L 1 KR 10/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 1024/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 10/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Kode ICD-10-GM (2013) G82.03 setzt eine Querschnittlähmung voraus, wobei Querschnittlähmungen den Bereich des Rückenmarks umfassen, nicht aber eine Kompression der Nervenwurzeln der Cauda equina.

2. Der Kode ICD-10-GM (2013) G82.09 ist auf Paraparesen und Paraplegien zerebraler Ursache beschränkt und findet auf periphere Paresen, wie z.B. eine Kompression der Nervenwurzeln der Cauda equina, keine Anwendung.

3. Satz 2 des Hinweises in ICD-10-GM (2013) G82.- bringt nur zum Ausdruck, dass (im Rahmen einer Mehrfachkodierung) die Ursache der Gehirn- und Rückenmarkschädigung beliebig sein kann; nicht beliebig ist aber das Erfordernis einer zentralen Ursache der Krankheitszustände.

Bemerkung

Keine Kodierung von ICD-10-GM (2013) G82.03 oder G82.09 bei Kompression der Nervenwurzeln der Cauda equina

      1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. November 2019 wird zurückgewiesen.

 

      1. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

      1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

      1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.508,31 € festgesetzt.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

 

Die bei der Beklagten versicherte Y.... (Versicherte) wurde wegen einer Claudicatio-spinalis-Symptomatik vom 17.06. bis 24.06.2013 stationär im nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus des Klägers vollstationär behandelt. Die stationäre Aufnahme erfolgte zur mikrochirurgischen osteoligamentären Dekompression. Im Entlassungsbericht vom 23.06.2013 wurden als Diagnosen benannt: Claudicatio spinalis, Gehstrecke 20 Meter, Bein-Ischiasschmerzen L4 und L5 links, Quadrizepsparese beidseits 3/5 (Treppensteigen erschwert, einbeinige Kniebeuge beidseits nicht möglich), Trendelenburgparese beidseits 3/5 (Einbeinstand beidseits nicht möglich), Fußheberparese links 3/5, rechts 4/5 (Hackengang beidseits nicht möglich), Stenose LW 3/4 und 4/5 linksbetont.

 

Der Kläger stellte die stationäre Krankenhausbehandlung der Beklagten am 25.06.2013 in Rechnung, wobei die DRG-Fallpauschale I10C (Andere Eingriffe an der Wirbelsäule, mit bestimmtem komplexem Eingriff oder Halotraktion oder Para-/Tetraplegie, oder Wirbelfraktur mit bestimmten Eingriffen an Wirbelsäule, Spinalkanal und Bandscheibe mit schweren CC) zugrunde gelegt wurde. Bei der Kodierung nach ICD-10-GM Version 2013 wurde die Hauptdiagnose M48.06 (Spinal[kanal]stenose: Lumbalbereich) sowie als Nebendiagnosen G82.03 (schlaffe Paraparese und Paraplegie: chronische inkomplette Querschnittlähmung), G82.66! (funktionale Höhe der Schädigung des Rückenmarkes: L2 bis S1), I10.00 (benigne essentielle Hypertonie: ohne Angabe einer hypertensiven Krise) sowie E03.8 (sonstige näher bezeichnete Hypothyreose) in Ansatz gebracht, ferner als Zusatzdiagnose M48.06 (Spinal[kanal]stenose: Lumbalbereich).

 

Den Rechnungsbetrag über 5.493,08 € beglich die Beklagte zunächst. Nachgehend beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Nebendiagnosen. Im Gutachten vom 03.06.2014 wurden die Diagnosen G82.03 und G82.66! als gutachterlich nicht nachvollziehbar erachtet, es handele sich nicht um im Sinne der Kodierrichtlinien relevante Diagnosen. Laut Status sei bezogen auf die untere Extremität kein pathologischer Befund erhoben worden. Abzurechnen sei nach der DRG I68D.

 

Der Kläger widersprach dieser Bewertung mit Schreiben vom 24.06.2014. Infolge der bestehenden Stenosen hätten sich die motorischen Störungen im Vergleich zu den ambulanten Vorstellungen davor deutlich verschlechtert; in der postoperativen Phase sei der Befund rasch rückläufig gewesen.

