Krankenhaus Rahden: "Verdacht der schleichenden Schließung"

Rahden. Das Krankenhaus in Rahden hat laut Gutachtern keine Zukunft. Bei den im Kreistag vorgestellten Varianten spielt der Standort Rahden keine Rolle mehr. Im Interview äußert sich der FDP-Vorsitzende Florian Haase zu den MKK und zur Entwicklung Rahdens. Herr Haase, wie nehmen Sie derzeit die Stimmung in der Bevölkerung wahr? FLORIAN HAASE: Politisch ist die Bevölkerung ermüdet, entmutigt und sie ist auch ein Stück weit wegschauend. Das ist mein Eindruck. Ist das der Grund, warum es trotz der offenbar beschlossenen Schließung des Krankenhauses Rahden so so lange ruhig blieb in Rahden? Für die Bevölkerung könnte das zutreffen. In der Politik dürfte das einen anderen Hintergrund haben. Welchen Hintergrund denn? Es gab vor vielen Wochen eine Vereinbarung, dass das Augurzky-Konzept erarbeitet wird – und zwar ohne Denkverbote., um die MKK nachhaltig und zukunftsfähig aufzustellen. Von einer offenen Betrachtung aber kann doch keine Rede mehr sein, wenn der MKK-Vorstand nun eine mögliche dreimonatige Schließung prüfen sollte. Das führt doch jeden Hinweis auf ergebnisoffene Untersuchungen ad absurdum? Nicht nur der Bürgermeister war von diesem Schritt vollkommen überrascht. Mir ist bewusst, wie groß die finanziellen Herausforderungen für den Konzern derzeit sind. Eine temporäre Schließung wäre aber Gift für die derzeitigen, logischerweise emotionalen, Diskussionen. Wir werben seit Monaten in vielen Gesprächen um Besonnenheit und Vertrauen. Dieser vorzeitige Schritt, ohne das ansatzweise bekannt ist, wie es denn zukünftig weitergeht, konterkariert aus meiner Sicht dieses Werben. Es sieht aber derzeit so aus, als würde die medizinische Versorgung im Nordkreis dabei keine Rolle mehr spielen, oder? Ich mag Transparenz. Aber die Veröffentlichung hat mich dann schon ein Stück weit geärgert. Es wurde ja vorzeitig publik, dass Gutachter Boris Augurzky Rahden als Haus der medizinischen Grundversorgung ausschließt. Und es sind ja keine Gerüchte mehr, sondern Fakten, die derzeitige Entwicklung resultiert genau daraus. Also die Schließung Rahdens an den Wochenenden oder die Schließung der Notaufnahme? Ja. Der Verdacht der schleichenden Schließung bestätigt sich scheinbar. Und wird durch den Prüfauftrag des MKK-Verwaltungsrates an den Vorstand bestätigt. Nach einer Probe-Schließung dürfte es doch wohl keine Probe-Wiedereröffnung geben, sondern eine dauerhafte Schließung des Krankenhauses Rahden? Für mich kommt eine temporäre Schließung einer dauerhaften Schließung gleich, ja. Und der Kreistagsbeschluss von Montagabend macht es doch auch nicht besser und ebnet den Weg für eine künftig schlechtere medizinische Versorgung. Rahden geschlossen, ein möglicher Neubau in Espelkamp nur noch als Grundversorger – ist es nicht klar, dass die Menschen im Nordkreis dann in Häuser nach Niedersachsen gehen? Die Antwort ist vielschichtig und ich beginne unpopulär. Zur Ehrlichkeit gehört doch die Frage, wie viele Menschen in den letzten 15 Jahren für geplante Eingriffe freiwillig nach Rahden gegangen sind? Seit ich ein Teenager war, hatte das Rahdener Haus bei Vielen einen Ruf, der der Arbeit des überwiegend tollen Personals nie gerecht wurde. Jetzt ist die Frage: wie lautet unser realistisches Zielbild? Ich möchte keine Lösung, mit der wir wieder zwei Jahre Zeit gewinnen, Millionen ausgeben und dann die Diskussionen erneut beginnen. Ich möchte eine dauerhafte Lösung, die im Nordkreis für die nächsten 20 bis 30 Jahre eine Notfallversorgung garantiert. Da, wo es auf jede Minute ankommt. Für größere Eingriffe wird es bundesweit Spezialisierungen geben. Das halte ich für richtig. Statt 10 Kliniken mit je 5 Hüft-OPs im Halbjahr, lieber eine Klinik mit 50. Also sind mit dem Konzept alle Probleme gelöst? Nein. Und trotzdem gibt es noch massive, offene Fragen. Wie attraktiv ist so ein Haus der Grundversorgung zum Beispiel für das bestehende und kommende Personal? Das war immer ein Argument pro Neubau. Warum wäre Espelkamp so aufgestellt finanziell überlebensfähig und Rahden nicht? Wir müssen jetzt schnell alle kritischen Fragen bündeln und von den Experten beantworten lassen. Aber bitte sachlich, lösungsorientiert und realistisch. Wenn wir alle nicht langsam diese Attribute an den Tag legen und daraus klare Entscheidungen treffen, gibt es irgendwann keine MKK mehr, über die der Kreistag entscheiden kann. Hat der Rahdener Stadtrat mit seinem langen Nicht-Handeln der AfD das Feld überlassen? Aber was hat die AfD denn gesagt? Plakate malen und sagen &bdquo;alles soll bleiben, wie es ist“ erinnert mich an einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann. Wer trägt denn die