L 16 KR 140/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 43 KR 289/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 140/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 9/23 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.12.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.196,51 € festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Vergütung vollstationärer Krankenhausbehandlungen i.H.v. 38.196,51 €.

 

Die Beklagte ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses, in dem im Jahr 2009 51, im Jahr 2010 45 und im Jahr 2011 47 Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP) implantiert wurden.

 

Im Jahr 2011 wurde in diesem Krankenhaus u.a. den bei der Klägerin Versicherten P., V., T., M., D., K. und B. jeweils im Rahmen einer vollstationären Behandlung eine Endoprothese an einem Kniegelenk implantiert (OPS <2011> 5-822); die Beklagte forderte hierfür von der Klägerin jeweils eine Vergütung unter Kodierung des OPS 5-822.11 (P., V., M., D. und B.), 5-822.12 (T.) bzw. 5-822.92 (K.). Die Behandlungszeiträume, die abgerechneten Fallpauschalen (DRGs) und die geforderten Vergütungen waren jeweils wie folgt:

 

  • P.: 05.01.2011 bis 18.01.2011, DRG I44B, Vergütung i.H.v. 7.041,06 €,
  • V.: 10.01.2011 bis 29.01.2011, DRG I44A, Vergütung i.H.v. 8.639,16 €,
  • T.: 14.03.2011 bis 27.03.2011, DRG I44B, Vergütung i.H.v. 7.074,30 €,
  • M.: 16.03.2011 bis 30.03.2011, DRG I44B, Vergütung i.H.v. 7.074,30 €,
  • D.: 02.05.2011 bis 14.05.2011, DRG I44B, Vergütung i.H.v. 7.084,30 €,
  • K.: 12.05.2011 bis 25.05.2011, DRG I43B, Vergütung i.H.v. 9.337,45 €,
  • B.: 14.09.2011 bis 28.09.2011, DRG I44B, Vergütung i.H.v. 7.214,30 €.

 

Die Klägerin beglich die Rechnungen ohne Vorbehalt.

 

Mit gleichlautenden Schreiben vom 06.08.2015 teilte sie der Beklagten in den genannten Behandlungsfällen mit, dass eine Überprüfung ergeben habe, dass das Krankenhaus die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für Knie-TEP beschlossene Mindestmenge nicht erfüllt habe. Ausnahmetatbestände gemäß der Mindestmengenvereinbarung lägen nicht vor. Daher sei eine Abrechnung der Leistungen nicht möglich. In der Folge wies die Klägerin ergänzend daraufhin, dass der G-BA-Beschluss zum Aussetzen der Mindestmenge für diesen Leistungsbereich vom 15.09.2011 datiere. Er sei im Bundesanzeiger am 18.10.2011 veröffentlicht worden und damit am 19.10.2011 in Kraft getreten. Da das Krankenhaus die erforderliche Mindestmenge von 50 im Jahr 2010 nicht erreicht habe, sei es ab 01.01.2011 nicht berechtigt gewesen, die Leistung zu erbringen und abzurechnen. Somit ergebe sich für die Fälle ab diesem Datum ein Erstattungsanspruch. Erst ab Inkrafttreten des Beschlusses über die Aussetzung der Mindestmengenregelung für Knie-TEP (19.10.2011) bis zum 31.12.2014 habe das Krankenhaus diese Leistung unabhängig von der erbrachten Menge erbringen und abrechnen dürfen.

 

Die Klägerin rechnete im August 2015 mit Erstattungsansprüchen i.H.v. insgesamt 38.196,51 € gegen andere unstreitige Vergütungsansprüche der Beklagten auf, was sie dieser mit Zahlungsavis vom 12.08.2015 mitteilte. Nach den im Zahlungsavis angegebenen Fallnummern betrugen die geltend gemachten Erstattungsansprüche bei den Versicherten jeweils wie folgt:

 

  • P.: 5.106,51 €,
  • V.: 5.138,65 €,
  • T.: 5.137,64 €,
  • M.: 5.137,64 €,
  • D.: 5.137,64 €,
  • K.: 7.400,79 € sowie
  • B.: 5.137,64 €.

 

Die Beklagte hat ursprünglich am 12.11.2015 gegen die Klägerin Klage zum Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben (Az. S 43 KR 1707/15) und die Bezahlung der unstreitigen Forderungen i.H.v. 38.196,51 €, geltend gemacht, da die Aufrechnung unzulässig gewesen sei. Die Klägerin hat am 21.12.2015 erklärt, sie werde den geforderten Betrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung an die Beklagte zahlen. Gleichzeitig hat sie Widerklage auf Zahlung von 38.196,51 € nebst Zinsen erhoben. Das Sozialgericht hat die Widerklage abgetrennt. Daraufhin haben die Beteiligten diesen Rechtsstreit für erledigt erklärt.

 

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die gezahlte Vergütung ohne Rechtsgrund erhalten. Sie habe den jeweils kodierten OPS aus dem Bereich 5-822 nicht abrechnen dürfen, da sie die erforderliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP nach Anlage 1 Nr. 6 der Vereinbarung des G-BA gemäß § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung (a.F.) für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenvereinbarung), Stand 11.11.2010, im Jahr 2010 nicht erreicht habe. Daher habe für 2011 eine negative Prognose bestanden, so dass sie ab 01.01.2011 nicht berechtigt gewesen sei, diese Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Zwar habe der G-BA mit Beschluss vom 15.09.2011 die Mindestmengenvereinbarung für Knie-TEP befristet außer Vollzug gesetzt. Dieser Beschluss sei jedoch erst am 18.10.2011 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden und damit am 19.10.2011 in Kraft getreten. Erst ab Inkrafttreten des Beschlusses habe die Beklagte Knie-TEP unabhängig von der erreichten Mindestmenge bis zum 31.12.2014 erbringen und abrechnen dürfen. Die streitgegenständlichen stationären Aufenthalte hätten jedoch sämtlich vor diesem Datum gelegen, so dass die Mindestmengenvereinbarung für die hierbei erfolgten Eingriffe weiter verbindlich gewesen sei. Ohne die entsprechenden OPS resultiere jeweils die DRG I69B bzw. bei dem Versicherten V. die DRG I28B. Auf dieser Grundlage habe die Beklagte im Fall P. einen Vergütungsanspruch i.H.v. 1.934,55 €, im Fall V. i.H.v. 3.500,51 €, in den Fällen T., M. und K. jeweils i.H.v. 1.936,66 €, im Fall D. i.H.v. 1.946,66 € und im Fall B. i.H.v. 2.076,66 €.