 

Ausweislich eines weiteren von der Beklagten veranlassten Gutachtens des MDK vom 30.03.2016 hätte statt der Diagnose G82.03 die Diagnose G55.3* (Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei sonstigen Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens) kodiert werden müssen. In der ICD-Systematik sei bezüglich der Kodierung des Kodes G82.- dokumentiert, dass diese Kategorie zur Verschlüsselung von Paresen und Plegien bei Querschnittlähmungen oder Hirnerkrankungen diene, wenn andere Schlüsselnummern nicht zur Verfügung stünden. In diesem Fall sei mit der Schlüsselnummer M48.06 der Sachverhalt umfassend und korrekt abgebildet; die der Claudicatio zugrundeliegende Erkrankung sei die Spinalkanalstenose, zusätzlich sei in diesem Fall gemäß des ICD-Verzeichnisses der Kode G55.3 als Sternkode zu kodieren. Im Hinblick auf die G82.66! hielt der MDK an der Bewertung fest, dass dies keine im Sinne der Kodierrichtlinien relevante Diagnose sei. Eine Rückenmarkserkrankung liege nicht vor; die Claudicatio-spinalis-Symptomatik entstehe durch die gewöhnlich distal des zweiten Lendenwirbels gelegene lumbale Spinalkanalstenose. Das Myelon ende im Bereich der Lendenwirbelsäule beim Erwachsenen in der Regel in Höhe des ersten oder zweiten Lendenwirbels und werde somit nicht tangiert. Laut ICD-Systematik 2013 sei die G55.3 als Sternkode (Manifestation) und die zugrundeliegende Ursache durch das Kreuz-Symbol M48.06 abzubilden. Nachgehend hierzu teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 01.04.2016 mit, dass sie sich der Beurteilung des MDK anschließe, und forderte den zu Unrecht gezahlten Betrag i. H. v. 1.508,31 € zurück.

 

Am 09.11.2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage auf Zahlung eines Betrages i. H. v. 1.508,31 € nebst Zinsen erhoben. Die Beklagte habe diesen Betrag am 06.05.2016 mit einer anderen berechtigten Forderung des Klägers verrechnet. Ihm stehe dieser Betrag zu, da die Kodierung der Nebendiagnosen G82.03 in Verbindung mit dem Sekundärschlüssel G82.66! zu Recht erfolgt sei. Das bei der Versicherten bestehende Krankheitsbild werde am genauesten mit den von ihm kodierten Diagnosen abgebildet.

 

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Abzurechnen sei nach der DRG I68D (Nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verl. im Wirbelsäulenbereich, > ein Belegungstag, bei and. Femurfraktur, Alt. < 65 J., mit schw. CC, oh. äuß. schw. CC, auß. b. Para-/Tetraplegie, auß. b. bei Diszitis od. infekt. Spondylopathie, oh. kompl. Diagn.). Die Kodierung der Nebendiagnosen sei wegen des Befundes "untere Extremität o. B." fehlerhaft. Ferner liege keine Rückenmarkserkrankung vor.

 

Auf Veranlassung des SG hat am 18.11.2018 Prof. Dr. X...., Arzt für Neurochirurgie, ein Gutachten erstattet und im Ergebnis seiner Begutachtung ausgeführt, dass eine Paraplegie nicht bestanden habe. Funktionell habe bei der Versicherten eine Parese, die auch als schlaffe Parese bezeichnet werden könne, bestanden. Durch die lumbale Spinalkanalstenose in Höhe LWK 3/4 und 4/5 sei eine Kompression der Nervenwurzeln der Cauda equina verursacht worden (G55.3) und durch den Bandscheibenvorfall eine Kompression der Nervenwurzel (G55.1). Der Grund der stationären Aufnahme und die Ursache der Operation sei eine lumbale Spinalkanalstenose in Höhe LWK 3/4 und 4/5 (M48.06) und ein nach kranial sequestrierter Bandscheibenvorfall LWK 4/5 links mit Radikulopathie (M51.1) gewesen. Eine Querschnittlähmung setze eine Verletzung oder Veränderung des Rückenmarks voraus. Bei der Versicherten sei keine Querschnittlähmung hervorgerufen worden, es habe auch keine andere Ursache für eine Kompression des Rückenmarks bestanden. Eine schlaffe Paraparese oder Paraplegie könne daher nicht kodiert werden.

 

