Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 25/22 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Kodierrichtlinie - Hauptdiagnose - Aortenklappenstenose - Subduralhämatom

Verhandlungstermin 29.08.2023 11:00 Uhr

Terminvorschau

Klinik B. GmbH ./. DAK Gesundheit
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses, in dem die bei der beklagten Krankenkasse Versicherte vom 22.11.2013 bis 2.1.2014 stationär behandelt wurde. Dem vorausgegangen war eine notfallmäßige Erstaufnahme in ein anderes Krankenhaus bei Schlaganfallverdacht mit Verlegung am selben Tag in das klägerische Krankenhaus. Der Versicherten wurde dort zunächst zur Entfernung eines unter der harten Hirnhaut liegenden Blutergusses die Schädeldecke geöffnet und der Bluterguss entfernt. Am 10.12.2013 erfolgte eine Verlegung in die kardiologische Abteilung wegen eines vor der Aufnahme ins Krankenhaus erfolgten Sturzes der Versicherten. Insoweit bestand der Verdacht einer Synkope. Die kardiologische Abteilung des Krankenhauses führte am 18.12.2013 wegen einer am 9.12.2013 diagnostizierten hochgradigen Enge der Aortenklappe der Versicherten bei ihr eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation durch. Das Krankenhaus kodierte als Hauptdiagnose ICD-10‑GM I35.0 (Aortenklappenstenose), steuerte damit unter Berücksichtigung zahlreicher Nebendiagnosen und Prozeduren die Fallpauschale (DRG) F98Z (Komplexe minimalinvasive Operationen an Herzklappen) an und stellte der Krankenkasse 39 086,29 Euro in Rechnung, die die Krankenkasse zunächst beglich. Die Krankenkasse ging nach Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung davon aus, dass zutreffende Hauptdiagnose ICD-10‑GM I62.02 (Subdurale Blutung) sei, weil die Versicherte zur Behandlung des chronischen Subduralhämatoms im Krankenhaus vollstationär aufgenommen worden sei. Diese Hauptdiagnose steuert die deutlich geringer vergütete Fallpauschale B02D (Komplexe Kraniotomie) an. Den Differenzbetrag von 20 026,17 Euro verrechnete die Krankenkasse mit unstreitigen Vergütungsforderungen.

Das Sozialgericht hat die KK zur Zahlung von 20 026,18 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Versicherte sei bei ihrer stationären Aufnahme wegen der beiden Diagnosen behandlungsbedürftig gewesen. Unerheblich sei, dass die Aortenklappenstenose nicht schon bei der Aufnahme ins Krankenhaus diagnostiziert worden sei. Zwar kämen beide Diagnosen als Hauptdiagnosen in Betracht. Da für die Behandlung der Aortenklappenstenose die meisten Ressourcen verbraucht worden seien, sei diese die zu kodierende Hauptdiagnose. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Die Kodierung der Hauptdiagnose richte sich hier nach DKR D002f. Unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien der Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme und die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Diagnosen und deren stationäre Behandlungsbedürftigkeit entscheidend. Dafür genüge auch, dass die Diagnosen erst "nach Analyse" aufgrund einer objektiv zu treffenden ex‑post-Betrachtung benannt werden könnten. Die Aortenklappenstenose sei am 9.12.2013 erkannt worden. Diese Stenose habe nach den überzeugenden Gutachten schon viele Jahre zuvor bestanden und sei bei Aufnahme der Versicherten am 22.11.2013 stationär behandlungsbedürftig gewesen. Aufgrund des größeren Ressourcenverbrauchs sei die Aortenklappenstenose die zu kodierende Hauptdiagnose.

Die Krankenkasse rügt die Verletzung der Kodierrichtlinie D002f.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Gotha, S 9 KR 3024/16, 15.02.2018
Thüringer Landessozialgericht, L 6 KR 421/18, 26.08.2021

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 32/23.

Terminbericht

Nach der Kodierregel D002f der Deutschen Kodierrichtlinien war als Hauptdiagnose nicht “Subdurale Blutung“, sondern “Aortenklappenstenose“ zu kodieren. Hierdurch wird die von dem klagenden Krankenhaus mit 39.086,29 Euro abgerechnete und von der Krankenkasse zunächst vergütete Fallpauschale angesteuert. Liegen - ex-post betrachtet - schon bei Aufnahme ins Krankenhaus mehrere Leiden objektiv vor, die stationär behandlungsbedürftig sind - wie dies hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts der Fall war -, sind diese allein nach dem Grad ihres Ressourcenverbrauchs zu gewichten. Das gilt unabhängig davon, welche Leiden bei der Aufnahmeuntersuchung erkannt wurden oder erkennbar waren. Dies ergibt sich aus der hier maßgeblichen Auslegung nach Wortlaut und unterstützenden systematischen Erwägungen. Die “Veranlassung des stationären Aufenthalts“ ist nicht subjektiv ex ante, sondern objektiv ex post zu verstehen. Dass es nicht auf die (subjektive) Handlungstendenz des Krankenhauses ankommt, ergibt sich aus dem Wortlaut “nach Analyse“. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts war der Ressourcenverbrauch für die Transkatheter-Aortenklappenimplantation größer als für die Ausräumung des Hämatoms nach chirurgischer Schädelöffnung.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 32/23.

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