 

In der Budgetvereinbarung für das Jahr 2011 seien die Leistungen für Knie-TEP entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht vereinbart worden. Wie üblich, sei im Zuge der Vorbereitung auf die Verhandlung eine Abfrage der erbrachten Leistungszahlen des Vorjahres erfolgt. Aus den Angaben der Beklagten (zu den OPS-Kodes aus dem Bereich 5.822) habe sich ergeben, dass 2010 die erforderliche Mindestmenge nicht erreicht worden sei. Damit sei bei prospektiver Betrachtung eine Vereinbarung für das Folgejahr grundsätzlich ausgeschlossen gewesen. Das sei auch in Ziffer I.1.8 der Budgetvereinbarung ausdrücklich festgestellt worden. Diese negative Prognose sei stets zu Beginn eines Jahres aufgrund der Anzahl der Eingriffe aus dem abgelaufenen Kalenderjahr aufzustellen. Daher komme es nicht darauf an, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Budgetvereinbarung der G-BA die befristete Außervollzugsetzung der Mindestmengenvereinbarung beschlossen habe. Dass in der Budgetvereinbarung eine Ist-Leistung für Knie-TEP für 2010 nicht angegeben worden sei, habe nicht an dem Beschluss des G-BA, sondern an dem Umstand gelegen, dass die Ist-Leistungen 2010 nur für die Leistungsbereiche aufgeführt worden seien, die nicht ausgeschlossen worden seien, was in der Vereinbarung auch ausdrücklich angegeben worden sei. Der Umstand, dass in der Anlage zu der Budgetvereinbarung DRGs vereinbart worden seien, die einen Zusammenhang zu Knie-TEP-Eingriffen hätten bzw. haben könnten, resultiere daraus, dass DRGs nicht generell nur einem bestimmten OPS- oder ICD-Kode zugeordnet seien. Dies gelte insbesondere für die Leistungen, die der Mindestmengenvereinbarung zu Knie-TEP unterlägen. DRGs würden häufig von verschiedenen OPS- oder ICD-Kodes angesteuert. Aus diesem Grund erfolge bei den Budgetvereinbarungen in diesen Fällen keine direkte Zuordnung zu bestimmten DRGs.

 

Es sei unerheblich, bis wann die Vergütungsvereinbarung 2010 gegolten habe, da diese nicht die Mindestmengenvereinbarung außer Kraft setzen könne.

 

Erst ab dem Zeitpunkt, als die Zahlen der erbrachten Leistungen des Jahres 2010 vorgelegen hätten, habe sie – die Klägerin – Kenntnis von der negativen Prognose für 2011 und dem Leistungsausschluss gehabt. Sie habe daher die Forderungen für die streitigen Behandlungsfälle nicht in Kenntnis einer Nichtschuld bezahlt.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 38.196,51 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie ist der Auffassung gewesen, zwar sei der Beschluss des G-BA vom 15.09.2011 über die befristete Außervollzugsetzung erst am 19.10.2011 in Kraft getreten. Allerdings folge aus dem Inkrafttreten an diesem Tag, dass die Mindestmengenvereinbarung im gesamten Jahr 2011 keine Bedeutung gehabt habe. Daher müsse die Klägerin für dieses Jahr auch sämtliche Aufenthalte, die vor dem Datum des Inkrafttretens gelegen hätten, bezahlen.

 

Zudem sei die Prognose für das Jahr 2011 nicht negativ ausgefallen, weil die Parteien der Budgetvereinbarung eine solche Prognose im Rahmen der Verhandlung am 23.09.2011 über das Budget für das Jahr 2011 nicht getroffen hätten. Denn zu diesem Zeitpunkt sei bereits der genannte Beschluss des G-BA in Kraft getreten. Mangels Geltung einer Mindestmengenregelung zu diesem Zeitpunkt sei es auf eine negative Prognose für das Jahr 2011 nicht mehr angekommen. Die Parteien hätten in dieser Verhandlung bereits den Beschluss des G-BA besprochen, daraufhin die Mindestmenge für Knie-TEP für das Jahr 2011 nicht mehr thematisiert und die entsprechenden „Knie-TEP-DRGs“ I43A, I43B, I44A, I44B und I44C in die Anlage I.1 zur Budgetvereinbarung 2011 aufgenommen. Diese DRGs seien daher ausdrücklich für das Jahr 2011 vereinbart worden. Zwar steuerten auch nicht der Mindestmenge unterfallende Revisionseingriffe diese DRGs an. Dies erkläre jedoch nicht die Vereinbarung von 50 bzw. 52 Knie-TEP-DRG für die Jahre 2010 bzw. 2011. Denn Revisionseingriffe seien relativ selten und führten auch nicht stets in die vereinbarten DRGs. Von insgesamt acht Revisionseingriffen im Jahr 2011 seien gerade einmal drei Fälle in die vereinbarte Knie-TEP-DRG gelangt.

 

Die Vereinbarung 2011 sei zudem erst zum 01.11.2011 in Kraft getreten. Bis dahin seien nach § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung (a.F.) die bisher geltenden Entgelte der Höhe nach weiter zu erheben gewesen. Damit habe bis zum 31.10.2011 die Budgetvereinbarung 2010 weitergegolten, in der in Ziffer I.1.8 die Erbringung von Knie-TEP – auf der Grundlage einer Ist-Leistung aus 2009 von 51 Eingriffen – nicht ausgeschlossen gewesen sei.

