Nach Insolvenz: Schließung des Krankenhauses Holzminden nicht ausgeschlossen

Holzminden/Höxter. Das klingt alles andere als gut: Bei einer Mitarbeiterversammlung in der vergangenen Woche hat sich der Insolvenzverwalter des zahlungsunfähigen Krankenhauses Holzminden, Franz-Ludwig Danko, an die rund 470 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewendet und sie auf möglicherweise massive Einschnitte vorbereitet. Im Nachgang zu der Information erhielten die Beschäftigten ein Schreiben, in dem Danko erneut in "aller Offenheit" über die Zukunftsperspektiven der Klinik spricht. Der Brief liegt der "NW" vor. Nicht nur werden auch hier "erhebliche Einschnitte" prognostiziert, auch eine Schließung des Krankenhauses wird offensichtlich nicht ausgeschlossen. Das Agaplesion Evangelisches Krankenhaus in Holzminden ist insolvent. Mitte August war der Insolvenzantrag beim zuständigen Gericht eingegangen. Im Anschluss wurde der Kasseler Rechtsanwalt Franz-Ludwig Danko als Insolvenzverwalter bestimmt. Danko stieß in der Folge einen Investorenprozess an, mittels dessen ein neuer Träger für die Klinik und die angegliederten Medizinischen Versorgungszentren gefunden werden sollte. Parallel, so hieß es in einer Pressemitteilung von Anfang September, solle geprüft werden, ob ein Vergleich mit den Gläubigern in Betracht käme. Rund anderthalb Monate später die Ernüchterung. "Uns stehen entscheidende Wochen bevor: Im November wird sich entscheiden, ob und wie es mit der Klinik/den MVZen weitergeht", leitet Danko das Schreiben an die Beschäftigten ein. Im weiteren Verlauf stehen drei Szenarien im Fokus, die alle den Fortbestand der Klinik zum Inhalt haben. "Jedes dieser Szenarien ist mit erheblichen Einschnitten verbunden", kündigt Danko an, der den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "reinen Wein" einschenken wolle. Insolvenzverwalter: "Verluste in Millionenhöhe" "Wir haben zunächst eine Variante geprüft und diskutiert, die mit möglichst wenig Einschnitten im medizinischen Leistungsspektrum auskommt", erläutert der Insolvenzverwalter in dem Schreiben. Es habe sich jedoch "sehr schnell herausgestellt, dass dies wirtschaftlich nicht darstellbar ist". Danko geht nicht ins Detail, prophezeit aber "weiterhin erhebliche Verluste", würde das Krankenhaus mehr oder weniger unverändert fortgeführt. "Die Klinik macht massive Verluste, und zwar in Millionenhöhe", unterstreicht Danko. Hinzu kämen "erhebliche Risiken", wenn sich durch die Krankenhausreform die gesetzlichen Rahmenbedingungen änderten. Vor allem ein Aspekt jedoch lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass das Krankenhaus in bewährter Form weiterexistieren könnte: "Für diese Variante gibt es keinen Interessenten". Danko und sein Team führten Gespräche mit "mehreren potenziellen neuen Betreibern", die laut des Schreibens "ernsthaftes Interesse daran haben, Klinik und MVZ zu übernehmen". Sie alle seien jedoch nur bereit, ein "restrukturiertes Haus" zu übernehmen. Im Klartext heißt das: Entweder steht die Schwarze Null oder die Verluste müssen von Dritten übernommen werden. Hat der Landkreis bald keine Notfallversorgung mehr? Damit es möglich wäre, dass sich Krankenhaus und MVzen unter neuer Trägerschaft rechnen, müsste der größte Kostenfaktor gestrichen werden: Die Rund-um-die-Uhr-Notfallversorgung. "Denn egal wie wir es drehen und wenden: Aus dem Krankenhausbetrieb lassen sich die Kosten dafür nicht erwirtschaften", erläutert Danko. Daraus ergeben sich Folgeprobleme. Denn das Agaplesion ist das einzige Krankenhaus im Landkreis. Stellt das Krankenhaus die Notfallversorgung ein, müsste diese anderweitig organisiert werden. Laut Danko liefen auch Gespräche zwischen Landkreis und Ministerium, wie die Versorgung sichergestellt werden könnte, sollte das Agaplesion