Aussenansicht der geriatrischen Reha-Fachklinik Lenggries.
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Die Ermittlungen im Zusammenhang mit Pflegemissständen in der geriatrischen Reha-Fachklinik Lenggries laufen auf Hochtouren.

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Lenggries und Bruckmühl: Rehakliniken im Fokus der Behörden

Pflegemängel, die falsche Angabe eines Qualitätssiegels, eine "gravierende Beschwerde" – dem BR liegen neue Informationen über die geschlossene Rehaklinik Lenggries vor. Eine andere Klinik des Betreibers darf vorerst keine Patienten mehr aufnehmen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Mängel in der Pflege, mehrfach falsche Insulingaben und Unstimmigkeiten im Dienstplan – so begründete das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen die Schließung der Fachklinik Lenggries. Nun ist eine zweite geriatrische Rehaklinik des Betreibers in den Fokus der Behörden gerückt. Die Fachklinik Bruckmühl, Teil derselben Klinikgruppe, darf vorerst keine neuen Patienten aufnehmen.

Nach Schließung der Rehaklinik Lenggries nun Aufnahmestopp in Bruckmühler Klinik

Das staatliche Gesundheitsamt Rosenheim hat der Klinik einen vorläufigen Aufnahmestopp "bis mindestens 25. August" erteilt. Das teilte das Landratsamt Rosenheim am vergangenen Montagnachmittag auf BR-Anfrage mit.

Laut Behörde hatten Ärzte und Pflegekräfte am 4. August eine unangekündigte Begehung der Rehaklinik Bruckmühl durchgeführt. Dabei seien "Mängel im Bereich Infektionshygiene, Patientenversorgung und Dokumentation" gefunden worden.

Neue Patienten erst bei Erfüllung der Auflagen

Der Bruckmühler Klinik seien seitens der Behörde Auflagen erteilt worden, seit Anfang vergangener Woche dürfen vorerst keine neuen Patienten aufgenommen werden.

"Nach Abschluss der Maßnahmen findet eine erneute Begutachtung durch das Gesundheitsamt statt", schreibt das Landratsamt auf BR-Anfrage. Nach "Freigabe durch das Gesundheitsamt" könnten wieder Patienten aufgenommen werden. Als Grund für die Überprüfung der Klinik gibt das Landratsamt eine Patientenbeschwerde an. Einzelheiten könne man nicht nennen.

Geschäftsführer äußert sich auf BR-Anfrage

Der Geschäftsführer der Klinik, Nikolaus Netzer, äußerte sich Mitte vergangener Woche auf BR-Anfrage zu dem Aufnahmestopp. In einer E-Mail schreibt er, Ende April sei es zu einem Wasserschaden gekommen, der in den kommenden Wochen behoben werde: "Im Zuge der am kommenden Montag beginnenden Sanierung des großen Wasserschadens" sei man "in Übereinstimmung mit dem Gesundheitsamt zu einem Aufnahmestopp ab Beginn dieser Woche gekommen".

Das Gesundheitsamt hat laut Netzer den damit verbundenen "Verlust an Räumlichkeiten" und die "nicht mit den Hygienevorgaben für medizinische Verbrauchsmaterialien in Übereinstimmung befindliche Lagerung" kritisiert. Netzer schreibt: "Dem kommen wir in den nächsten 14 Tagen nach."

Zu Verfehlungen bei der Dokumentation schreibt Netzer, dies sei eine "Nebenwirkung der im Gesundheitswesen geforderten Digitalisierung", die das Personal "noch teilweise überfordert". Man wolle die kommenden zweieinhalb Wochen nutzen, um das Personal "besonders zu schulen".

Weitere Begehung durch das Gesundheitsamt

Am 8. August gab es laut Landratsamt Rosenheim eine weitere unangekündigte Begehung, ausgehend von einer Patientenbeschwerde über Versorgungsmängel.