 

Im Übrigen hätte die Klägerin in Kenntnis der Tatsache, dass die Beklagte im Jahr 2010 die Mindestmenge nicht erreicht habe, die Rechnungen nicht bezahlen dürfen. Sie habe also in Kenntnis ihrer Nichtschuld analog § 814 BGB gezahlt, was einer Rückforderung entgegenstehe.

 

Am 09.08.2019 hat ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten stattgefunden. Hinsichtlich des Inhalts wird auf das Protokoll Bezug genommen. Insbesondere hat die Beklagte auf die Frage, welche Planungen oder Maßnahmen das Krankenhaus anstelle, um die Mindestmenge von 50 Kniegelenk-Operationen zu erreichen, erklärt, dass dies immer der ärztlichen Leitung obliege. Das Krankenhaus sei dabei auf die niedergelassenen Fachärzte angewiesen, die die Zuweisung zu dem entsprechenden Krankenhaus vornähmen, so dass die konkret erbrachte Anzahl der Eingriffe im Ergebnis davon abhänge, welche Patienten tatsächlich dem Krankenhaus zugewiesen und dort dann auch angemeldet würden.

 

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 06.12.2019 verurteilt, an die Klägerin 38.196,51 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2015 zu zahlen. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Krankenhausbehandlungen der Versicherten unter Anwendung der OPS-Codes 5-822 – Implantation einer Knie-TEP – abzurechnen. Sie habe nach der Mindestmengenvereinbarung des G-BA einem Leistungserbringungsverbot unterlegen. Die Mindestmengenvereinbarung sei im Zeitpunkt der hier streitigen Behandlungsfälle noch nicht außer Vollzug gesetzt gewesen. Zwar habe der G-BA mit Beschluss vom 15.09.2011 die Mindestmengenvereinbarung für Knie-TEP im Jahr 2011 befristet außer Vollzug gesetzt. Dieser Beschluss sei im Bundesanzeiger am 18.10.2011 veröffentlich worden, so dass die Außervollzugsetzung am Tag nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger, mithin am 19.10.2011 in Kraft getreten sei. Die Außervollzugsetzung wirke nur für künftige, nicht aber für in der Vergangenheit liegende Abrechnungssachverhalte. Die hier streitigen Behandlungen lägen allesamt zeitlich vor der Außervollzugsetzung. Die Beklagte habe die vorgeschriebene Mindestmenge von 50 Eingriffen im Vorjahr 2010 nicht erreicht. Daher habe sie nicht davon ausgehen dürfen, die mengenmäßigen Vorgaben im Jahr 2011 voraussichtlich zu erfüllen. Auch aus den abgeschlossenen Budgetvereinbarungen ergebe sich nichts Abweichendes zu der Zulässigkeit von Knie-TEP im Jahr 2011. In der Vereinbarung für das Jahr 2011 sei klar definiert worden, dass die aufgeführten Leistungen/OPS u.a. aus dem Bereich Knie-TEP im Vereinbarungszeitraum 2011 nicht vereinbart und abgerechnet werden dürften. An diesem eindeutigen Ausschluss änderten auch die in der Anlage vereinbarten „Knie-TEP-DRGs“ nichts. In der Vereinbarung 2010 seien zwar Knie-TEP nicht ausgeschlossen worden. Eine Budgetvereinbarung auf Krankenhausebene sei jedoch nicht geeignet, die als untergesetzliche Rechtsnorm ausgestaltete Mindestmengenvereinbarung des G-BA zu verdrängen. Die Erstattung der gezahlten Krankenhausvergütung sei auch nicht in entsprechender Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen. Dies setze voraus, dass die Krankenkasse positiv gewusst habe, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein. Daran fehle es hier. Kenntnis von dem Erfüllen oder Verfehlen der Mindestmenge erhalte die Klägerin erst, wenn das Krankenhaus im Rahmen der Vorbereitung zur Budgetverhandlung die Zahlen insgesamt offenlege. Zu dem Zeitpunkt der Leistung habe diese Kenntnis bei der Klägerin noch nicht vorgelegen.

 

Gegen dieses ihr am 03.02.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.02.2020 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Auffassung des Sozialgerichts, der Beschluss des G-BA vom 15.09.2011 über die Aussetzung der Mindestmengenregelung für Knie-TEP gelte erst ab dem 19.10.2011, ergebe keinen Sinn, weil die Mindestmengen immer bezogen auf ein Kalenderjahr zu erbringen seien. Die Auffassung des Sozialgerichts führe zu dem nicht tragbaren Ergebnis, dass Krankenhäuser, die nach dem 19.10.2011 Knie-TEP erbracht hätten und seien es auch nur wenige, vollumfänglich Anspruch auf Bezahlung der Behandlungskosten hätten, hingegen Krankenhäuser, die bis zum 18.10.2011 die Mindestmenge von 50 nur knapp unterschritten hätten, keinen Anspruch auf Vergütung hätten. Diese zuletzt genannten Krankenhäuser hätten also bis zum 18.10.2011 die Mindestmenge von 50 bereits erreichen müssen, wozu sie ansonsten ein Jahr Zeit gehabt hätten. Dies könne nicht richtig sein, weil sich die mindestmengenrelevanten Leistungen immer auf ein Jahr bezögen, und der G-BA im Jahr 2011 die Mindestmengenvereinbarung für Knie-TEP ausgesetzt habe und zwar vollständig und nicht zeitanteilig betrachtet für den Rest des Jahres 2011 und danach. Ein solcher Regelungsinhalt sei dem Beschluss nicht zu entnehmen. Auch habe das vom Sozialgericht in Bezug genommene Bayerische LSG in dem Urteil vom 19.12.2017 (L 4 KR 138/17) nicht entschieden, dass die Mindestmengenvereinbarung für Behandlungen vor Inkrafttreten des Beschlusses des G-BA am 19.10.2011 weiterhin Anwendung finde. Das LSG habe lediglich ausgeführt, dass die Mindestmengenvereinbarung für Behandlungen, die danach erfolgt seien, jedenfalls nicht anwendbar sei.

