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Deutschland Geplantes Krankenhausverzeichnis

Wie Lauterbach Klinik-Qualität offenlegen will und schwere Vorwürfe erntet

Redakteurin Innenpolitik
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Quelle: AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Welche Klinik kann einem Patienten am besten helfen? Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) plant ein staatliches Krankenhausverzeichnis: Hier sollen Patienten über Leistungen und Qualität der Häuser aufklärt werden – und Hilfe bekommen, die richtige Klinik zu finden. Doch es gibt Kritik.

Steht eine Operation im Krankenhaus bevor, kommt schnell die Frage auf: Welche Klinik eignet sich am besten? Die Qualitätsunterschiede der Behandlungen in Deutschland sind groß, insbesondere bei komplexen Eingriffen hängt der Erfolg auch vom Standort ab. Oft versuchen Patienten, vorab im Internet Bewertungen zu lesen oder befreundete Ärzte anzurufen. Eine zufriedenstellende Antwort finden sie meistens nicht.

Das soll sich ändern. Am Donnerstag kurz vor Mitternacht wird im Bundestag das sogenannte Krankenhaustransparenzgesetz beschlossen, initiiert von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das Gesetz sieht ab Mai kommenden Jahres ein staatliches Klinikverzeichnis vor, das Auskunft über Leistungen, Personal und Qualität der rund 1700 Kliniken in Deutschland geben soll. Doch was im Grundsatz als sinnvolle Idee gilt, stößt in der Ausgestaltung auf Kritik.

Ziel des Registers sei es, den Patienten eine qualitätsorientierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen und gleichzeitig den Wettbewerb unter den Kliniken zu stärken, heißt es im Gesetzentwurf. Die gelisteten Informationen müssten frei sein von „interessengeleiteten, einseitigen oder für den medizinischen Laien unverständlichen Mitteilungen“.

Konkret sollen etwa folgende Informationen in verständlicher Form aufbereitet werden:

1. Die Fallzahl der erbrachten Leistungen. Damit soll für die Patienten deutlich werden, wie viel Erfahrung die Klinik mit ausgewählten Behandlungen und Fachrichtungen hat. Als allgemeine Faustregel gilt: Je häufiger ein Haus eine Operation durchführt, desto seltener passieren dabei Fehler.

2. Die Zahl der Pflegekräfte und Ärzte je Fachabteilung im Verhältnis zu den Fallzahlen. So sollen Patienten einsehen können, an welchem Standort die Personalausstattung besonders hoch ist. Auch soll ersichtlich sein, ob in der Klinik der Mindestpersonalschlüssel eingehalten wird.

3. Die Versorgungsstufe des jeweiligen Krankenhauses, genannt Level. Hierbei wird zum Beispiel zwischen Grund- und Regelversorgern sowie Maximalversorgern unterschieden.

4. Qualitätssiegel und Zertifikate, etwa wenn das Krankenhaus auf Krebsbehandlungen spezialisiert ist.

5. Qualitätskriterien, die das beauftragte Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) noch ausarbeiten wird. Minister Lauterbach nannte als Beispiel die Häufigkeit von Komplikationen bei Eingriffen oder die technische Ausstattung einer Klinik.

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Mögliche weitere Kriterien schlägt der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Janosch Dahmen, im Gespräch mit WELT vor: „Es wäre perspektivisch sinnvoll, insbesondere auch professionelle Patientenbefragungen als Parameter aufzunehmen und zu erfassen, wie hoch die Leiharbeitsquote unter Ärzten und Pflegekräften ist.“ Der Medizinische Dienst Bund hatte zuvor gefordert, auch Behandlungsfehler als Kriterium zu verankern.

Von den für das Register vorgesehenen Informationen liegen einige schon vor, wurden bisher aber noch nicht veröffentlicht. Andere Daten müssen die Kliniken zusätzlich erheben und quartalsweise an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus liefern. Dieses übermittelt die Auswertungen an das IQTIG, das diese wiederum für das Klinikverzeichnis aufbereitet. Anschließend veröffentlicht das Bundesgesundheitsministerium das Register im Internet. Machten Häuser keine oder falsche Angaben, drohten „empfindliche Strafen“, so Lauterbach.