Bei der Begehung bestätigten sich laut Behörde "dem Grunde nach die Mängel, die bereits am 4. August festgestellt worden waren: Es zeigten sich weiterhin grundlegende und teils erhebliche Mängel in der Basishygiene, Mängel in der Patientendokumentation und in der Patientenversorgung."

Das Landratsamt schrieb dem BR aber auch, die Klinik habe "bereits ernsthafte Schritte unternommen, die bestehenden Mängel zu beseitigen und die Anordnungen des Gesundheitsamts umzusetzen".

Hintergründe zur Schließung der Rehaklinik Lenggries

Im Fall der geriatrischen Rehaklinik Lenggries sind indes neue Details bekannt geworden. Nach BR-Informationen gab es bereits 2020 erste Hinweise auf mögliche Missstände in der Pflege. Das geht aus Anfragen des BR an das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen und die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen in Bayern (ARGE) hervor.

Fachklinik Lenggries: Bereits 2020 "vereinzelte Beschwerden" bei den Krankenkassen

In dem Schreiben der ARGE an den BR heißt es, bereits 2020 "gingen erste vereinzelte Beschwerden von Patienten bei allen Kassen ein". Anschließend habe die ARGE eine Prüfung beauftragt. Der Medizinische Dienst Bayern habe daraufhin eine Stichprobe an Dokumenten angefordert, wobei es laut ARGE um die "ordnungsgemäße Durchführung von Therapien im Rahmen der geriatrischen Rehabilitation" gegangen sei.

Dabei seien "keine relevanten Mängel" festgestellt worden. Eine Begehung vor Ort hat der Medizinische Dienst Bayern laut eigener Aussage nicht durchgeführt. Weitere Prüfungen der Klinik haben nach Angaben der ARGE nicht stattgefunden.

Das begründen die Krankenkassen mit den seitens der Rehaklinik erfüllten gesetzlichen Vorgaben. Die Lenggrieser Klinik habe "alle notwendigen Zertifizierungen durch unabhängige Prüfinstitutionen ohne Auffälligkeiten bestanden", heißt es in einer Antwort der ARGE an den BR.

Falsche Angabe über Qualitätssiegel des Bundesverbands Geriatrie

Die Rehaklinik in Lenggries hat nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) eine seit August 2021 für drei Jahre gültige Zertifizierung der Dekra. Die Informationen über die Zertifizierung sind auf dem Internetauftritt der Klinik seit Kurzem nicht mehr abrufbar.

Auf der Seite, die bis Anfang August noch online war und die der BR gesichert hat, gibt der Betreiber außerdem ein Zertifikat an, das er nach Angaben des Ausstellers nicht besitzt. Die Klinik schrieb, sie habe das "Qualitätssiegel Geriatrie" des Bundesverbands Geriatrie.

Im Anschluss an eine BR-Anfrage teilt Dirk van den Heuvel, Geschäftsführer des Bundesverbands Geriatrie, in einer Pressemitteilung mit, dass dies "definitiv unwahr" sei: "Die Reha-Fachklinik Lenggries hat nicht das Zertifizierungsverfahren absolviert, das zur Erlangung des Qualitätssiegels notwendig ist, und kann sich deshalb auch nicht auf die fachliche Qualifikation berufen, die damit verbunden ist."

Der Geschäftsführer der Klinik Netzer schreibt dazu: "Es gibt eine Zertifizierung für die Klinik Bad Aibling, die nach Bruckmühl umzog. Das Zertifikat können wir auch nachweisen." Zudem sei man Mitglied im Bundesverband Geriatrie. "Bei der Erstellung der Webseite von Lenggries wurde von der Firma, die uns als Webadministrator betreut, Teile der Webpage von Aibling auf die Webpage von Lenggries kopiert. Dies war ein Versehen." Das sei in der täglichen Routine keinem Verantwortlichen aufgefallen, man habe sich bereits beim Bundesverband entschuldigt.

Ende vergangener Woche musste die Klinik infolge der Schließung ein Werbesiegel des "Stern" als "ausgezeichnete Rehaklinik" von ihrer Seite nehmen.