Nachdem der Kläger in Kenntnis des Gutachtens an der Kodierung von G82.03 festgehalten hat, da hierfür eine Parese ausreiche, hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.02.2019 ausgeführt, dass die Kategorie G82.- zur Verschlüsselung von Paresen und Plegien bei Querschnittlähmungen oder Hirnerkrankungen diene, wenn andere Schlüsselnummern nicht zur Verfügung stünden. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine periphere Lähmung bei einer Läsion der Nervenwurzeln und damit nicht um eine Lähmung aufgrund einer Rückenmarksläsion (Querschnittlähmung) oder einer Hirnerkrankung. Der in ICD-10 G82.- enthaltene Nachsatz "Diese Kategorie dient auch zur multiplen Verschlüsselung, um diese durch eine beliebige Ursache hervorgerufenen Krankheitszustände zu kennzeichnen." begründe nicht, dass die G82.- hier Anwendung finde. Der Nachsatz sage lediglich aus, dass hier Lähmungen bei Rückenmarksläsion (Querschnittlähmung) oder Hirnerkrankungen verschlüsselt werden könnten, unabhängig von deren Ursache. Er sage hingegen nicht aus, dass hier Lähmungen unabhängig vom Schädigungsort kodiert werden könnten. Paresen könnten anatomisch aus Läsionen in verschiedenen Lokalisationen beruhen. Diese würden in zentral, peripher und muskulär eingeteilt. Im vorliegenden Fall liege eine periphere Parese vor. Die Diagnose G82.- sei aber nur bei zentralen Paresen und nicht bei peripheren Paresen anzuwenden.

 

Der Kläger hat an seiner Auffassung festgehalten, dass die Diagnose G82.03 kodiert werden könne. Aus der Kapitelüberschrift zum ICD-Kode G82.* sowie dem dazugehörigen Hinweis ergebe sich, dass die Kategorie auch zur multiplen Verschlüsselung dienen solle, um diese durch eine beliebige Ursache hervorgerufenen Krankheitszustände zu kennzeichnen. Nach einem in einem parallelen Verfahren eingeholten Gutachten eines anderen Sachverständigen diene der Kode G82.08 explizit der multiplen Verschlüsselung, um durch beliebige Ursachen hervorgerufene Krankheitszustände zu kennzeichnen; gemeint seien nicht nur Schädigungen des Gehirns, sondern vor allem Rückenmarksschädigungen. Der dortige Sachverständige verweise auf eine AWMF-Leitlinie, wonach Schädigungen des Rückenmarks oder der Cauda equina als Querschnittlähmungen definiert würden. Kauda-Syndrome und Paraparesen durch Kompression der Cauda equina sollten daher nach medizinisch-wissenschaftlicher Definition Querschnittsyndrome sein.

 

Das SG hat mit Urteil vom 19.11.2019 die Klage abgewiesen. Bei der Versicherten habe eine periphere Lähmung aufgrund einer Läsion der Nervenwurzel Cauda equina durch Kompression und resultierend eine schlaffe Parese bestanden. Zu kodieren sei G55.3, nicht aber G82.03, da bei der Versicherten die von diesem Kode geforderte Hirnerkrankung oder eine Querschnittlähmung, also eine vollständige oder anteilige Schädigung des Rückenmarks, nicht vorgelegen habe. Die Paraparese sei Manifestation der lumbalen Spinalkanalstenose. Die Cauda equina sei nicht Teil des Rückenmarks; das Rückenmark ende bei Erwachsenen in Höhe des ersten oder zweiten Lendenwirbels. Nach dem kaudalen Ende des Rückenmarks würden die Nervenwurzeln die Cauda equina bilden, diese werde definiert als Nervenfaserbündel. Bei Schädigung der Cauda equina könne nicht von einer Querschnittlähmung ausgegangen werden. Die Diagnose G82.03 setze aber eine Hirnschädigung oder eine Rückenmarkschädigung voraus. Auch G82.6-! diene der Verschlüsselung einer Rückenmarkschädigung, die nicht vorliege. G82.09 scheide aus, weil keine zerebrale, d.h. im Gehirn liegende Ursache bestehe.

 

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner am 07.01.2020 eingelegten Berufung. Wiederholt hat er seinen Vortrag, dass die Genese der Parese nicht relevant sei, die Ursache der Krankheitszustände könne beliebig sein; gemeint seien "nicht nur Schädigungen des Gehirns, sondern vor allem Rückenmarksschädigungen", wobei eine Schädigung der Cauda equina als Querschnittlähmung zu definieren sei. Jedenfalls sei G82.09 (schlaffe Paraparese und Paraplegie: nicht näher bezeichnet) zulässig, was bei der Abrechnung zum gleichen Ergebnis führen würde. Bei G82.09 sei auch keine zerebrale Ursache zu fordern. Zwar könne eine solche Ursache vorliegen, vergleichbar mit N30.3 und N30.8 handele es sich aber nicht um eine abschließende Aufzählung.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. November 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.508,31 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Mai 2016 zu zahlen,

die Revision zuzulassen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Nebendiagnose G82 sei nur dann anzuwenden, wenn andere Nebendiagnosen nicht zur Verfügung stünden. Hier stünden aber die Diagnosen M48.06†, G55.3* zur Verfügung. Nach den Darlegungen des Sachverständigen habe bei der Versicherten keine Querschnittlähmung bestanden. Wegen der Kodiermöglichkeit nach M48.06 (Spinal[kanal]stenose Lumbalbereich) sei G82.* insgesamt ausgeschlossen.