Schulden? Springen wir kreisweit Hand in Hand freiwillig in die Haushaltssicherung? Vertreiben wir Unternehmer und Einwohner mit den notwendigen Steuererhöhungen winkend aus dem Kreis? Die AfD ist inhaltlich nicht schwach, es gibt schlichtweg keinen Inhalt. Sie duckt sich feige von der Verantwortung weg. Die Bürger nehmen wahr, dass sich die AfD vor das Krankenhaus stellt und sich als Kämpfer für den Erhalt präsentiert und von den anderen Parteien nichts zu sehen ist? Diese Meinung teile ich nicht. Wir reden über eines Fünf-Jahres-Planung der MKK und ein Defizit von rund 60 Millionen Euro mit Sparmaßnahmen und dem Hinweis, dass das Defizit noch viel höher ausfallen könnte. Deshalb ist die Verantwortung so groß, das Problem seriös und nachhaltig zu lösen. Populistische Forderungen helfen da nicht weiter. Mit den platten Aussagen ohne Lösungen der AfD gäbe es zukünftig gar keine MKK mehr. Wie ist das Klima im Stadtrat, der von einer absoluten Mehrheit der CDU dominiert wird? Ich denke tatsächlich nicht in Fraktionen, sondern betrachte einzelne Mitglieder. Und da ist die Zusammenarbeit sehr gut. Ich habe aber auch gelernt, dass die lautesten Köpfe nicht immer die klügsten sind. Abgesehen von den Mühlenkreiskliniken – was ist aktuell die größte Herausforderung für die Stadt Rahden? Das ist die Aufstellung eines nachhaltigen Haushaltsplans, der uns weiter erlaubt, die Stadt Rahden nach vorn zu entwickeln. Bürgermeister Bert Honsel hatte in der Vergangenheit wiederholt eine strategische Haushaltsplanung eingefordert. Aber die wurde von einer Mehrheit der Politik nicht wirklich verfolgt. Rächt sich das jetzt? Ich glaube ja. Wir haben das Thema Projektliste auf Initiative der FDP nun erneut aufgegriffen. Aber ich glaube, dass sich das auch schon überholt hat. Wir brauchen eine Aufgabenkritik. Was heißt das? Das bedeutet, dass wir zu den zukünftigen Projekten die schon laufenden Projekte und auch die Pflichtaufgaben strukturieren müssen. Also langfristig schauen, was man sich in welchem Umfang leisten kann? Nicht nur wegen der MKK werden wir auf jeden Fall steigende Abgaben an den Kreis haben. Die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst treffen uns sowohl als Stadt als auch als Kreis. Vor Ort investieren wir in die vierte Reinigungsstufe, um die Qualität des Abwassers zu verbessern. Das ist eine wichtige Investition in die Zukunft. Sie wird sich aber auch bei den Gebühren auswirken. Bevor wir über Steuererhöhungen diskutieren, möchte ich, dass wir die Ausgabenseite ganzheitlich besprochen haben. Das gibt auch eine Antwort auf die Frage, ob Steuererhöhungen letztlich notwendig sind oder nicht. Was muss für die Zukunft der Innenstadt getan werden? Der Kirchring ist ein Beleg dafür, warum die Bürger so ermüdet sind. Bei allem Respekt vor den Denkmalschützern: Die Jahre, die das dauerte beim Haus Lange Straße 4 und den personellen Ressourcen, die da über Jahre drinsteckten, unterstreichen den Eindruck vieler Bürger, wie disfunktional wir als Land unterwegs sind. Das Wort disfunktional taucht in vielen Bereichen auf. Außer der Arbeit von Behörden – wo taucht es noch auf? Es taucht bei der medizinischen Versorgung auf, beim Klimaschutz, der Bildung und in weiteren Bereichen. Wie kann es denn mit der Innenstadt besser werden? Als erster Schritt wäre ein Investor für die Kirchring-Bebauung ein ganz wichtiges Signal. Dann muss die Zusammenarbeit zwischen Stadt, Gewerbe und Gastronomie verbessert werden. Der Gewerbebund Rahden leistet hier ganz viel, kann das aber nicht alles ehrenamtlich machen. Da braucht es mehr Unterstützung durch eine städtische Wirtschaftsförderung. Die Instrumente, die wir haben, müssen wir stärker bekannt machen und bewerben. Dazu gehört auch die Unterstützung bei den Mieten, wenn es um die Belebung von Leerständen geht. Die Landwirtschaft hat den Eindruck, dass sie bei der möglichen Erweiterung des Gewerbegebiets Rahden-Süd nicht beachtet wird. Landwirte fühlen sich in den Fragestunden nicht informiert und beklagen fehlende Antworten der Stadt auf ihre Fragen. Was sagt die FDP dazu? Wir müssen den Dialog mit der Landwirtschaft noch viel mehr vertiefen. Die Landwirtschaft hat mit einem Stadtverband die Strukturen dafür geschaffen und diese Strukturen müssen wir dafür nutzen. Die Landwirtschaft wird überregional zum Teil absurd reglementiert. Da müssen wir wenigstens vor Ort Partner der Landwirte sein – und zwar alle Fraktionen. Die nächste Kommunalwahl rückt näher. Denkt die FDP über einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten nach? Das müssen wir innerparteilich noch besprechen. Wenn es nach mir ginge: nein.

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