper verweist zudem auf „höhere Anforderungen in fast allen Bereichen des Krankenhauses während der Pandemie“. Diese hatte auch eine nachfolgende hohe Krankheitsquote, besonders in 2022, zur Folge. Daraus resultierte wiederum eine höhere Belastung für alle anderen Mitarbeiter.

Der Kahlschlag-Tenor ist aus der Luft gegriffen und entspricht in keiner Weise der Realität an der UMG.

Wolfgang Brück, UMG-Vorstand

Diese Situation habe sich 2023 gebessert, so Trümper. Für ihn kann es – und damit surft er auf einer Welle mit den Krankenhausgesetz-Machern – künftig nur heißen: „Wir müssen mehr Leistungen ambulant erbringen, die früher stationär liefen, aber nun nicht mehr zu uns kommen.“

Trümper bemerkt in seiner UMG dabei einen „großen Umstellungsbedarf“. Andere, kleinere Kliniken seien voraus, hätten schon die Bedingungen dafür geschaffen. Sein Hinweis ist deutlich: „Da müssten wir jetzt eigentlich richtig investieren.“ Benötigt würden neue Teams, kleinere OP-Säle wie in Praxen und Kooperationen mit medizinischen Versorgungszentren.

„Vielleicht müssen wir auch Facharztpraxis erwerben.“ Den Sparkurs sieht er pragmatisch: „Wir sparen jetzt, um später wieder strategisch handeln zu können“. Der gesamte Vorstand jedenfalls widerspricht lauten Kritikern des Sparkurses: „Der Kahlschlag-Tenor ist aus der Luft gegriffen und entspricht in keiner Weise der Realität an der UMG“, stellt Wolfgang Brück unmissverständlich klar. (Thomas Kopietz)

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