 

Dem Senat haben die Gerichtsakte beider Instanzen, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Patientenakte des Klägers vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Die form- sowie fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 17.06. bis 24.06.2013 kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Vergütung nicht auf der Grundlage der DRG I10C, sondern nur auf der Grundlage der DRG I68D beanspruchen.

 

1. Der vom Kläger im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der echten Leistungsklage (dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 9; Urteil vom 26.09.2017 – B 1 KR 9/17 R – juris Rn. 7) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter erlosch dadurch in Höhe von 1.508,31 €, dass die Beklagte insoweit wirksam mit einem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 17.06. bis 24.06.2013 aufrechnete.

 

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger aufgrund stationärer Krankenhausbehandlung anderer Versicherter der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.508,31 € hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 29; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 32; Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 16/11 R – juris Rn. 10). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob dieser Zahlungsanspruch entsprechend § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Zahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten erloschen ist (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 8; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 33; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 8). Dies ist hier der Fall. Denn die Beklagte hatte dem Kläger einen Betrag von 1.508,31 € ohne Rechtsgrund gezahlt, weil der Kläger für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten vom 17.06. bis 24.06.2013 nicht einen Vergütungsanspruch in Höhe von – wie von ihm abgerechnet – 5.493,08 €, sondern nur in Höhe von 3.984,77 € hat.

 

2. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 17.06. bis 24.06.2013 ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 1 Fallpauschalenvereinbarung 2013 (FPV 2013) sowie Anlage 1 der FPV 2013 (Fallpauschalenkatalog 2013). Das Gesetz regelt in diesen Vorschriften die Höhe der Vergütung der zugelassenen Krankenhäuser bei stationärer Behandlung gesetzlich Krankenversicherter und setzt das Bestehen des Vergütungsanspruchs als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht, erforderliche Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V zu gewähren (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V), dem Grunde nach als Selbstverständlichkeit voraus (BSG, Urteil vom 19.03.2020 – B 1 KR 20/19 R – juris Rn. 11; vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 25.09.2019 – L 1 KR 142/14 – juris Rn. 17).

 

Der Vergütungsanspruch des Klägers für die streitige Krankenhausbehandlung ist dem Grunde nach entstanden. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung und dazu korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entstehen unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 17.12.2019 – B 1 KR 19/19 R – juris Rn. 10; Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 18/15 R – juris Rn. 9; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 13; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn.11). Dies war hier der Fall.

 

Dem Kläger steht gegen die Beklagte für die streitige Krankenhausbehandlung ein Vergütungsanspruch nicht in Höhe von 5.493,08 €, sondern nur in Höhe von 3.984,77 € zu. Denn der Kläger durfte seiner Abrechnung nicht die DRG-Fallpauschale I10C zugrunde legen, sondern nur die geringer zu vergütende DRG-Fallpauschale I68D.

 

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich gemäß § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2013 rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten – insbesondere von Diagnosen und Prozeduren – in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (näher dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 19 ff.). Dabei greift das Programm auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die FPV selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (ICD-10-GM – hier in der Version 2013) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS – hier in der Version 2013). Ebenso gehört zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2013. Die Verbindlichkeit der in der FPV und den DKR angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in das vertraglich vereinbarte Fallpauschalensystem und insbesondere in dessen Kern, den Grouper, einbezogen sind (BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 31; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn. 13; Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 26/13 R – juris Rn. 12; Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn. 24).

 

Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich ICD und OPS ist nicht automatisiert und unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Denn eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (BSG, Urteil vom 17.12.2019 – B 1 KR 19/19 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 18/17 R – juris Rn. 14; Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 29/13 R – juris Rn. 12; Urteil vom 17.06.2010 – B 3 KR 4/09 R – juris Rn. 14; Urteil vom 21.02.2002 – B 3 KR 30/01 R – juris Rn. 27). Soweit in solchen Vergütungsregelungen spezifisch medizinische Begriffe verwandt werden – und keine abweichenden Vorgaben bestehen –, kommt ihnen der Sinngehalt zu, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird (BSG, Beschluss vom 19.07.2012 – B 1 KR 65/11 B – juris Rn. 18; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn. 18; vgl. auch BSG, Urteil vom 26.09.2017 – B 1 KR 9/17 R – juris Rn.16). Dies gilt sowohl für ICD und OPS als auch für die DKR.

 

Hiervon ausgehend sind für den vorliegenden Abrechnungsfall die Kodes M48.06 und G55.3 bzw. G82.03 und G82.66 des ICD-10-GM (2013) maßgebend dafür, ob bei der Abrechnung DRG I68D oder – wie vom Kläger geltend gemacht – DRG I10D in Ansatz zu bringen ist.

