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München muss Kliniken sanieren: "Das Geld reicht nicht"

Für mehr als eine Milliarde muss die Stadt München ihre Kliniken sanieren – und fast die Hälfte selber zahlen. Das Rathaus fordert deshalb höhere Zuschüsse und hat auch sonst einen langen Wunschzettel.
| Christina Hertel
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In Harlaching entsteht derzeit der Neubau des städtischen Klinikums, hier ein Foto der Baustelle im Juli.
In Harlaching entsteht derzeit der Neubau des städtischen Klinikums, hier ein Foto der Baustelle im Juli. © Sigi Müller

München - Nächstes Jahr soll in Harlaching das neue städtische Krankenhaus eröffnen. Dann sollen oben auf dem Dach Hubschrauber landen und unten in der Caféteria nicht nur Patienten sitzen. Innen gibt es Lichthöfe, außen wird die Klinik grün gefliest. 250 Millionen Euro kostet der Neubau. Der Freistaat trägt 164 Millionen.

Der Freistaat ist für die Planung und für den Bau von Krankenhäusern zuständig. Und das ist nicht das Einzige, bei dem er in München mitbestimmt. Er ist für die S-Bahn und die meisten Schulen verantwortlich. Er entscheidet, ob die Stadt ein neues Konzerthaus bekommt – und Cannabis-Clubs. Die AZ beleuchtet deshalb, wie sich München nach der Wahl verändern könnte. Als Erstes geht es um die Gesundheitsversorgung.

München Klinik will über eine Milliarde Euro investieren – doch noch fehlt Geld

Fast 1,3 Milliarden Euro plant die München Klinik, also die Gesellschaft der städtischen Krankenhäuser, laut Gesundheitsreferat in den nächsten zehn Jahren für "bauliche Investitionen" auszugeben. Die Stadt rechnet damit, dass der Freistaat bloß etwa 55 Prozent davon trägt. Den Rest muss die München Klinik zahlen, mit Krediten oder Zuschüssen der Stadt.

"Die Förderungen sind nicht ausreichend", sagt Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD). Energetische Maßnahmen würden zum Beispiel nicht gefördert. Bis jetzt hat das Gesundheitsministerium 350 Millionen für Baustellen der München Klinik eingeplant. Allerdings hat die Stadt noch nicht für alle Maßnahmen einen Antrag gestellt.

Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek. (Archivbild)
Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek. (Archivbild) © imago images/Zuma Wire

Unzufrieden ist Zurek auch mit der Krankenhaus-Planung des Freistaats. Sie lege zu wenig Aufmerksamkeit auf Bedarfe und Qualität, sagt sie. Auch SPD und Linke im Stadtrat kritisieren, dass der Freistaat vor allem Betten zähle, aber kein Konzept habe. Möglicherweise wird es besser: 2024 will die Krankenhausplanungsbehörde laut Gesundheitsministerium Gespräche mit den Kliniken führen, um die Bedarfssituation zu überprüfen.

"Auf den ersten Blick ist die Versorgungslage in München gut" – doch es gibt einen Fachkräftemangel

"Auf den ersten Blick ist die Versorgungslage in München gut", sagt Christian Reischl. Bei der Gewerkschaft Ver.di ist er für Gesundheitsberufe in München zuständig. Der zweite Blick allerdings offenbare einen gewaltigen Fachkräftemangel. Ein Grund, warum im Winter Kinderkliniken so überlastet waren, dass Eltern ihre Kinder in andere Städte bringen mussten.

Gegen den Pflegermangel könnte der Freistaat etwas tun, glaubt der Gewerkschaftler: "Er müsste Wohnungen bauen – so wie die Stadt das bereits macht." Bei seinen Uni-Kliniken gehören dem Freistaat die Grundstücke. "An den Flächen scheitert es nicht. In Großhadern gibt es so viele Parkplätze", sagt Reischl. In Großhadern stehen zwar bereits Wohnungen für Klinikpersonal. Allerdings reichen die nicht und seien sanierungsbedürftig, sagt Reischl. Auch die Gesundheitsreferentin wünscht sich staatlichen Wohnraum für Pfleger.

Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek wünscht sich einen Drogenkonsumraum in München

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat andere Ideen: weniger Bürokratie, weniger Leiharbeit, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, steuerfreie Zuschläge. Doch vieles davon müsse der Bund regeln, auch die Kliniken selbst seien gefordert.