Kritik aus den Ländern

Lautstarke Kritik am Vorhaben kommt aus den Bundesländern. Dies hat vor allem zwei Gründe: Erstens befürchten sie, dass einige ihrer Kliniken Patienten verlieren und somit wirtschaftlich in noch größere Schwierigkeiten kommen als bisher. „Es würden (...) Tatsachen geschaffen, die für die Krankenhäuser gegebenenfalls rufschädigend wirken“, warnten die Länder in einem Brief im Sommer.

Zweitens bemängeln die Länder, dass das Transparenzregister noch vor der geplanten Krankenhausreform an den Start gehen soll. Diese sieht unter anderem vor, dass künftig nur noch diejenigen Kliniken einen Eingriff vornehmen dürfen, die dafür auch ausreichend qualifiziert sind. Hierfür bekommen sie von den Bundesländern Leistungsgruppen zugewiesen – etwa Herzchirurgie, Pneumologie oder Leukämie.

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Das Transparenzgesetz greift dem Prozess aus Sicht der Länder vor, indem der Bund den Kliniken eigenmächtig Versorgungsstufen und ab Oktober auch Leistungsgruppen zuweist. „Das sogenannte Transparenzgesetz braucht zum jetzigen Zeitpunkt und in dieser Form niemand“, sagt Niedersachsens SPD-Gesundheitsminister, Andreas Philippi, WELT. „So etwas kann man doch keinem Menschen vermitteln, dass es einmal fiktive Leistungsgruppen vom Bund gibt und dann die echten der Länder. Zudem befürchte ich ein weiteres Bürokratiemonster aus Berlin mit vielen Meldepflichten.“

Lauterbach greift auch deswegen der Krankenhausreform vor, weil er auf diese Weise das umsetzen kann, was er will. Denn während er bei der Krankenhausreform auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen ist, kann er bei dem Transparenzgesetz ohne die Länder entscheiden. Auf diese Weise setzt er in Teilen sein Lieblingsprojekt durch, das auf Druck der Länder eigentlich aus der Krankenhausreform gestrichen wurde: die Einteilung der Kliniken in Levels – von der Basisversorgung Level 1 bis zum Maximalversorger Level 3.

„Mit dem Klinikregister geht es Herrn Lauterbach vor allem um Gesichtswahrung, um seine ausgedachten Levels doch noch durchzuboxen. Das ist peinlich“, kritisiert Ates Gürpinar, krankenhauspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, bemängelt: „Dieses Gesetz ärgert die Krankenhäuser sehr, denn es ist eine reine Mogelpackung und verunsichert die Patienten.“

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Die Level-Einteilung wird von Kliniken, Ländern und einigen Ärztevertretern als problematisch angesehen, weil sie zu einer verzerrten Wahrnehmung bei den Bürgern führen könnte. So argumentiert etwa der Marburger Bund, der die angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte vertritt: „Grundversorgende Krankenhäuser, die in vielen Bereichen absolut gleichwertig sind, könnten Nachteile erleiden, weil sie der Level-Einteilung zufolge von Patienten als weniger qualifiziert eingestuft werden“, so Vorsitzende Susanne Johna gegenüber WELT. Heißt übersetzt: Alle strömen in die großen Kliniken, kleine Häuser bleiben auf der Strecke.

Darüber hinaus warnte zuletzt die Deutsche Stiftung Patientenschutz, dass die Kliniken künftig jüngere und erfolgversprechende Patienten bevorzugt behandeln könnten, um bessere Bewertungen zu erzielen. Daraufhin wurde kurzfristig eine „angemessene Risiko-Adjustierung“ in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die soll sicherstellen, dass Kliniken, die komplexe Fälle behandeln, nicht wegen auftretender Komplikationen das Nachsehen haben. Ob sich solch eine Benachteiligung aber tatsächlich verhindern lässt, muss sich erst noch zeigen.

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