 

 

Zu diesen Kodes bestimmen die ICD-10-GM (2013):

Kapitel XIII
Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (M00-M99)

Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens
(M40-M54)
Die folgenden fünften Stellen zur Angabe des Beteiligungsortes sind mit den passenden Kategorien dieser Gruppe zu benutzen - ausgenommen sind die Kategorien M50 und M51; siehe auch Hinweis am Anfang dieses Kapitels.

0             Mehrere Lokalisationen der Wirbelsäule
1             Okzipito-Atlanto-Axialbereich

6             Lumbalbereich

M48.-     Sonstige Spondylopathien
[Schlüsselnummer der Lokalisation siehe am Anfang der Krankheitsgruppe M40-M54]

M48.0-   Spinal(kanal)stenose
[5. Stelle: 0-9]
Lumbale Spinal(kanal)stenose

 

Kapitel VI
Krankheiten des Nervensystems
(G00-G99)

Krankheiten von Nerven, Nervenwurzeln und Nervenplexus
(G50-G59)

Exkl.:      Akute Verletzung von Nerven, Nervenwurzeln und Nervenplexus - siehe Nervenverletzung nach Lokalisation
Neuralgie              │
Neuritis                  │  o.n.A. (M79.2-)
Periphere Neuritis während der Schwangerschaft (O26.83)
Radikulitis o.n.A. (M54.1-)

G55.-*    Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei anderenorts klassifizierten Krankheiten

G55.0*   Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei Neubildungen (C00-D48†)
G55.1*   Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden (M50-M51†)
G55.2*   Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei Spondylose (M47.-†)
G55.3*   Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei sonstigen Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens (M45-M46†, M48.-†, M53-M54†)
G55.8*   Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei sonstigen anderenorts klassifizierten
Krankheiten

Zerebrale Lähmung und sonstige Lähmungssyndrome
(G80-G83)

G82.-      Paraparese und Paraplegie, Tetraparese und Tetraplegie

Hinw.:    Diese Kategorie dient zur Verschlüsselung von Paresen und Plegien bei
Querschnittlähmungen oder Hirnerkrankungen, wenn andere Schlüsselnummern nicht zur Verfügung stehen.

Diese Kategorie dient auch zur multiplen Verschlüsselung, um diese durch eine beliebige Ursache hervorgerufenen Krankheitszustände zu kennzeichnen.
Für den Gebrauch dieser Kategorie in der stationären Versorgung sind die Deutschen Kodierrichtlinien heranzuziehen.
Soll die funktionale Höhe einer Schädigung des Rückenmarkes angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer aus G82.6- zu verwenden.
Besteht eine langzeitige Beatmungspflicht, so ist Z99.1 als zusätzliche Schlüsselnummer zu benutzen.

Inkl.:       Paraplegie            │
Quadriplegie        │ chronisch
Tetraplegie           │

Exkl.:      Akute traumatische Querschnittlähmung (S14.-, S24.-, S34.-)

                Angeborene und infantile Zerebralparese (G80.-)

Die folgenden fünften Stellen sind bei den Subkategorien G82.0-G82.5 zu verwenden:

0             Akute komplette Querschnittlähmung nichttraumatischer Genese
1             Akute inkomplette Querschnittlähmung nichttraumatischer Genese
2             Chronische komplette Querschnittlähmung
                Komplette Querschnittlähmung o.n.A.
3             Chronische inkomplette Querschnittlähmung
                Inkomplette Querschnittlähmung o.n.A.
9             Nicht näher bezeichnet
                Zerebrale Ursache

G82.0-   Schlaffe Paraparese und Paraplegie

G82.1-   Spastische Paraparese und Paraplegie

G82.2-   Paraparese und Paraplegie, nicht näher bezeichnet
Lähmung beider unterer Extremitäten o.n.A.
Paraplegie (untere) o.n.A.

G82.3-   Schlaffe Tetraparese und Tetraplegie

G82.4-   Spastische Tetraparese und Tetraplegie

G82.5-   Tetraparese und Tetraplegie, nicht näher bezeichnet
Quadriplegie o.n.A.

G82.6-!  Funktionale Höhe der Schädigung des Rückenmarkes

Hinw.:    Diese Subkategorie dient zur Verschlüsselung der funktionalen Höhe einer
                Rückenmarksschädigung. Unter der funktionalen Höhe einer Rückenmarksschädigung wird
                das unterste motorisch intakte Rückenmarkssegment verstanden. So bedeutet z.B.
                "komplette C4-Läsion des Rückenmarkes", dass die motorischen Funktionen des 4. und der
                höheren Zervikalnerven erhalten sind und dass unterhalb C4 keine oder funktionell
                unbedeutende motorische Funktionen vorhanden sind.