 

Zudem sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts für das Jahr 2011 nicht von einer negativen Prognose auszugehen gewesen. Die Parteien hätten für dieses Jahr keine Prognose getroffen, weil sie im Rahmen der Budgetverhandlungen am 23.09.2011 übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass eine solche Prognose aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Aussetzung der Mindestmengenvereinbarung nicht habe getroffen werden müssen. So erkläre sich auch, dass die Vertragsparteien in der Anlage zu der Budgetvereinbarung 2011 abermals 52 „Knie-TEP-DRGs“ vereinbart hätten, also zwei Fälle mehr als im Jahr 2010. Diese Anlage gehe der Budgetvereinbarung vor.

 

Eine solche von der Mindestmengenvereinbarung abweichende Budgetvereinbarung sei wirksam. Die Vertragsparteien der Budgetvereinbarung 2011 seien auf der Grundlage der damals geltenden Regelung des § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. berechtigt gewesen, eine positive Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Erreichens der Mindestmenge aufzustellen und zur Grundlage der Budgetvereinbarung zu machen. Es komme nicht allein auf das tatsächliche Erreichen der Mindestmenge im Vorjahr an, sondern auf die Prognose ihres Erreichens für das kommende Jahr. Diese Vorhersage sei von den Pflegesatzpartnern bei der prospektiven Verhandlung des Budgets zu treffen und werde maßgeblich durch die Fallzahlen des Vorjahres bestimmt. Genau dies fordere eine Vereinbarung der Parteien, die hier sowohl für das Jahr 2010 als auch für das Jahr 2011 dahingehend getroffen worden sei, dass Knie-TEP erbracht bzw. entsprechende DRGs abgerechnet werden dürften. Wenn die Parteien – mit bestandskräftiger Genehmigung der Bezirksregierung – übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass aufgrund der Außerkraftsetzung der Mindestmengenvereinbarung eine Prognose für das Jahr 2011 nicht anzustellen sei, so habe diese Vereinbarung Gültigkeit.

 

Ferner sei die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Mindestmengenvereinbarung einer Budgetvereinbarung vorgehe, für die im Jahr 2011 maßgebliche Rechtslage nicht zutreffend. Erst § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG in der seit dem 01.01.2016 geltenden Fassung regele, dass die Vertragsparteien bei der Vereinbarung u.a. des Erlösbudgets auch die Vorgaben des Mindestmengenkataloges einzuhalten hätten. Dies könne auch § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KHEntgG in der seit dem 01.01.2016 geltenden Fassung entnommen werden. Nach dieser Neuregelung seien die Vorgaben des Mindestmengenkataloges ausdrücklich bereits bei der Vereinbarung des Erlösbudgets zu berücksichtigen (Hinweis auf OVG NRW, Urteil vom 05.11.2019 – 13 A 2460/18 –, Rn. 102 ff., juris). Für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Neuregelung – also auch in den Entgeltjahren 2010 und 2011 – sei hinsichtlich der Mindestmengenregelung von der Trennung von Vereinbarung- und Abrechnungsebene auszugehen (Hinweis auf OVG NRW, a.a.O., Rn. 105, juris).

 

Damit hätten die Vertragsparteien durch die Vereinbarung von „Knie-TEP-DRGs“ in der Anlage zu der Budgetvereinbarung wirksam die Mindestmengenvereinbarung zu Knie-TEP abbedungen, da sich hieraus ergebe, dass diese selbst bei Nichterreichen der Mindestmenge erbracht werden dürften. Aus dieser Vereinbarung folge, dass die Beklagte trotz Unterschreitung der Mindestmenge in den Jahren 2010 und 2011 im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlungen berechtigt gewesen sei, alle weiteren Behandlungsmaßnahmen durchzuführen und abzurechnen. Die Vertragsparteien seien auch berechtigt gewesen, eine von der Mindestmengenvereinbarung abweichende Sondervereinbarung im Rahmen der Budgetvereinbarung zu treffen. Denn § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. enthalte zwar ein Leistungserbringungsverbot, jedoch kein Abrechnungsverbot. Ein solches Abrechnungsverbot mit dem Verbot der Umgehung der Mindestmengenregelung durch eine Entgeltvereinbarung habe der Gesetzgeber erst mit der Neuregelung des § 136b Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG m.W.v. 01.01.2016 eingeführt.

 

Die Klägerin könne sich nicht auf eine Unwirksamkeit der Budgetvereinbarung berufen. Dies widerspreche als widersprüchliches Verhalten („venire contra factum proprium“) dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB, weil die ausdrücklich getroffene Vergütungsregelung in Kenntnis der Mindestmengenvereinbarung vereinbart worden sei.

 

Widersprüchlich seien schließlich die Feststellungen des Sozialgerichts dazu, dass die Klägerin analog § 814 BGB keine positive Kenntnis davon gehabt habe, zur Bezahlung der Forderungen nicht verpflichtet zu sein. Die Klägerin habe sich im Verfahren eingelassen, dass für das Jahr 2011 zwingend eine negative Prognose aufgrund der Nichterreichung der Mindestmengenzahlen in den Vorjahren bestanden habe. Unterstellt, diese Auffassung sei richtig, habe sie positiv zu Jahresbeginn 2011 aufgrund des Nichterreichens der Mindestmengen in den Vorjahren gewusst, dass die Prognose negativ ausfalle und keine Leistungsverpflichtung bestehe. Es habe auch keiner „Offenlegung“ der Zahlen im Rahmen der Budgetverhandlungen im September 2011 durch die Beklagte bedurft, da nach Auffassung des Sozialgerichts und der Klägerin ausschließlich auf die Nichterreichung der Mindestmenge in den Vorjahren abzustellen gewesen sei.

