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Klinik-Debatte: Zandel spricht von Drohkulisse gegen Mitarbeiter

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Ostalb Kliniken
Ostalb Kliniken © jku

Dieter Zandel, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats wehrt sich gegen den Eindruck, dass die Mitarbeitenden Mitschuld am Defizit der Kliniken tragen.

Aalen

Offiziell ist Sommerpause im politischen Betrieb auf der Ostalb. Und offiziell und öffentlich sind derzeit auch keine Sitzungstermine, in denen es um die Zukunft der Kliniken geht. Doch gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zufolge schaffen hinter den Kulissen Landkreisverwaltung und die Vorstandschaft der Kliniken Ostalb daran, Entscheidungen vorzubereiten - Entscheidungen, die in Richtung eines Zentralklinikums auf der grünen Wiese gehen. Insbesondere in Aalen wird dies mit Skepsis betrachtet. Mit mindestens genau so großer Skepsis betrachten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken, dass jetzt Landrat Dr. Joachim Bläse ein externes Büro mit der Analyse der Klinikfinanzen und der Sanierung des Defizites beauftragt hat.

Drohkulisse aufgebaut

Stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sich daher der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates, Dieter Zandel, an den Landrat gewandt. Zwar verstehe man die „Dramatik der aktuellen Ereignisse“. Was den Mitarbeitern aber sauer aufstoße, sei, dass „ohne jegliche Beteiligung der Personalvertretung“ dieses Büro beauftragt worden sei. Dies - und ebenso Äußerungen „einiger Akteure“ - erwecke den Eindruck, „dass der Vorstand der Kliniken und vor allem auch die Beschäftigten zumindest Mitschuld an dieser Entwicklung tragen“. Außerdem werde der Fortbestand der öffentlichen Trägerschaft in Frage gestellt „und als Drohkulisse aufgebaut“, obwohl es eine andere Beschlusslage gebe.

Geschlossene Betten

Gemeinsam „mit der gerade erst in einigermaßen klare Bahnen gelangten Strukturdebatte“ verstärke die aktuelle Defizitdebatte „die Unsicherheit von uns Beschäftigten“. Zandel erwähnt die Beauftragung eines anderen externen Beratungsunternehmens in den Jahren 2017 und 2018 - Erinnerungen daran seien noch „sehr präsent und durchweg negativ“. Denn „außer enormen Kosten“ habe dies „nachweislich“ nichts gebracht. 

Zandel nennt ein Beispiel: So hätten die auf Drängen dieser Firma getroffenen Beschlüsse „zu Personaleinsparungen“ und  „zu geschlossenen Betten“ geführt. Dies sei im Übrigen „eine wichtige Ursache für unser Defizit“. Und alle weiteren erarbeiteten Maßnahmen seien „nicht umgesetzt“ worden.

Die „wahren Ursachen“

Was aus Sicht des Personals völlig fehle, sei „die Nennung der wahren Ursachen für die dramatische Lage vieler Kliniken in Deutschland“. Es sei „ganz offensichtlich politischer Wille, über eine andauernde Unterfinanzierung der Kliniken eine gewollte, strukturelle Bereinigung unserer Krankenhauslandschaft zu erreichen“. Zwar könne der Kreistag keine Änderung dieses politischen Willens herbeiführen. „Es wäre aber schön, wenn ähnlich lautstark die verantwortlichen Parteifreunde auf Landes- und Bundesebene angesprochen und um Hilfe gebeten würden“, so die Bitte Zandels. Zudem wäre „eine öffentliche Debatte um die desolate Finanzlage“ der Kliniken und die Not der Träger „aufgrund bewusster politischer Entscheidungen“, zumindest begleitend zu den angestoßenen Sparmaßnahmen, „hilfreich“.

Gegenteiliger Effekt

Über Sparmaßnahmen, so die Sorge Zandels. werde jetzt zudem „in einer Zeit des dramatischen Personalmangels“ gesprochen. „Absehbare Entscheidungen zur Verschlechterung der Bedingungen für uns Beschäftigte“ könnten betriebswirtschaftlich „genau das Gegenteil“ des erhofften Effektes erreichen.

Schon die „aktuell vom Vorstand praktizierte drastische Verweigerung jeglicher weiteren Verbesserungen“ für die Mitarbeiter wirke sich negativ aus. Zandel spricht noch ein weiteres Problem an, das durch die aktuelle Entwicklung „noch verstärkt“ werde: Die Beschäftigten der Kliniken veränderten sich „zunehmend in Richtung Leiharbeit“. Denn dort gebe es „bessere Arbeitsbedingungen und höhere Einkommen“ als an den Kliniken Ostalb.