G82.60! C1-C3
G82.61! C4-C5
G82.62! C6-C8
G82.63! Th1-Th6
G82.64! Th7-Th10
G82.65! Th11-L1
G82.66! L2-S1
G82.67! S2-S5
G82.69! Nicht näher bezeichnet

 

2.1. Basierend auf der im Entlassungsbrief des Klägers vom 23.06.2013 angegebenen Diagnose "Claudicatio spinalis, Gehstrecke 20 Meter, Bein-Ischiasschmerzen L4 und L5 links, Quadricepsparese beidseits 3/5 (Treppensteigen erschwert, einbeinige Kniebeuge beidseits nicht möglich), Trendelenburgparese beidseits 3/5 (Einbeinstand beidseits nicht möglich), Fußheberparese links 3/5, rechts 4/5 (Hackengang beidseits nicht möglich), Stenose LW3/4 und 4/5 linksbetont)" überzeugt den Senat die durch den MDK und den gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgenommene Bewertung dahingehend, dass – wie auch vom Kläger bei seiner Abrechnung in Ansatz gebracht – als Hauptdiagnose die M48.06 (Lumbale Spinal[kanal]stenose) zu verschlüsseln ist.

 

2.2. Ebenso nachvollziehbar ist ausweislich der im Entlassungsbrief aufgeführten Diagnose, dass als Nebendiagnose die G55.3* (Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei sonstigen Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens) zu kodieren ist, da die lumbale Spinalkanalstenose eine Kompression der Nervenwurzeln der Cauda equina verursacht hat, wie der Sachverständige Prof. Dr. X.... in seinem Gutachten vom 18.11.2018 ausgeführt hat, wodurch (so der MDK im Gutachten vom 30.03.2016) die Symptomatik der claudicatio spinalis entsteht.

 

Da der Kode G55.3* als Sternkode gekennzeichnet und gleichzeitig u.a. M48.-† als möglicher Kreuzkode angegeben wurde, handelt es sich bei M48.06† G55.3* um eine Mehrfachkodierung i.S.d. DKR 2013 D012i.

 

2.3. Die Voraussetzungen für die zusätzliche Kodierung von G82.03 und/oder G82.66! liegen nicht vor.

 

2.3.1. Bezogen auf den Kode G82.66! folgt dies bereits daraus, dass für die Kodierung ausdrücklich eine Rückenmarkschädigung gefordert wird, bei der Versicherten aber nicht das Rückenmark, sondern die Cauda equina betroffen war. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. X.... in Übereinstimmung mit den Ausführungen des MDK im Gutachten vom 30.03.2016 überzeugend ausgeführt, dass eine Läsion der Nervenwurzeln vorliegt, nicht aber eine Rückenmarkschädigung, da – so der MDK nachvollziehbar – das Rückenmark bei Erwachsenen in der Regel in Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbelkörpers endet und im Fall der Versicherten nicht tangiert wird. Diese Bewertung entspricht auch der ICD-10-GM (2013), wonach in der Kategorie S34.- (Verletzung der Nerven und des lumbalen Rückenmarkes in Höhe des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens) zwischen Verletzungen des Rückenmarks (S43.0 und S34.1-) sowie u.a. Verletzung der Cauda equina (S34.3-) differenziert wird. Dass eine Läsion der Cauda equina eine Rückenmarkverletzung ist, ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, die eine (periphere) Läsion der Nervenwurzeln nicht in Frage stellt.

 

2.3.2. Auch der Kode G82.03 ist im Rahmen der Abrechnung nicht anzusetzen. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass die in G82.03 verschlüsselten Paresen nicht bereits von dem Krankheitsbild M48.06† G55.3* regelhaft umfasst sind. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. X.... und aus den Bewertungen des MDK ergibt sich die Notwendigkeit der zusätzlichen Verschlüsselung von Paresen nicht.