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.12.2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beklagte sei im Jahr 2011 nicht mehr berechtigt gewesen, Knie-TEP zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen und abzurechnen. Aufgrund einer prognostischen Selbsteinschätzung, insbesondere unter Zugrundelegung der Daten der Vorjahre, hätte die Beklagte erkennen können und müssen, dass sie die vorgesehene Mindestmenge im Jahr 2010 und auch im Jahr 2011 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht erreichen werde. Sie könne sich auch nicht auf § 814 BGB (analog) berufen. Dies setze eine positive Rechtsfolgenkenntnis der Klägerin im Zeitpunkt ihrer rechtsgrundlosen Leistung voraus. Die Beklagte verstricke sich hier in argumentative Widersprüche.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Klägerin und der Patientenakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

 

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte, fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

 

Das Sozialgericht hat der zulässigerweise erhobenen (echten) Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R –, Rn. 8 m.w.N., juris) zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Der Klägerin stehen aus den Behandlungsfällen der Versicherten Ansprüche auf Erstattung der gezahlten Krankenhausvergütungen in der – unstreitigen – Höhe von 38.196,51 € zu.

 

Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der bei der hier gegebenen öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 BGB tritt (vgl. BSGE 109, 236, 238 f. m.w.N.).

 

Der im öffentlichen Recht seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSGE 109, 236, 238 f. m.w.N.). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen zwar, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs; ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen scheidet aber aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (vgl. BSGE 38, 46, 47). Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, denen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegenstehen (vgl. BSGE 38, 46; BSGE 109, 236, 239; BVerwGE 71, 85; BVerwGE 112, 351, 353 f.).

 

Die Klägerin hat gegen die Beklagte öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche in Höhe der gezahlten Krankenhausvergütungen von insgesamt 38.196,51 €, da diese Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgten. Die Beklagte hatte in dieser Höhe keine Ansprüche gegen die Klägerin auf Vergütung der streitgegenständlichen Behandlungen der Versicherten.

 

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus – wie hier im Krankenhaus der Beklagten – erfolgt und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (vgl. zur ständigen Rechtsprechung BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 7/15 R –, Rn. 9, juris).

 

Es ist zwischen den Beteiligten unumstritten, dass die bei den Versicherten durchgeführten Behandlungen medizinisch indiziert waren und nur unter stationären Bedingungen erfolgen konnte. Ermittlungen von Amts wegen waren daher nicht erforderlich.

 

Die Vergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie dem der Beklagten nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für die Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen [FPV]) konkretisiert. Die Vertragsparteien auf Bundesebene vereinbaren insoweit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog und nach Nr. 3 Abrechnungsbestimmungen in den FPV. Maßgeblich sind hier die für das Jahr 2011 geltende FPV einschließlich ihres Fallpauschalenkatalogs sowie die Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2011. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 FPV 2011 sind zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (st.Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 20.01.2021 – B 1 KR 31/20 R –, Rn. 14 ff. m.w.N., juris).

 

Zu Recht sind sich die Beteiligten darüber einig, dass die Beklagte nur dann die DRG I43B (K.), I44A (V.) bzw. I44B (P., T., M., D., B.) mit den daraus jeweils resultierenden Vergütungen abrechnen durfte, wenn sie zulässigerweise einen OPS aus dem Bereich 5-822 kodiert hat. Andernfalls richtet sich die Abrechnung nach der DRG I69B bzw. bei dem Versicherten V. nach der DRG I28B. Dies wird durch die Beteiligten ebenso wenig wie die sich dann jeweils ergebenden Vergütungen in Zweifel gezogen und vom Senat daher ohne Weiteres zugrunde gelegt (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens BSG, Urteil vom 20.01.2021 – B 1 KR 31/20 R –, Rn. 16 m.w.N., juris).

 

Allerdings unterlag die Beklagte hinsichtlich der streitigen Knie-TEP-Behandlungen einem Leistungserbringungsverbot, so dass sie diese weder durchführen noch über die Kodierung eines OPS aus dem Bereich 5-822 abrechnen durfte.

 

Eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter ist nicht im Rechtssinne „erforderlich“ mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür keine Vergütung beanspruchen kann. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen, insbesondere auf ungeeignete Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 SGB V) einschließlich Krankenhausbehandlung. Krankenhäuser sind dementsprechend – außer in Notfällen – auch innerhalb ihres Versorgungsauftrags weder befugt, ungeeignet zu behandeln, noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern (BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 15/13 R –, Rn. 11 m.w.N., juris).

 

Eine spezielle Ausprägung des Qualitätsgebotes (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R –, Rn. 14, juris) stellt Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung in der Fassung vom 11.11.2010, in Kraft getreten am 01.01.2011, dar. Der G-BA hat in diesem Rahmen nach den einfachgesetzlichen Vorgaben für zugelassene Krankenhäuser einheitlich mit Außenwirkung im Range untergesetzlichen Rechts einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Standort eines Krankenhauses beschlossen. Die nach § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. vorzusehenden Ausnahmetatbestände finden sich in Anlage 2 der Mindestmengenvereinbarung.

 

Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung regelt für Knie-TEP durch eine jährliche Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Krankenhaus in diesem Sinne eine zwingende Qualitätsvorgabe. Sie sichert das Qualitätsniveau bei voraussichtlicher Unterschreitung durch ein eigenständiges Verbot der Leistungserbringung zusätzlich ab (§ 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F.; BSG, Urteil vom 14.10.2014, a.a.O.). Einem Krankenhaus, das die Leistungen dennoch bewirkt, steht entgegen der Auffassung der Beklagten kein Vergütungsanspruch zu (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R –, Rn. 15, 51, juris; ausdrücklich § 136b Abs. 4 Satz 2 SGB V in der seit dem 01.01.2016 geltenden Fassung bzw. seit dem 20.07.2021 § 136b Abs. 5 Satz 2 SGB V).

 

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die durch das Krankenhaus bei den Versicherten durchgeführten Knie-TEP unter die in Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung aufgeführten Prozeduren fallen. Zweifel sind hieran auch nicht geboten.

 

Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung ist wirksam, d.h. insbesondere von der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. gedeckt. Es sind weder verfahrensrechtliche noch materiellrechtliche Mängel in der Beschlussfassung erkennbar noch werden diese von den Beteiligten behauptet (vgl. zur Prüfung BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R –, Rn. 26 ff., juris; BSG, Urteil vom 17.11.2015 –B 1 KR 15/15 R –, Rn. 17 ff., juris).

