Presse­mitteilung

Holetschek: Scholz muss Krankenhausfinanzen zu Teil des Deutschland-Pakts machen – Bayerns Gesundheitsminister, kommunale Spitzenverbände und Praktiker unterstützen Protestaktion der Krankenhausgesellschaft für akute Finanzhilfen

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat im Schulterschluss mit den kommunalen Spitzenverbänden, der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) und Praktikern die Bundesregierung zu einer Krisensitzung für insolvenzgefährdete Krankenhäuser aufgefordert. Holetschek sagte am Mittwoch in München anlässlich von Protestkundgebungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Berlin und anderen Großstädten: „Ich rufe Bundeskanzler Olaf Scholz auf, die Krankenhausfinanzen zur Chefsache zu machen und als Teil seines Deutschland-Paktes voranzutreiben. Bringen Sie Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Finanzminister Christian Lindner an einen Tisch und erarbeiten Sie eine tragfähige Lösung für die dramatische finanzielle Schieflage der Krankenhäuser. Bitte vermitteln Sie, Herr Scholz, zwischen den beiden Ressorts, die sich offenbar nicht auf eine vernünftige Linie einigen können.“

Der Minister warnte: „Die Situation ist inzwischen wirklich höchst besorgniserregend. Das sagen die Krankenhaus-Vertreter mit ihrer bundesweiten Protestaktion nochmals laut und deutlich. Das ist ein Hilferuf der Kliniken, vor dem die Bundesregierung die Ohren nicht verschließen darf. Ich unterstütze die Krankenhäuser bei ihrem Protest ausdrücklich.“

Der BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen sagte: „Die Bundespolitik muss sich ehrlich machen. Der teilweise befristete Ausgleich der Inflation über Hilfsgelder läuft 2024 aus, aber die Kostenexplosion bleibt und steigt noch weiter. Daher müssen jetzt die regulären Erlöse der Krankenhäuser verlässlich angepasst werden, um Insolvenzen zu vermeiden. Die Menschen in den Kliniken wissen, dass auch eine Krankenhausreform überhaupt nichts an der Unterfinanzierung ändern kann, solange die Einnahmen der Krankenhäuser nicht an die Inflation angepasst werden. Die Klinik-Beschäftigten sind selbstverständlich für unsere Patientinnen und Patienten da und arbeiten trotz unseres notwendigen Protests, weil wir die uns anvertrauten Menschen nicht alleine und unversorgt lassen können. Wir zeigen uns verantwortlicher als die Politik in Berlin, die uns allein und im Regen stehen lässt.“

Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Thomas Karmasin, sagte: „Die Bundesregierung kann es sich mit Blick auf ihre geplante Reform gerade jetzt nicht leisten, nichts gegen drohende Krankenhausschließungen aufgrund finanzieller Engpässe zu unternehmen. Sie muss frisches Geld ins System geben, andernfalls braucht sie mit ihrer Reform gar nicht mehr anfangen, weil es viele Krankenhäuser nicht mehr geben wird. Die aktuelle Politik des Bundes geht zu Lasten der Menschen im ländlichen Raum. Die Menschen in ganz Bayern benötigen eine wohnortnahe medizinische Grund- und Regelversorgung. Besonderes Augenmerk liegt in der Fläche dabei gerade auf den Krankenhäusern. Sie gleichen Defizite in der ambulanten Versorgung aus. Sie stellen die Notärzte für das Rettungswesen. Sie bilden das Pflegepersonal aus und sie sorgen für die Weiterbildung der Ärzte. Die finanziellen Nöte der Kliniken sind nicht hausgemacht. Der Bund hat die Betriebskosten der Krankenhäuser bis heute nicht auskömmlich finanziert. So wurden unter anderem Tarifsteigerungen im Personalbereich von den Kassen nicht refinanziert. Inflation und Energiekrise haben diese Lage drastisch verschärft. Bisher konnten wir die Grund- und Regelversorgung unserer Bevölkerung nur deshalb aufrechterhalten, weil wir die Betriebsdefizite der Krankenhäuser soweit möglich mit kommunalen Geldern ausgeglichen haben. Dieses Geld fehlt dann allerdings für andere originär kommunale Aufgaben. Wir unterstützen den Protesttag der Deutschen Krankenhausgesellschaft ausdrücklich. Eine medizinische Grundversorgung unserer Bevölkerung sollte selbstverständlich sein. Sie ist nichts, was wir uns großzügig und freiwillig leisten, sondern sie ist lebensnotwendig.“

Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr, sagte: „Die Situation vieler Krankenhäuser ist dramatisch. Wir haben im Zuge der Krankenhausreform des Bundes wiederholt darauf hingewiesen, dass unsere Krankenhäuser in Not sind und viele Kliniken in eine gefährliche finanzielle Schieflage rutschen. Kommunale Krankenhäuser sind das Rückgrat der Gesundheitsversorgung. Es ist daher höchste Zeit, dass der Bund endlich für eine auskömmliche Finanzierung sorgt. Kommunen werden dadurch zu Ausfallbürgen, weil die Bundespolitik ihre Hausaufgaben nicht erfüllt und sich die Lage täglich zuspitzt. Die Förderung aus dem Bayerischen Härtefallfonds ist ein wichtiger erster Schritt, reicht aber aufgrund der enormen Defizite nicht aus. Es ist eine dramatische Fehlentwicklung, wenn regionale Gesundheitsversorgung aus städtischen Haushalten finanziert werden muss. Hier ist der Bund gefordert, um schnell eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen. Viele Kliniken können ihre Rechnungen nicht mehr mit den laufenden Einnahmen begleichen und sind von einer Insolvenz bedroht. Der Bund nimmt in Kauf, dass immer mehr Versorgungsangebote verschwinden.“

Der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Franz Löffler, sagte: „Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung ist und dass es diese nicht zum Null-Tarif gibt. Unsere psychiatrischen Kliniken haben viel dafür getan, die Versorgung in der Fläche voranzubringen. Um diese Bemühungen nicht zu konterkarieren, dürfen den Kliniken keine weiteren Steine mehr in den Weg gelegt werden. Härtefallfonds und andere Hilfsprogramme waren bisher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sie konnten die tatsächlichen, ungewöhnlich hohen Kostensteigerungen durch Inflation und Tarifsteigerungen allerdings nicht annähernd ausgleichen. Wir dürfen nicht sehenden Auges in Kauf nehmen, dass Kliniken vom Netz gehen, nur weil die Bundesregierung keine Lösung für die Finanzierungslücken findet. Wir brauchen dringend ein geplantes und gemeinsames Vorgehen, keinen kalten Strukturwandel. Ansonsten werden viele Kliniken den Start der geplanten Krankenhausreform nicht mehr erleben.“

Professor Achim Jockwig vom Klinikum Nürnberg sagte: „Die Lage der Krankenhäuser ist dramatisch. Die Einnahmen sinken aufgrund der zu geringen Steigerung des Landesbasisfallwertes und einer teilweise immer noch eingeschränkten Leistungsfähigkeit, während gleichzeitig die Personal- und Sachkosten in deutlich höherem Ausmaß gestiegen sind. Aufgrund von Einschränkungen in der nachgelagerten Versorgung, stehen die akutstationären Kapazitäten der Krankenhäuser nicht in ausreichendem Maße für neue Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Zusätzlich erschweren bürokratische Hürden und veraltete regulatorische Vorgaben, wie z. B. die untere Grenzverweildauer, einen effizienten Betrieb. Die Krankenhäuser sind somit die Post-Corona-Verlierer, nachdem sie in den Hochphasen der Pandemie über ihre Leistungsgrenzen hinaus für Patientinnen und Patienten gesorgt haben. Ohne zusätzliche Maßnahmen in der Übergangsphase bis zur Strukturreform werden weitere Krankenhäuser die Versorgung einstellen und schließen müssen, was bei fehlender Steuerung und Begleitung zu erheblichen Einschnitten in der Versorgung der Bevölkerung führen kann. Eine temporäre Erhöhung der Landesbasisfallwerte ist deshalb dringend erforderlich, bis die geplanten strukturellen Änderungen geordnet umgesetzt werden können. Ohne solche Maßnahmen wird die Transformation nicht gelingen und die stationäre Versorgung der Bevölkerung möglicherweise sogar geschwächt. Neben den Forderungen nach kurzfristiger finanzieller Unterstützung gäbe es zudem eine weitere Linderung für das krankende System, nämlich die Fortschreibung und Garantie der Krankenhausbudgets aus 2022 für die Jahre 2023 und 2024. Damit wäre zumindest eine gewisse Planungssicherheit für die Krankenhäuser gegeben, ohne dass zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt benötigt werden. Der relative Anteil aller GKV-Ausgaben für die Krankenhäuser sinkt seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich. Diese Abwärtsspirale muss endlich wieder gestoppt und auf ein stabiles Niveau gebracht werden.“