sie künftig nicht mehr leisten. Gegenüber dem Insolvenzberater habe das Ministerium aber bereits deutlich gemacht, dass das Land Niedersachsen die Notfallversorgung nicht finanzieren werde. Blieben die Städte und der Landkreis. Die werden allerdings finanziell ohnehin noch in die Bresche springen müssen. Andernfalls hätte sich das Vorhaben Restrukturierung schon erledigt, bevor es überhaupt losgegangen wäre. "Denn wir brauchen ab Dezember eine Zwischenfinanzierung, die uns ermöglicht, die Klinik weiter zu betreiben und die nötigen Restrukturierungsschritte umzusetzen", schreibt Danko unumwunden. Die Stadt Holzminden und der Landkreis hätten in den vergangenen Wochen bereits "stark unterstützt und sich wirklich sehr für den Erhalt der Klinik ins Zeug gelegt". Er nennt die "sehr erfolgreiche Spendenaktion" als Beispiel. "Außerdem haben sie mit entsprechenden Nachtragshaushalten die Voraussetzungen zum Erwerb des Grundstücks geschaffen." Stadt und Land geben zwölf Millionen für Grundstück Im Ratsinformationssystem der Stadt Holzminden findet sich eine Notiz, dass der Stadtrat einen zweiten Nachtrag zum Haushalt 2023 aufgestellt habe. "Da eine Beteiligung an einer Gesellschaft in höhe von sechs Millionen Euro oder alternativ der direkte Erwerb einer Immobilie erfolgen soll". Da es sich um einen Beschluss aus nicht-öffentlicher Sitzung handelt, werden Ross und Reiter nicht benannt. Der Kreistag hat zu Beginn des Oktober aber über einen identischen Betrag beraten. In der dazugehörigen Sitzungsvorlage heißt es: "Der Landkreis Holzminden beabsichtigt zusammen mit der Stadt Holzminden zur Sicherung des Gesundheitsstandortes Holzminden eine finanzielle Unterstützung in Höhe von bis zu sechs Millionen Euro zu leisten, sofern eine solche Unterstützung im Rahmen des Prozesses notwendig werden sollte." Stadt und Landkreis wären wohl bereit, gemeinsam zwölf Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dauerhaft, so schreibt es Danko in dem Brief an die Beschäftigten, könne aber nicht mit finanzieller Unterstützung seites des Landkreises zu rechnen sein. Das könne sich der Landkreis nicht leisten. Statt 180 bald nur noch 50 Betten? Doch damit wäre es laut Danko immer noch nicht getan. Die Notfallversorgung wäre nicht der einzige Bereich, wo der Rotstift angesetzt werden müsste. Szenario zwei sehe vor, die Klinik zu einer "sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtung" weiterzuentwickeln. Damit ist eine stationäre Grundversorgung mit "erweiterten Möglichkeiten für die ambulante und pflegerische Versorgung" gemeint. "Um das zu erreichen, wird es ganz massive Einschnitte geben müssen, und zwar in allen Bereichen", erklärt der Insolvenzverwalter. Was das konkret heiße, könne er noch nicht sagen, denn die Gespräche dazu liefen noch unter anderem mit dem niedersächsischen Ministerium. "Um (...) aber die Dimension zu verdeutlichen: Wir reden von einer Reduzierung auf zukünftig maximal 50 Betten und erheblichen Personalanpassungen." Momentan verfügt das Agaplesion über 180 Betten. "Wir sind zuversichtlich, dass es zu einer Restrukturierungslösung kommt und werden auch weiterhin alle Hebel dafür in Bewegung setzen", schreibt der Insolvenzverwalter: "Allerdings müssen wir uns trotzdem auch auf den Fall vorbereiten, dass dies scheitert und wir in diesem Fall eine Schließung einleiten müssen." Diejenigen Beschäftigten, die ihre Arbeit verlieren, sei es durch die "Restrukturierung" oder die Schließung der Klinik, wolle Danko aber "nicht im Regen stehen" lassen. "Ich mache in meinen Verfahren grundsätzlich alles möglich, was an Unterstützung für die Beschäftigten umsetzbar ist. Das gilt auch hier, zumal Sie wirklich allergrößtes Engagement zeigen."

Düstere Zukunftsprognose

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