 

Die Regelung in Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung galt für die streitgegenständlichen Behandlungen, die im Zeitraum vom 05.01.2011 bis 28.09.2011 im Krankenhaus der Beklagten durchgeführt worden sind. Der Beschluss des G-BA vom 15.09.2011 über die befristete Außervollzugsetzung der Mindestmenge für Knie-TEP war für Behandlungen in diesem Zeitraum noch nicht anwendbar, da er nach Ziffer II des Beschlusses erst am Tag nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger und damit am 19.10.2011 in Kraft getreten ist. Dies hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, so dass der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des Urteils Bezug nimmt.

 

Die Einwendungen der Beklagten in der Berufung greifen hiergegen nicht durch. Soweit sie die Auffassung vertritt, der Beschluss des G-BA über die befristete Außervollzugsetzung der Mindestmenge für Knie-TEP müsse für das gesamte Jahr 2011 Geltung haben, da es keinen Sinn ergebe, diesen Beschluss erst ab dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Bundesanzeiger anzuwenden, setzt sie sich nicht mit dem Wortlaut der Regelung über das Inkrafttreten des Beschlusses in Ziffer II auseinander. Sofern der G-BA die Bedenken der Beklagten geteilt hätte, hätte er ausdrücklich eine rückwirkende Geltung der Außervollzugsetzung der Mindestmengenbestimmung anordnen können. Da er dies nicht getan hat, ist dem Wortlaut der Regelung der Vorzug zu geben. Die Mindestmengenregelung für Knie-TEP wurde daher nur für solche Krankenhausbehandlungen außer Vollzug gesetzt, die nach dem Inkrafttreten der Außervollzugssatzungsbestimmung begonnen haben. Dies entspricht auch den Grundsätzen des intertemporalen Rechts, wonach ein Rechtssatz grundsätzlich nur auf solche Sachverhalte anwendbar ist, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden (st.Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 27.08.2019 – B 1 KR 14/19 R –, Rn. 10, juris).

 

Entgegen der Behauptung der Bevollmächtigten der Beklagten hat auch das vom Sozialgericht in Bezug genommene Bayerische LSG in dem Urteil vom 19.12.2017 (L 4 KR 138/17) ausdrücklich festgestellt, dass die Mindestmengenregelung für Behandlungen vor Inkrafttreten des Beschlusses des G-BA am 19.10.2011 weiterhin anwendbar war (Rn. 48, juris).

 

Das Krankenhaus der Beklagten war 2011 nicht berechtigt, mindestmengenrelevante Knie-TEP zu erbringen. Unstreitig hat es in diesem Jahr die in Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung vorgeschriebene Mindestmenge von 50 Knie-TEP nicht erreicht und unstreitig lag hinsichtlich der Behandlungen der Versicherten kein Notfall oder sonstiger Ausnahmefall im Sinne von Anlage 2 der Mindestmengenvereinbarung vor. Das Krankenhaus durfte auch nicht die berechtigte Erwartung hegen, die gesetzliche Mindestmenge im Jahr 2011 voraussichtlich zu erfüllen. Es bestand keine Grundlage für eine Prognose, dass es die erforderliche Mindestmenge in diesem Jahr voraussichtlich erreichen würde. Insbesondere ergibt sich eine solche für das Jahr 2011 geltende Prognose weder aus der Budgetvereinbarung 2011 noch aus der Regelung in Ziffer I.1.8 der Budgetvereinbarung 2010. Das Krankenhaus der Beklagten durfte daher bei den Versicherten keine Knie-TEP implantieren. Ein Vergütungsanspruch konnte nicht entstehen.

 

Nach § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung richtete sich die kalenderjährlich vorzunehmende Prognose für das Folgejahr grundsätzlich danach, ob die Mindestmenge im zuvor abgelaufenen Kalenderjahr erreicht wurde. Nur dann kann die Prognose positiv ausfallen (vgl. hierzu grundlegend: BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R –, Rn. 52 ff., juris; Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R –, Rn. 42, juris; Urteil vom 17.11.2015 – B 1 KR 15/15 R –, Rn. 10, juris).

 

Nach diesem im Zeitpunkt der Behandlungen der Versicherten geltenden Maßstab musste hier die Prognose zwingend negativ mit der Rechtsfolge ausfallen, dass das Krankenhaus der Beklagten im Jahr 2011 nicht zur Erbringung von Knie-TEP berechtigt und zu deren Abrechnung befugt war. Das Krankenhaus implantierte 2010 nur 45 Knie-TEP. Damit unterschritt es die Mindestmenge deutlich und erreichte kein hinreichendes Qualitätsniveau, dessen weitere Aufrechterhaltung prognostisch hätte in Betracht kommen können.

 

Das Sozialgericht hat des Weiteren zutreffend festgestellt, dass auch unter Berücksichtigung der Gesamtsituation kein Grund dafür ersichtlich ist, dass eine positive Prognose für das Jahr 2011 berechtigt gewesen wäre (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung LSG NRW, Urteil vom 17.01.2019 – L 5 KR 212/18 –, Rn. 52 ff., juris). Hiergegen spricht bereits die Leistungshistorie im Haus der Beklagten. Dieses hat nur im Jahr 2009 die erforderliche Mindestmenge knapp überschritten (51 Eingriffe) und sodann ab dem Jahr 2010 dauerhaft nicht mehr erreicht. Die negative Prognose hat sich für das Jahr 2011 letztlich auch bestätigt, da in diesem Jahr mit den streitgegenständlichen Behandlungen nur 47 Knie-TEP durchgeführt wurden. Vor diesem Hintergrund ist bereits kein Grund ersichtlich, weshalb die Erwartung berechtigt gewesen wäre, im Jahr 2011 Knie-TEP erbringen zu dürfen.

 

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich eine positive Prognose nicht aus der Budgetvereinbarung 2011. Auch insofern nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des Urteils des Sozialgerichts Bezug.