Auch darüber hinaus ist der Wunschzettel im Münchner Gesundheitsreferat lang. Zum Beispiel hofft Gesundheitsreferentin Zurek auf einen Drogenkonsumraum. Dort können Süchtige unter medizinischer Aufsicht Drogen konsumieren.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). © Felix Kästle/dpa

Die Mehrheit des Stadtrats, sogar die Münchner CSU, und Suchthilfe-Organisationen wie Condrobs sind überzeugt: Ein solcher Ort könne dazu beitragen, dass nicht mehr so viele an Drogen sterben. 86 waren es in diesem Jahr, so viele wie nie. Der Freistaat müsste für einen Drogenkonsumraum eine Rechtsverordnung erlassen - doch anders als in anderen Bundesländern ist das noch nicht passiert.

München möchte Modellkommune werden, in der die Abgabe von Cannabis möglich ist

Auch bei anderen drogenpolitischen Fragen ist Bayern zögerlicher: In Berlin und Thüringen und wohl bald in Hessen und Baden-Württemberg können Konsumenten Drogen auf ihre Inhaltsstoffe hin testen lassen. Gesundheitsreferentin Zurek befürwortet das. Insbesondere jüngere Konsumierende der Party- und Feierszene könnten so vor gesundheitlichen Schädigungen geschützt werden, sagt sie. Doch noch wartet das Rathaus auf eine Erlaubnis des Freistaats.

Außerdem würde München gerne eine Modellkommune werden, in der eine lizensierte Abgabe von Cannabis möglich ist. Der Freistaat will das verhindern. Und mit noch einer Forderung kommt Zurek nicht weiter: Sie erinnert daran, dass der Freistaat dafür zuständig ist, dass in ganz Bayern genug Ärzte Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Bald könnte es laut Zurek in vielen Regierungsbezirken keine einzige ambulante oder stationäre Einrichtung mehr dafür geben. Und bereits 2021 kamen über die Hälfte der Schwangeren für ihren Abbruch nach München.


CSU: Staatliche Pfleger

Etwa 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen zu Hause versorgt, weiß CSU-Kandidatin Susanne Hornberger aus Haidhausen. Gleichzeitig fehlen Pfleger. Ihr Vorschlag: Es dem Burgenland in Österreich nachmachen. Dort stellt der Staat die pflegenden Angehörigen an.

"So müssten Pflegebedürftige nicht so schnell ins Heim", sagt sie. Und Heimplätze gibt es in München schließlich zu wenige. Beibehalten will sie das bayerische Pflegegeld von 1.000 Euro für Pflegebedürftige.

Susanne Hornberger (CSU).
Susanne Hornberger (CSU). © privat

Freie Wähler: Mehr Zuschüsse

Der Cannabis-Legalisierung stehen die Freien Wähler kritisch gegenüber – also auch Münchens Idee, Modellkommune zu werden. So erklärt es der Münchner Freie-Wähler-Chef Michael Piazolo. Er weist darauf hin, dass der Freistaat die Stadt bei Sanierung und Neubau der Kliniken in hohem Maße unterstütze.

Höhere Zuschüsse müssten aber diskutiert werden. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, muss die Stadt aus seiner Sicht mehr Wohnraum bereitstellen. Überregional fordert er höhere Löhne.

Michael Piazolo (Freie Wähler).
Michael Piazolo (Freie Wähler). © Peter Kneffel/dpa/Archivbild

FDP: Ein Pflege-Studium in München

Das größte Problem bei der medizinischen Versorgung sei der Fachkräftemangel. Davon ist Jennifer Kaiser-Steiner überzeugt. Sie ist Vorsitzende der Münchner FDP und tritt im Stimmkreis Milbertshofen an. Sie weiß, dass 2030 in ganz Bayern rund 60.000 Pflegekräfte fehlen werden.

"Und das trifft München besonders hart", sagt sie. Um den Mangel zu beheben, will Kaiser-Steiner die Bürokratie in den Kliniken abbauen: "Pflegende wenden zu viel Zeit für Dokumentationspflicht auf."

Jennifer Kaiser-Steiner (FDP).
Jennifer Kaiser-Steiner (FDP). © privat

Digitalisierung könne helfen. Auch Ausbildungsplätze will Kaiser-Steiner ausbauen. Zum Beispiel will sich Kaiser-Steiner dafür einsetzen, dass junge Leute künftig an einer Münchner Hochschule ein Pflege-Bachelor-Studium absolvieren können. Pflegekräfte mit diesem Abschluss sollen mehr Verantwortung tragen und die Ärzte entlasten, erklärt Kaiser-Steiner. Sie fordert zudem mehr Medizinstudienplätze in München.

Wichtig ist ihr zudem, dass sich die Krankenhäuser spezialisieren. Nicht mehr an jedem Standort solle es jede Leistung geben. Notfälle sollen aber weiter an allen Kliniken versorgt werden. Auch die Geburtshilfe müsse gut erreichbar bleiben. Dass der Freistaat verbietet, dass München Cannabis-Modellkommune wird, sei rückwärts gewandt.