 

Zwar ist im Sinne des Klägers davon auszugehen, dass die von ihm über G82.03 verschlüsselten Paresen einen Ressourcenverbrauch i.S. eines erhöhten Aufwands im Patientenmanagement verursacht haben, wobei die nach DKR 2013 D003i (Nebendiagnosen) das Patientenmanagement beeinflussenden Faktoren (therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen oder erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand) auch auf mehrere Nebendiagnosen ausgerichtet sein und dann alle betroffenen Diagnosen kodiert werden können. Vorliegend hat ein Ressourcenverbrauch im zusätzlichen Aufwand bei der Mobilisation der Versicherten bestanden, wobei die krankengymnastische Mobilisation auch im Zusammenhang mit dem Kode G82.03 gesehen werden kann, wie sich aus der "Physiotherapie-Anforderung" vom 20.06.2013 ergibt, in der – unter Benennung der Diagnosen "Schlaffe Paraparese und Paraplegie: Chronische inkomplette Querschnittlähmung G82.03 Spinal(kanal)stenose: Lumbalbereich M48.06" – eine "allgemeine Mobilisation mit Gangschule" als physiotherapeutische Leistung beauftragt wurde.

 

Unabhängig vom unterstellten zusätzlichen Ressourcenverbrauch aufgrund der dokumentierten Paresen ist der Kode G82.03 aber nicht zu verschlüsseln, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Dies folgt aus den Darlegungen von Prof. Dr. X.... in seinem Gutachten, wonach die bei diesem Kode vorausgesetzte Querschnittlähmung (die Ziffer 3 an der fünften Stelle dieses Kodes erfordert ausweislich ICD-10-GM [2013] eine "Chronische inkomplette Querschnittlähmung/Inkomplette Querschnittlähmung o.n.A.") nicht vorliegt. Prof. Dr. X.... hat in seinem Gutachten eine Rückenmarkverletzung als Voraussetzung einer Querschnittlähmung bezeichnet, wobei das Rückenmark regelhaft am Übergang der Brust- zur Lendenwirbelsäule endet und die bei der Versicherten dokumentierte Spinalkanalstenose in Höhe LWK 3/4 und 4/5 keine Querschnittlähmung hervorrufen kann.

 

Dem ist der Kläger zwar dadurch entgegengetreten, dass er unter Hinweis auf ein in einem anderen Verfahren eingeholtes Gutachten auch Kauda-Syndrome und Paraparesen durch Kompression der Cauda equina als Querschnittlähmung ansieht, wobei auf eine nicht näher bezeichnete AWMF-Leitlinie verwiesen wird. Dass es sich dabei um eine im Jahr 2013 allgemeingültige Definition handelt und die von Prof. Dr. X.... herangezogene Begriffsbestimmung deshalb als nicht haltbar anzusehen ist, ergibt sich daraus aber nicht, insbesondere da nach der schon vom SG im angefochtenen Urteil zitierten medizinischen Literatur die von Prof. Dr. X.... zugrunde gelegte Beschränkung von Querschnittlähmungen auf den Bereich des Rückenmarks bestätigt wird. Für diese Auslegung spricht zudem, dass im Hinweis zur Kategorie G82.- (Satz 3: "Soll die funktionale Höhe einer Schädigung des Rückenmarkes angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer aus G82.6- zu verwenden.") ausschließlich auf das Rückenmark abgestellt wird, nicht aber auf die Cauda equina. Aus den DKR (2013) ergibt sich keine andere Bewertung, insbesondere findet sich hierin keine Definition einer Querschnittlähmung unter Einbeziehung der Cauda equina.

 

Zutreffend hat bereits das SG im angefochtenen Urteil den systematischen Zusammenhang der Kategorie zur Gruppe G80-G83 im Kapitel VI dargelegt, wonach diese Gruppe "Zerebrale Lähmung und sonstige Lähmungssyndrome" umfasst, die "sonstigen Lähmungssyndrome" aber in G83.- erfasst werden und die Kodes G80-G82 demgemäß dem Gruppenoberbegriff "zerebrale Lähmungen" zuzuordnen sind. Eine zerebrale Lähmung steht vorliegend jedoch – auch unter Einbeziehung von durch Rückenmarkschädigungen bedingte Lähmungen – nicht im Raum.

 

Spekulativ ist Vortrag des Klägers, wonach in dem in einem anderen Klageverfahren eingeholten Gutachten der (dort angegebene, aber nicht existente) Kode G82.08 als G82.03 zu lesen sei. Selbst wenn dem so wäre, ergäbe sich keine andere Bewertung, da nach den vom Kläger wiedergegebenen Passagen des Gutachtens dieser Kode nicht nur Schädigungen des Gehirns, sondern vor allem des Rückenmarks betrifft, solche im hier zu entscheidenden Fall aber nicht bestanden.

