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Evangelisches Krankenhaus Oldenburg Tarifabschluss reißt sechs Mio. Euro Finanzierungslücke

Sie wollen den Schulterschluss zeigen: Hebamme Hilke Schauland, Holger Thomas (stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung), Vorständin Kristina Minder, Sibel Gülec (Sprecherin der Auszubildenden), Vorstand Dr. Alexander Poppinga, Dirk Brandes (Vorsitzender der Mitarbeitervertretung) und Vanessa Ahlers (Pflegefachkraft der Neurologie und Neurochirurgie).

Sie wollen den Schulterschluss zeigen: Hebamme Hilke Schauland, Holger Thomas (stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung), Vorständin Kristina Minder, Sibel Gülec (Sprecherin der Auszubildenden), Vorstand Dr. Alexander Poppinga, Dirk Brandes (Vorsitzender der Mitarbeitervertretung) und Vanessa Ahlers (Pflegefachkraft der Neurologie und Neurochirurgie).

Anja Biewald

Oldenburg - Die Tinte unter dem Tarifabschluss zwischen Evangelischem Krankenhaus und der Gewerkschaft „Verdi“ ist trocken. Das Personal bekommt mehr Gehalt und einen Inflationsausgleich. Beschäftigte, Gewerkschaft und Arbeitgeber sind mit den „konstruktiven Verhandlungen“ und dem Ergebnis zufrieden. Und dennoch: Bis 2025 muss das Evangelische Krankenhaus durch den Tarifabschluss rund zehn Millionen Euro mehr aufwenden, mehr als sechs Millionen Euro davon werden nicht refinanziert und sind aus eigener Kraft zu stemmen.

Kliniken senden SOS

Ein bundesweiter Aktionstag wird am Mittwoch, 20. September, auf Initiative der Deutschen Krankenhausgesellschaft hin veranstaltet. In allen Bundesländern sind große Kundgebungen geplant. Für das Evangelische Krankenhaus wollen die beiden Vorstände Kristina Minder und Dr. Alexander Poppinga „laut sein“ mit ihren Forderungen: der Refinanzierung der steigenden Personalkosten durch die aktuellen Tarifabschlüsse und der inflationsbedingten Kostensteigerungen durch den Bund. Die Geschäftsführer des Krankenhauses fahren aber nicht alleine zur Kundgebung nach Hannover.

Mit vier Reisebussen will sich das EV-Personal auf den Weg machen. „Das ist hier im Haus kein Gegen-, sondern ein Miteinander. Wir geben unserem Arbeitgeber Rückenwind in Hannover“, sagt Pflegefachkraft Vanessa Ahlers. Und auch Azubi-Sprecherin Sibel Gülec mobilisiert ihre Kollegen.

Auch im Pius-Hospital laufen die Vorbereitungen auf eine Teilnahme an der Kundgebung, bestätigt Sprecherin Bertine Pienkos: „Pius- und EV-Mitarbeitende werden wahrscheinlich gemeinsam mit Bussen nach Hannover fahren.“

Das Klinikum plant keine konzertierte Aktion für die Teilnahme an dem Aktionstag. „Den Mitarbeitern ist es aber natürlich freigestellt, nach Hannover zu fahren“, so Sprecher Patrick Engelke. Man informiere die Belegschaft auch über den Protest, die „Thematik ist unbestritten“. Man sei derzeit aber „zu stark eingebunden“, um eine Teilnahme im größeren Ausmaß zu organisieren.

Geld muss zurück fließen

Stemmen ist dabei das passende Wort, denn für die beiden EV-Vorstände, Kristina Minder und Dr. Alexander Poppinga, ist es ein Kraftakt: Das Haus sei eigenständig, werde nicht durch einen Träger finanziell abgesichert. „Wir müssen alles selbst erwirtschaften.“ Beide Vorstände betonen, dass die Entgelterhöhungen „richtig sind, weil das Personal sie verdient“, und dass sie wichtig für die Zukunft sind. Die Rechnung ist einfach: Wer sein Personal schlechter bezahlt als andere, verliert sein Personal. „Der Abschluss war alternativlos. Aber wir müssen jetzt auch sehen, dass wir dieses Geld zurückbekommen“, so Kristina Minder.

Gute Kliniken bedroht

Mit der Forderung nach der vollständigen Refinanzierung der steigenden Personalkosten und den allgemein gestiegenen Sachkosten fahren Minder und Poppinga am 20. September zu einer Kundgebung nach Hannover. Bundesweit wollen Vertreter der Krankenhäuser an diesem Tag auf ihre Notlage aufmerksam machen. „Die Patientenversorgung war noch nie so bedroht. Wir laufen Gefahr, dass zahlreiche Krankenhäuser Lauterbachs Reform gar nicht mehr erleben werden, wenn nicht umgehend der Inflationsausgleich kommt“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß.

Auch EV-Vorstand Poppinga sieht das so: „Es wird gute, hoch spezialisierte Häuser treffen.“ Die geplante Krankenhausreform enthalte für Poppinga nicht die richtigen Lösungsansätze. Kämen die Zuweisungen wie vorgesehen, würde das EV mit seiner sehr kostenintensiven Spezialisierung benachteiligt: „Wir brauchen die Refinanzierung der tatsächlichen Kosten“, so der Vorstand. Und Kristina Minder ergänzt: „Wir betreiben keine Misswirtschaft, wir machen Spitzenmedizin und haben hochspezialisiertes Personal. Und trotzdem wären wird das klassische Beispiel für ein Haus, das irgendwann nicht mehr steht.“ Die einzige Stellschraube, die zur Steigerung der Einnahmen bleibt, ist die Zahl der Patienten. Poppinga: „Bei anderen Häusern liegt die Auslastung bei etwa 66 Prozent, unsere bei 85 Prozent.“ Mit Hochdruck werde daran gearbeitet, Prozesse zu verbessern, um diese Zahlen noch mehr zu steigern.

Gut gewirtschaftet

Die Problematik in der Öffentlichkeit sichtbar machen, ohne Panik zu schüren: Das wollen die beiden Vorstände. Minder: „Man muss sich vorstellen, was es für die medizinische Versorgung heißt. Andere Kliniken können das, was wir machen, nicht übernehmen.“ Poppinga kritisiert, dass die Finanzierung eines Krankenhauses unabhängig von der Notwendigkeit der angebotenen medizinischen Leistungen vor Ort gesehen wird. Minder nennt es „kalte Flurbereinigung“.

Sie erklärt: „2019 war unser wirtschaftlich bestes Jahr mit einem topp Ergebnis. 2022 hatten wir ein negatives Ergebnis. Trotz besserer Leistung und gleichen Belegungszahlen wie 2019 werden wir dieses Jahr knapp negativ abschneiden.“ Sprich: Das Haus kann seine Ausgaben nicht erwirtschaften. Das hat auch Auswirkungen auf Investitionen, so Minder: „Alles, was nicht zwingend notwendig ist, wird geschoben.“ Wer nicht in den medizinischen Fortschritt investiert, wird abgehängt. Das Wasser steigt – irgendwann auch bis zum Hals.

Anja Biewald
Anja Biewald Redaktion Oldenburg
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