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Krankenhaus droht Insolvenz Was Sie zur Wilhelmshavener Klinik-Krise wissen müssen

Millionenloch: Für die Aushebung der Baugrube des Klinikneubaus und die Tiefgründung fehlen alleine sieben Millionen Euro.

Millionenloch: Für die Aushebung der Baugrube des Klinikneubaus und die Tiefgründung fehlen alleine sieben Millionen Euro.

Björn Lübbe

Wilhelmshaven - Das wirtschaftlich stark angeschlagene Klinikum braucht sofort und auch in Zukunft weitere Millionenhilfen. Der Rat muss am Montag darüber entscheiden, sonst ist das Klinikum sofort insolvent. Was sind die Folgen und woher soll die Stadt das Geld nehmen? Fünf Fragen und Antworten zur Klinik-Krise:

Was muss der Rat konkret entscheiden ?

Die Beschlussvorlage für die Ratssitzung am Montag, die ab diesem Donnerstagvormittag öffentlich ist, ist bemerkenswert. Den Ratsmitgliedern werden nämlich gleich zwei Optionen geboten: Option A: Der Rat beschließt 16,1 Millionen Euro in das Klinikum zu stecken – 13,6 Millionen Euro zur Liquiditätssicherung für die Jahre 2023 und 2024 plus 2,5 Millionen Euro für eine offene Baurechnung. Oder Option B: Der Rat beschließt, dass das Klinikum kein Geld mehr von der Stadt erhält und auch ein bislang nicht bezahlter, aber bereits im Mai bewilligter Zuschuss von 3,88 Millionen Euro nicht mehr gezahlt wird.

Bereits zweimal musste der Rat Millionenhilfen beschließen, in dem Wissen, dass eine Ablehnung zur Insolvenz führen wird. Dass der Rat aber explizit beschließen soll, dem Klinikum kein Geld mehr zu zahlen, ist neu.

Dies könnte als Versuch der Verwaltung gewertet werden, die Verantwortung für eine mögliche Insolvenz von sich zu schieben. Schließlich hätte die Politik – wenn es so kommt – diese Insolvenz explizit beschlossen.


Wieso braucht das Klinikum wieder Geld ?

Den Großteil der neuen Finanzspritze – nämlich 9,1 Millionen Euro – soll in den Klinik-Neubau fließen. Hiervon entfallen 7 Millionen Euro auf Baukosten für die Aushebung der Baugrube und Tiefgründung. Weitere 1,8 Millionen Euro entfallen auf künftige Planungskosten und 300.000 Euro werden benötigt, um die Baugrube trocken zu halten. Diese Kosten seien in der Liquiditätsplanung, die der Sondersitzung des Rates zur Klinikfinanzierung im Mai vorlag, nicht enthalten gewesen, weil sie noch nicht bekannt waren, heißt es in den gestern öffentlich gewordenen Unterlagen. Warum solch erhebliche Mehrkosten im Mai noch nicht bekannt waren, obwohl der Rat in eben jener Sitzung über eine Finanzhilfe entschieden hat, mit der die Tiefgründung abgeschlossen werden sollte, wird Oliver Leinert, der Baugeschäftsführer des Klinikums, am Montag beantworten müssen. Auch im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung Ende August, in der der Rat über den neuen Finanzbedarf des Klinikums erstmals informiert wurde, war nach Informationen der WZ von solch hohen Beträgen keine Rede. Dort ging es um Mehrkosten für den Neubau von nur 1,9 Millionen Euro.

Deutlich zu Buche schlagen auch Altlasten des Klinikums. Für Pensionszahlungen an den ehemaligen Klinik-Chef Professor Jörg Brost werden 3,1 Millionen Euro fällig. Mit Brost hatte die Stadt nach dessen gesundheitlich bedingten vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand einen langjährigen Prozess geführt. Bislang waren 1,8 Millionen Euro für den Rechtsstreit eingeplant. Diese Summe hat sich nach einem zwischenzeitigen Urteil des Oberlandesgerichts erhöht, heißt es in der öffentlichen Beschlussvorlage, ohne dass der Name Brost an dieser Stelle genannt wird. 1,877 Millionen Euro braucht das Klinikum, um Zeiträume bis zur Zahlung offener Forderung des Klinikums zu überbrücken und weitere 2,5 Millionen sind als Puffer eingeplant.

Wie soll die Stadt das bezahlen ?

Der erhebliche Finanzbedarf für das Klinikum wird auch Auswirkungen auf andere Bereiche der Stadt haben. So soll der Haushaltsplan 2023 nach den Restriktionen der vorläufigen Haushaltsführung ausgeführt werden, was den Handlungsspielraum von Verwaltung und Politik erheblich einschränkt. Die Regelung würde bedeuten, dass die Stadt nur noch Dinge bezahlt, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist. Außerdem soll eine Haushaltssperre für 2024 angeordnet werden. Dies soll einen Teil der Kosten decken. 6,95 Millionen können durch nicht benötigte Kreditermächtigungen aus 2022 gedeckt werden.

Die Baufirma hat für die noch offene 2,5 Millionen-Euro-Rechnung zudem in Aussicht gestellt, dass sie einer Stundung zustimmt, bis die Deutsche Kreditbank ein Konto mit Fördergeldern für den Klinik-Neubau öffnet. Wie berichtet, hat die Bank das Konto aufgrund der wirtschaftlichen Schieflage des Klinikums gesperrt. Die Baufirma verlangt allerdings, dass der Rat eine Ausfallbürgschaft für den Betrag beschließt.

Auch eine Insolvenz würde die Stadt teuer zu stehen kommen und möglicherweise die gleichen Folgen für den Haushalt der Stadt nach sich ziehen, auch wenn die Verwaltung dies in der Beschlussvorlage nicht genau aufgeschlüsselt hat. Das ist auch deshalb nicht möglich, weil kaum abzuschätzen ist, wie teuer die Insolvenz tatsächlich wäre.

Was würde eine Insolvenz bedeuten ?

Klar ist, dass die Insolvenz Rat und Verwaltung den Einfluss auf die Geschäftsführung entzieht – diese dürfte aber weiterhin im Amt bleiben und müsste ihr Vorgehen mit einem vom Gericht bestellten Sachwalter abstimmen. Die Verfahrenskosten für Sachwalter und Berater der Geschäftsführung werden alleine auf 10 bis 15 Millionen Euro geschätzt. Hinzu kommt, dass die Stadt – auch ohne ihren Willen – als Gesellschafter aus der Klinik-Gesellschaft ausscheiden könnte, ohne finanzielle Kompensation zu erhalten. In der Beschlussvorlage für Montag heißt es wörtlich: „Die Folgen eines Insolvenzverfahrens für die Stadt sind derzeit nicht abschließend abschätzbar. Ein solches Verfahren birgt erhebliche finanzielle Risiken für die Stadt Wilhelmshaven.“

Wie geht es weiter ?

Wie der Rat am Montag abstimmen wird, ist noch offen. In der Vergangenheit hat stets eine große Mehrheit der Mitglieder den Millionenhilfen zähneknirschend zugestimmt, auch um das Klinikum in kommunaler Hand zu behalten. Ob es angesichts der düsteren Zukunftsprognosen wieder eine Mehrheit geben wird, ist nicht klar – eine Insolvenz ist zumindest wahrscheinlicher als in der Vergangenheit. Die Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Carsten Feist (parteilos) hat sich bislang nicht öffentlich zu einer der beiden Varianten positioniert.

Suntke Pendzich
Suntke Pendzich Redaktionsleitung, Wilhelmshavener Zeitung
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