Personalsituation im Fokus: Landratsamt beschäftigt die Klinik seit mehreren Jahren

Auch seitens des Landratsamtes Bad Tölz-Wolfratshausen hat man nach eigener Aussage schon länger mit der Lenggrieser Klinik zu tun. 2019 erhielt die Klinik ihre Zulassung vom Landratsamt. Im Anschluss sei geschaut worden, ob die damit verbundenen Auflagen vom Betreiber erfüllt worden seien.

Das Landratsamt schreibt auf BR-Anfrage, seit 2020 sei in "regelmäßigen Abständen immer wieder nachgehakt und nachgefragt" worden, "insbesondere mit Blick auf die Besetzung im Personal". Dabei "fielen Dinge auf, für Unklarheiten wurden aber immer Erklärungen gefunden, allerdings waren diese bis ins Detail nicht ganz plausibel", schreibt das Landratsamt.

Klinik-Geschäftsführer Nikolaus Netzer widerspricht. Die Klinik habe "immer wieder Personallisten an das Gesundheitsamt geschickt und zu bestimmten Personalvorgaben auch die gültigen Rechtsvorschriften oder Rahmenempfehlungen (sic!) des runden Tisches in Bayern von 2013 beigelegt." Darauf habe man keine Antworten von der Behörde erhalten.

Unangekündigte Begehung nach "gravierender Beschwerde"

Im Sommer 2022 hat das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen nach eigener Aussage die Ermittlungen forciert, es habe ein Gespräch zwischen Klinik und Gesundheitsamt gegeben sowie schriftliche Fragen. Das Hin und Her endete im April dieses Jahres, wie aus den Angaben des Landratsamtes hervorgeht. Laut Landratsamt habe man zu dem Zeitpunkt eine "besonders gravierende Beschwerde" erhalten. Zum genauen Inhalt dieser Beschwerde äußert sich das Landratsamt nicht. Der Fall war aber Anlass für die Mitarbeiter des Gesundheitsamts der Klinik einige Tage später unangekündigt einen Besuch abzustatten. Die daraus entstandenen Unterlagen seien gesichtet und ausgewertet worden.

Klinik-Geschäftsführer Netzer schreibt, es habe zu dem Fall ein "Gespräch zwischen dem Vertreter unseres Mehrheitsinhabers und dem LRA (Landratsamt, d. Red.)" gegeben. Ferner könne man sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht äußern.

Ermittlungen dauern an

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München II, die das Landratsamt Ende Juli eingesehen habe, hätten die Eindrücke bestätigt. Daraufhin habe das Amt der Klinik die Betriebserlaubnis entzogen und einen sofortigen Aufnahmestopp verhängt, zum Ende des Monats muss die Klinik schließen.

Netzer widerspricht: "Das sehen wir anders, können dazu aber keine Stellungnahme abgeben, bis das Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist."

Die Ermittlungen der Kripo Weilheim und der Staatsanwaltschaft München II laufen bereits seit Mai, unabhängig vom Landratsamt. Auslöser waren Strafanzeigen. Laut Staatsanwaltschaft richten sich die Ermittlungen gegen drei leitende Angestellte des Klinikbetreibers wegen des Verdachts der vorsätzlichen Körperverletzung aufgrund pflegerischer Missstände. Sie dauern indes an, ob und wann mit einer Anklage zu rechnen sei, ist laut Staatsanwaltschaft unklar.

Im Video: Eine ehemalige Patientin berichtet über Mängel in der Fachklinik Bruckmühl

Vor kurzem wurde bekannt, dass die Reha-Klinik in Lenggries wegen mutmaßlicher Pflegemängel schließen muss - nun steht eine weitere Einrichtung des gleichen Betreibers im Fokus der Behörden: Die Fachklinik Bruckmühl.
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Kürzlich wurde bekannt, dass die Reha-Klinik in Lenggries wegen mutmaßlicher Pflegemängel schließen muss. Nun steht eine weitere Klinik im Fokus.

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