 

2.4. Für eine Kodierung von G82.09 besteht ebenfalls keine Veranlassung. Der Hinweis zur Kategorie G82.- (Satz 2: "Diese Kategorie dient auch zur multiplen Verschlüsselung, um diese durch eine beliebige Ursache hervorgerufenen Krankheitszustände zu kennzeichnen.") legt zwar nahe, dass allein Krankheitszustände unabhängig von einer Ursache kodiert werden können, dies aber nur "zur multiplen Verschlüsselung". Da sich dieser Begriff sonst weder in den ICD-10-GM (2013) noch in den DKR (2013) findet und multipel ein Synonym für "vielfältig, vielfach" (www.duden.de, Stichwort multipel) ist, kommt nach DKR (2013) eine Kodierung als Manifestationsschlüsselnummer (Sternkode) im Rahmen einer Mehrfachkodierung (D012i) in Betracht. Indes bedarf es keiner eingehenden Auseinandersetzung mit der vom Kläger letztlich aufgeworfenen Frage, welche konkreten Kodes einer solchen "multiplen Verschlüsselung" zugänglich sein könnten, da der Kode G82.09 durch die Ziffer 9 an fünfter Stelle "Nicht näher bezeichnet" sowie "Zerebrale Ursache" vorgibt. Der ausdrücklichen Beschränkung auf "Zerebrale Ursache" würde es widersprechen, hier auch eine Kodierung von peripheren Paresen, wie z. B. aufgrund einer Kompression der Nervenwurzeln der Cauda equina, einzubeziehen. Der gerichtliche Sachverständige hat diesbezüglich dargelegt, dass eine Kodierung unabhängig von der Ursache einer Rückenmarksläsion (Querschnittlähmung) oder einer Hirnerkrankung verschlüsselt werden kann, das Erfordernis zentraler Lähmungen aber nicht entfällt. Die Diagnose G82.- ist nur bei zentralen Paresen und nicht bei peripheren Paresen anzuwenden. Damit werden im Rahmen von G82.0- Lähmungen infolge von Gehirn- oder Rückenmarkschädigungen ("Krankheitszustände") erfasst, wobei die Ursache der Gehirn- und Rückenmarkschädigung beliebig sein kann. Nicht beliebig ist aber das Erfordernis einer zentralen Ursache der Krankheitszustände. Wenn auch die Genese ("beliebige Ursache") der zentralen Parese ("Krankheitszustand") kodiert werden soll, dann – so bringt der Hinweis in G82.- (Satz 2) zum Ausdruck – ist dies im Rahmen einer Mehrfachkodierung vorzunehmen.

 

Der Senat verkennt nicht, dass in der vom Kläger vorgelegten Kodierempfehlung der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG) 4 (KDE-528) Schädigungen der Cauda equina als Ursache einer Querschnittlähmung benannt werden und empfohlen wird, eine Parese bei Kompression von Nervenwurzeln nach G82.09 zu verschlüsseln. Dies überzeugt indessen nicht. Soweit in dieser Kodierempfehlung die Cauda equina einer Querschnittlähmung zugeordnet wird, handelt es sich um einen bloßen nicht näher erläuterten Klammerzusatz, der auch nicht den dort betrachteten Fall betraf, dem ein Bandscheibenschaden mit Kompression der Nervenwurzeln zugrunde lag. Darüber hinaus fehlt in dieser Kodierempfehlung eine Auseinandersetzung mit der von ICD-10-GM (2013) G82.09 geforderten "zerebralen Ursache", vielmehr wird allein auf den Zusatz "Nicht näher bezeichnet" rekurriert. Das gleiche gilt für die vom Kläger vorgelegte Kommentierung des Fachausschusses für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung (FoKA) und die Rückmeldung der SEG 4 vom 12.06.2017.

 

Dass – wie vom Kläger auch unter Bezugnahme auf ICD N30.3 und N30.8 behauptet – eine Auswahl zwischen "Nicht näher bezeichnet" und "zerebrale Ursache" bei der Kodierung von G82.09 zulässig ist, erschließt sich im Kontext des ICD-10-GM (2013) G82.* nicht, da die gesamte Rubrik auf zerebrale Schäden und Querschnittlähmungen beschränkt ist, sodass für anderweitige Erkrankungen kein Raum bleibt. Da die Querschnittlähmungen bei den Subkategorien G82.0-G82.5 bereits durch die Ziffern 0 bis 3 an fünfter Stellen erfasst werden, ergibt sich für G82.09 ein Anwendungsbereich nur für nicht näher bezeichnete zerebrale Schäden, die eine schlaffe Paraparese oder Paraplegie verursacht haben, da andere als zerebrale Schäden von G82,- gar nicht erfasst werden, wie bereits unter 2.3 u.a. aus systematischen Erwägungen der Gruppe G80-G83 abgeleitet wurde. Dass bei anderen Kodes alternative Aufzählungen vorgenommen werden, ist daher für die vorliegende Auslegung nicht entscheidend.

 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

 

5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 47 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.

 

Rechtskraft
Aus
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