Dr. Thomas Weiler von den Starnberger Kliniken sagte: „Die Notwendigkeit, dringend eine Krankenhausreform durchzuführen, ist unbestritten. Wenn neun von zehn Krankenhäusern dieses Jahr erhebliche finanzielle Schwierigkeiten haben und nicht mehr in der Lage sind, ihre Kosten durch adäquate Erlöse zu decken, dann kann und darf man nicht mehr von Missmanagement reden, sondern dies zeigt, dass etwas strukturell vollkommen schiefläuft. Die Methode zur jährlichen Erlösveränderung ist gesetzlich geregelt. Für das Jahr 2023 liegt die Steigerung der Erlöse bei 4,32 Prozent! Das liegt deutlich unter der Inflationsrate, und diese spiegelt nicht mal die tatsächlichen Kostensteigerungen im Sach- und Energiekostenbereich in den Krankenhäusern wider. Diese sind teilweise um weit über zehn Prozent in 2023 gestiegen. Auch die Tarifsteigerung mit durchschnittlich etwa acht Prozent liegt weit über den genannten 4,32 Prozent. Hinzu kommt, dass nahezu alle Krankenhäuser aufgrund mittlerweile chronischer Personalknappheit nicht mehr die Kapazitäten vorhalten können wie noch vor der Pandemie. Somit können auch nicht mehr so viele Patienten behandelt werden. Die Wartezeiten für geplante Eingriffe werden immer länger. Und unter der aktuellen Form der Finanzierung heißt weniger Patienten auch weniger Erlöse. Der Bundesgesundheitsminister nimmt billigend in Kauf, dass Woche für Woche Krankenhäuser in die Insolvenz gehen. Er hofft, dadurch die Zahl der Krankenhäuser zu reduzieren und damit die Kosten im System zu senken. Er verkennt jedoch dabei, dass die Krankenhäuser in der Insolvenz erst mal weiter arbeiten und ein Großteil der Lohnkosten nun von den Steuerzahlern über die Lohnfortzahlungen gezahlt werden. Das ist definitiv keine Lösung! Daher fordern wir eine klar strukturierte Reform der Krankenhausfinanzierung, die sich an den Notwendigkeiten orientiert – und mit einem klaren Zeitplan, der nicht vollkommen übereilt ist. In der Zwischenzeit müssen die vorhandenen Strukturen auskömmlich finanziert werden, um nicht ein unkontrolliertes Krankenhaussterben zu provozieren, was dann die Flächen- und somit auch die Patientenversorgung massiv gefährden wird.“

Jockwig und Weiler gehören dem sogenannten Begleitgremium an, das Holetschek im Zuge der Krankenhausreform gegründet hat. In dem Gremium sind Experten und Verbände vertreten; es berät Holetschek zur Thematik der Krankenhausreform.

HOLETSCHEK: KRANKENHAUSREFORM BRAUCHT SOLIDES FUNDAMENT

Holetschek erläuterte: „Wir laufen Gefahr, dass viele Kliniken in die Insolvenz schlittern, weil sie die laufenden Betriebskosten nicht mehr decken können. Eine solch unkoordinierte ‚kalte‘ Strukturbereinigung kann niemand wollen. Deshalb muss die Bundesregierung bei der Finanzierung der Betriebskosten nachlegen und über ein Soforthilfe-Programm kurzfristig eine Vergütung sicherstellen, die die sonst nicht refinanzierten Kostensteigerungen berücksichtigt. Auch wir Länder leisten unseren Beitrag. Bayern nimmt schon seit Jahren seine Verpflichtungen sehr ernst und unterstützt Krankenhausinvestitionen mit 643 Millionen Euro pro Jahr. Das wollen wir künftig auf eine Krankenhausmilliarde aufstocken.“

Der Minister fügte hinzu: „Wir laufen Gefahr, Krankenhausstandorte zu verlieren, bevor die geplante Krankenhausreform überhaupt Wirkung entfalten kann. Die im Eckpunktepapier lediglich zugesagte Prüfung weiterer Maßnahmen in Bezug auf die Tarif- und Inflationsentwicklung ist viel zu wenig. Nicht zuletzt deshalb konnte ich dem Papier im Juli nicht zustimmen. Auch bei den Transformationskosten – Mitglieder der Regierungskommission sprechen von 50 bis 100 Milliarden Euro – besteht noch keine Klarheit. Noch ist es nicht zu spät, die Reform auf ein solides Fundament zu stellen – der Referentenentwurf sollte auch der aktuellen Finanzlage der Krankenhäuser dringend Rechnung tragen.“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat für diesen Mittwoch zu bundesweiten Klinikprotesten aufgerufen. An der Hauptveranstaltung vor dem Brandenburger Tor in Berlin nimmt auch die Bayerische Krankenhausgesellschaft teil. Holetschek wurde am Mittwochabend zudem zu einer Podiumsdiskussion der CDU/CSU-Fraktion zur Krankenhausreform im Deutschen Bundestag in Berlin erwartet.