 

Mit ihrem Vortrag, die Zulässigkeit der Knie-TEP bzw. eine positive Prognose diesbezüglich ergebe sich aus der Budgetvereinbarung 2011, stützt sich die Beklagte im Wesentlichen auf den oben genannten Beschluss des G-BA vom 15.09.2011. Da jedoch dieser –wie ausgeführt – für die hier streitigen Behandlungen in zeitlicher Hinsicht nicht gilt, kann auch nichts Anderes aus der Budgetvereinbarung folgen. Darüber hinaus ist in deren Ziffer I.1.8 ausdrücklich bestimmt worden, dass Leistungen aus dem Bereich Knie-TEP nicht vereinbart werden und daher auch nicht abgerechnet werden dürfen. Die Argumentation der Beklagten, Knie-TEP hätten erbracht werden dürfen, da in der Anlage I.1 zu der Budgetvereinbarung 2011 52 „Knie-TEP-DRGs“ vereinbart worden seien, steht zu diesem ausdrücklichen Leistungs- und Abrechnungsverbot im Widerspruch. Mit diesem Widerspruch befasst sich die Beklagte nicht und versucht auch nicht, diesen aufzulösen. Es ist zudem in keiner Weise ersichtlich, weshalb und mit welcher Begründung die in Anlage I.1 vorgenommene Vereinbarung von Fallpauschalen, die mit der Erbringung von Knie-TEP-Eingriffen zusammenhängen (I43A, I43B, I44A, I44B, I44C), das in der Budgetvereinbarung ausdrücklich getroffene Leistungs- und Abrechnungsverbot außer Kraft setzen könnte. Unabhängig davon, dass eine individuell getroffene Vereinbarung von Fallpauschalen generelle Wirtschaftlichkeitsgrundsätze, die in der Mindestmengenvereinbarung festgelegt sind, nicht außer Vollzug setzen kann, ist bei der in Anlage I.1 vorgenommene Vereinbarung von „Knie-TEP-DRGs“ auch zu berücksichtigen, dass nicht sämtliche endoprothetischen Versorgungen des Kniegelenks von Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung erfasst werden. So bezieht sich diese Mindestmengenregelung nicht auf die gesamte OPS-Nr. 5-822 (Implantation einer Endoprothese am Kniegelenk), sondern nur auf die unter OPS-Nr. 5-822.1**, 5-822.2**, 5-822.3**, 5-822.4**, 5-822.6**, 5-822.7**, 5-822.9** (** = 0: Nicht zementiert, 1: Zementiert, 2: Hybrid <teilzementiert>) näher bezeichneten Implantationsverfahren (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R –, Rn. 18, juris). Bereits aus diesem Grunde lässt die in Anlage I.1 vorgenommene Vereinbarung von Fallpauschalen nicht den Schluss zu, dass das Krankenhaus zu den bei den Versicherten erfolgten Eingriffen berechtigt gewesen wäre.

 

Aufgrund des in Ziffer I.1.8 der Budgetvereinbarung 2011 ausdrücklich getroffenen Leistungsverbots für Knie-TEP kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob nach der damaligen Rechtslage eine Budgetvereinbarung der Mindestmengenvereinbarung des G-BA hätte vorgehen bzw. von dieser abweichen können. Allenfalls könnte sich aus einer Budgetvereinbarung eine positive Prognose ergeben. Eine solche ist jedoch nach dem ausdrücklichen Wortlaut in Ziffer I.1.8 der Budgetvereinbarung 2011 hinsichtlich Knie-TEP nicht aufgestellt worden. Die dahingehenden Ausführungen der Beklagten sind daher irrelevant. Ebenso wenig hilft die Bezugnahme auf das Urteil des OVG NRW vom 05.11.2019 (13 A 2460/18 –, Rn. 102 ff. juris), da dieses zu der Abrechnungsebene keine Aussagen getroffen hat, sondern lediglich zu der Vereinbarungsebene.

 

Schließlich kann sich aus der Budgetvereinbarung 2010 keine positive Prognose für das Jahr 2011 ergeben.

 

Zwar waren nach der Regelung in Ziffer I.1.8 dieser Vereinbarung Knie-TEP-Eingriffe nicht ausgeschlossen. Diese Regelung galt jedoch nur in der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 (Vereinbarungszeitraum). Für die streitgegenständlichen Behandlungen, die im Jahr 2011 durchgeführt wurden, war diese Regelung damit nicht anwendbar und kann auch über die Weitergeltungsanordnung des § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG a.F. keine Anwendung finden. Auch insofern ist daher ohne Belang, ob nach der damaligen Rechtslage eine Budgetvereinbarung von der Mindestmengenvereinbarung des G-BA hätte abweichen dürfen.

 

Zunächst war die gesamte Budgetvereinbarung 2010 lediglich für den Vereinbarungszeitraum geschlossen worden. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Einleitungssatz der Vereinbarung und entspricht auch der Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG a.F.

 

Es kann dahinstehen, ob gemäß den Ausführungen der Beklagten in Bezug auf diese Vereinbarung die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG a.F. über eine Fortgeltung der Entgelte bis zum 31.10.2011 erfüllt sind. Jedenfalls aber beschränkt sich diese gesetzlich angeordnete Fortgeltung der Vereinbarung 2010 auf die vereinbarten Entgelte (insbesondere Ziffern I.1.3 und I.3 i.V.m. den jeweils genannten Anlagen; die Ziffern II. und III. sind in diesem Verfahren ohne Belang). Die Regelung in Ziffer I.1.8 der Vereinbarung galt dagegen lediglich im Vereinbarungszeitraum und nicht darüber hinaus.