Klassisches Dilemma

Eine Verweigerung von Honorarkräften anzuordnen, sei „auch keine Lösung“, wenn sie ohne jegliche Veränderung der Belegung, der Abläufe und Dienstformen angeordnet werde. Die Folge wäre „eine massive Überlastung unserer Beschäftigten“ und darüber hinaus „ein Verstoß gegen gesetzliche und tarifliche Vorgaben“.  „Wir befinden uns in einem klassischen Dilemma“, so Zandel. Schnelle Ergebnisverbesserungen seien nur zu erwarten, „wenn politisch klare und drastische Entscheidungen“ getroffen würden. Auch daran habe es in der Vergangenheit gekrankt. Die aktuelle Finanznot der Kliniken, da sei der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ja „sehr offen“, solle genau diese politischen Beschlüsse erzwingen. Deshalb werde es ja, entgegen früheren Versprechungen, „kein zusätzliches Geld geben“, ist sich Zandel sicher.

Weniger Defizit-Leistungen?

Was für den Personalvertreter auch klar ist: „Selbst nach Umsetzung aller denkbaren Optimierungsmaßnahmen in der Übergangszeit“ - die Zeit, bevor der Regionalversorger fertiggestellt ist - werden die Kliniken Ostalb „ohne echte Reformen des Finanzierungssystems, weiterhin ein erhebliches, strukturelles Defizit produzieren“. Wirklich reduzieren ließe sich das nur, „wenn wir bereit wären, alle defizitären Leistungen massiv einzuschränken“. So müssten sich die Kliniken Ostalb „zum Beispiel von ambulanten Operationen im klinischen Setting verabschieden oder die Notfallversorgung der ambulanten Patienten drastisch einschränken“. Und der Verzicht auf „jegliche pädiatrische Versorgung wäre optimal“, schildert Zandel Maßnahmen aus finanzieller Sicht - und erklärt aber ausdrücklich, was er davon hält: „eine Horrorvorstellung!“

Hilfreich wäre hingegen, wenn „hoch profitable Bereiche, die es im Gesundheitswesen ja auch gibt“ in Hand der Kliniken Ostalb wären. Zandel nennt zum Beispiel Strahlentherapie, Radiologie und Endoprothetik. Diese seien aber, politisch gewollt, „größtenteils privatisiert“. Zandel erwartet vom Landrat nun eine Stellungnahme.

Kliniken Ostalb: Wie die Beschlusslage im Kreistag ist

So ist die aktuelle Beschlusslage des Kreistages: Der Ostalbkreis sieht die Zukunft der Kliniken in einem zentralen Regionalversorger. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung wurde im Juli konkret beschlossen, „das Modell Regionalversorgung mit den Bausteinen eines klinischen Regionalversorgers, zweier klinischer Grund-/Basisversorger und eines ambulanten Gesundheitszentrums“ weiterzuverfolgen. Dieses zentrale Regionalklinikum soll zwischen Aalen und Essingen umgesetzt werden - entweder als Neubau auf der grünen Wiese oder aber auch als Weiterentwicklung des Aalener Ostalbklinikums. Die Grund- und Basisversorger, die würden aus den Kliniken in Mutlangen (dem Stauferklinikum) und in Ellwangen (der Virngrundklinik) entwickelt. Bopfingen erhält ein Gesundheitszentrum, eine Art Ärztehaus. Nicht weiterverfolgt werden soll das Modell „Zwei starke Kliniken“ - mit der Stauferklinik in Mutlangen und dem Ostalbklinikum in Aalen, die ausgebaut werden, wobei Ellwangen das Nachsehen hätte. Und auch die Variante „2d“ mit einem großen Krankenhaus zwischen Aalen und Essingen sowie der Virngrundklinik für die Raumschaft Ellwangen ist vom Tisch ...

Im September startet nach Angaben von Landrat Bläse im Kreistag die Diskussion um die organisatorischen Übergangsmaßnahmen, die Doppelstrukturen an den Kliniken bereinigen und so ihren Teil zur Defizitreduzierung beitragen sollen. Und es wird um den Standort für den Regionalversorger gehen. ⋌jhs

Ostalb Klinikum Aalen
Ostalb Klinikum Aalen © opo/dat
Stauferklinikum Mutlangen.
Stauferklinikum Mutlangen. © Jan-Philipp Strobel

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