SPD: "Eine Milliarde für bayerische Krankenhäuser"

Im Münchner Norden, ausgerechnet dort, wo besonders viele Familien leben, fehlen Haus- und Kinderärzte. Gleichzeitig ballen sich die Praxen im Zentrum. Die SPD-Landtagskandidatin Ruth Waldmann, die in Milbertshofen kandidiert, will sich für eine bessere Verteilung einsetzen.

Dafür ist zwar die Kassenärztliche Vereinigung zuständig, Waldmann ist aber überzeugt, dass der Freistaat etwas bewegen könnte. Auch bei den Kliniken gibt es aus ihrer Sicht viel Potenzial.

Ruth Waldmann (SPD).
Ruth Waldmann (SPD). © privat

Der Freistaat ist für die Planung und die Investitionskosten bei Krankenhäusern zuständig. Allerdings übernimmt er laut Waldmann längst nicht alles. Die Personalwohnungen beim Schwabinger Krankenhaus habe die Stadt zum Beispiel selbst finanziert. Auch Kosten für Solar-Anlagen fördere der Freistaat nicht. Um das zu ändern, brachte Waldmann diesen Sommer einen Gesetzentwurf in den Landtag ein und forderte eine Milliarde für bayerische Krankenhäuser.

Die Regierung lehnte ab. Verbessern müsste sich aus ihrer Sicht auch die Ausbildung - vor allem in der Kinderpflege. Sie weiß, dass in Großhadern kranke Kinder weggeschickt werden mussten, weil Personal fehlte. Dass der Freistaat Drogenkonsumräume in München verhindert, bezeichnet sie als Unding.

Grüne: Psychisch Erkrankte besser versorgen

Eine bessere Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen fordert Gülseren Demirel. Viele Jahre saß sie für die Grünen im Münchner Stadtrat. 2018 wurde sie in den Landtag gewählt. Sie tritt in Giesing als Direktkandidatin an.

Dass es Probleme gibt, stellte sie vor Kurzem bei einem Besuch der Heckscher Klinik in Obergiesing fest. Die Klinik versorgt rund um die Uhr Minderjährige in psychiatrischen Notfällen. "Die Klinik bräuchte dringend mehr Plätze", sagt Gülseren Demirel.

Gülseren Demirel (Die Grünen) gewann 2018 im Stimmkreis Giesing.
Gülseren Demirel (Die Grünen) gewann 2018 im Stimmkreis Giesing. © Stephan Rumpf

Denn nicht nur Münchner Jugendliche würden dort behandelt, sondern Jungs und Mädchen aus ganz Bayern. "Die Mitarbeiter sind an ihrer Belastungsgrenze", sagt Demirel. Doch vom Freistaat gebe es kein grünes Licht für den Ausbau. Wichtig ist ihr außerdem, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr so lange auf einen Therapieplatz warten müssen. Helfen könnte aus ihrer Sicht eine zentrale Anlaufstelle, die Therapeuten vermittelt.

Auch einen Drogenkonsum könnte die Stadt mit einer Grünen-Regierung einrichten, kündigt Demirel an. Einen solchen Ort, wo Süchtige sauber und sicher konsumieren können, fordert die Stadt schon lange. Erlauben würden die Grünen außerdem, dass München Cannabis-Modellkommune wird.

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23 Kommentare
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  • Monaco_Flote am 04.09.2023 18:25 Uhr / Bewertung:

    370 Mio. € für Taliban, Abermilliarden für die Ukraine. Da stimmt doch was nicht...

  • Himbeergselchts am 04.09.2023 16:52 Uhr / Bewertung:

    Fast alle Politiker haben fantastische Ideen, wie Fachkräftemangel und fehlendes Geld kompensiert werden könnte. Von Union und FDP habe ich noch nie etwas dazu erwartet, von der SPD schon lange nicht mehr und inzwischen nervt grün auch.
    Im schriftlichen Austausch mit den bundesgrünen bekommen von großen Plänen mitgeteilt. „Wir schaffen Kitas.“ Frau Demirel will psychisch Kranke besser versorgt wissen. Wer soll die betreuen? Wer bezahlt das? Woher nehmen Grüne all die Erzieherinnen und Pflegekräfte? Auf Anfrage darüber und meinen Vorschlag, sich doch finanziell an all den sozialen Projekten zu beteiligen, indem Beamte Sozialabgaben bezahlen, bekomme ich nun keine Antwort mehr. Soooo sozial. So sauer. 🥳 Ich bin politisch heimatlos.

  • SL am 04.09.2023 19:56 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Himbeergselchts

    So lange Politiker und Richter nicht in der Rentenversicherung und GKV sind, werden auch Beamte keine Sozialabgaben zahlen. Gerade der dbb wehrt sich dagegen vehement mit aller Kraft.