 

Diese Beschränkung der Fortgeltung auf die vereinbarten und abrechnungsfähigen Entgelte ergibt sich zum einen bereits eindeutig aus dem Wortlaut der Regelungen in § 15 Abs. 2 KHEntgG a.F. Hiernach werden die für das Kalenderjahr krankenhausindividuell zu vereinbarenden Entgelte vom Beginn des neuen Vereinbarungszeitraums an erhoben (Satz 1). Wird die Vereinbarung erst nach diesem Zeitpunkt genehmigt, sind die Entgelte ab dem ersten Tag des Monats zu erheben, der auf die Genehmigung folgt, soweit in der Vereinbarung oder Schiedsstellenentscheidung kein anderer zukünftiger Zeitpunkt bestimmt ist (Satz 2). Bis dahin sind nach Satz 3 die bisher geltenden Entgelte grundsätzlich der Höhe nach weiter zu erheben (mit dort im Einzelnen geregelten Ausnahmen). Die Fortgeltung der Vereinbarung 2013 erfasst somit nur die abrechnungsfähigen Entgelte, nicht aber weitere Leistungsvoraussetzungen.

 

Zum anderen wird auch aus dem Wortlaut der Regelung in Ziffer I.1.8 der Vereinbarung 2010 deutlich, dass diese nur im Vereinbarungszeitraum gelten soll. Diese Regelung hatte folgenden Wortlaut (Hervorhebungen nur hier):

 

„Die Vertragsparteien haben bei der Vereinbarung der Leistungsstruktur die Mindestmengenvereinbarung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V berücksichtigt. Die in der o.g. Vereinbarung aufgeführten OPS/Leistungen aus den Bereichen Lebertransplantationen, Nierentransplantationen, Stammzelltransplantationen sowie der Versorgung von Früh- und Neugeborenen werden in Bezug auf den oben genannten GBA-Beschluss im Vereinbarungszeitraum 2010 nicht vereinbart und dürfen nicht abgerechnet werden.

Leistungsbereich (Mindestmenge)

Ist-Leistung 2009*

Kniegelenk Totalendoprothese (50) – Betriebsstätte 1

51

Lebertransplantationen (20)

 

Nierentransplantationen (25)

 

Komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus (10)

11

Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas (10)

10

Stammzelltransplantationen (25)

 

Früh- und Neugeborene mit einem Geburtsgewicht < 1.250 g (14)

 

Früh- und Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von 1.250 g – 1.499 g (14)

 

*Die Ist-Leistungen 2009 werden für die Leistungsbereiche aufgeführt, die nicht ausgeschlossen wurden. Sofern die Mindestmenge nicht erreicht wurde, liegt ein allgemeiner Ausnahmetatbestand gem. Anlage 2 der o.a. Mindestmengenvereinbarung vor.“

 

Auch diese Regelung nahm ausdrücklich Bezug auf den Vereinbarungszeitraum, woraus deutlich wird, dass die Vertragsparteien dieser Regelung über die Berechtigung zur Durchführung von mindestmengenrelevanten Leistungen bzw. über deren Ausschluss nur Geltung für diesen Zeitraum zukommen lassen wollten.

 

Diese Beschränkung der Fortgeltung auf die vereinbarten und abrechnungsfähigen Entgelte resultiert auch aus der systematischen Stellung des § 15 Abs. 2 KHEntgG a.F., da das KHEntgG ausschließlich die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen regelt (vgl. § 1 Abs. 1 KHEntgG). Diese werden in Vereinbarungen nach den §§ 9 bis 11 KHEntgG festgelegt, deren Laufzeit in § 15 KHEntgG bestimmt wird. Darüberhinausgehende Leistungs- und Abrechnungsvoraussetzungen, die nicht im KHEntgG geregelt werden (so z.B. die Regelungen über Mindestmengen), können somit auch nicht von der in § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG a.F. angeordneten Fortgeltung erfasst werden.

 

Auch nach deren Sinn und Zweck kann sich die Fortgeltung der Vereinbarung nur auf die Regelungen über die Entgelte beziehen und insbesondere nicht die Prognose über das voraussichtliche Erreichen der Mindestmenge erfassen. Der Gesetzgeber geht in § 15 Abs. 1 und 2 KHEntgG grundsätzlich davon aus, dass sowohl die Fallpauschalen und Zusatzentgelte (vgl. § 15 Abs. 1 KHEntgG) als auch die krankenhausindividuellen Entgelte (vgl. § 15 Abs. 2 KHEntgG) ab Beginn des Vereinbarungszeitraums, also für Patientenaufnahmen ab dem 01.01. eines Jahres, abgerechnet werden können. § 15 KHEntgG regelt jedoch auch den Fall, dass die Entgelte erst während des Vereinbarungszeitraums in Kraft treten. Grundsätzlich sind bis zum Inkrafttreten der neuen Entgelte die bisherigen Entgelte weiter zu berechnen. Zwar gilt die neue Vereinbarung für den gesamten Vereinbarungszeitraum (§ 11 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG). Es erfolgt aber keine rückwirkende Korrektur der bis dahin erfolgten Abrechnungen gegenüber dem einzelnen Kostenträger (BeckOK KHR/Vollmöller, 1. Ed. 01.05.2022, § 15 KHEntgG Rn. 2). Während der Verhandlungen und bis zum Abschluss bzw. zur Genehmigung der neuen Entgeltvereinbarung dürfen die Krankenhäuser also auf der Basis der im Vorjahr vereinbarten Entgelte abrechnen; eine rückwirkende Korrektur nach Inkrafttreten der neuen Vereinbarung, die für beide Vertragsseiten aufwändig wäre, soll unterbleiben. Dies spiegelt auch Ziffer I.3.1 der Vereinbarung wider, indem bestimmt wird, dass die Genehmigung und Umsetzung der Vereinbarung 2010 zum 01.12.2010 erfolge. Ein Bedürfnis bzw. Erfordernis zur Fortgeltung weiterer Leistungs- und Abrechnungsvoraussetzungen besteht demgegenüber nicht. Vielmehr hat das Krankenhaus der Beklagten insofern stets und in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese im Zeitpunkt der konkreten Behandlung bzw. Abrechnung vorliegen.

 

Dieses Ergebnis wird schließlich durch den Sinn und Zweck der Regelung in Ziffer I.1.8 der Budgetvereinbarung 2010 bestätigt. Zunächst wird in Satz 2 dieser Regelung hinsichtlich bestimmter mindestmengenrelevanter Leistungen festgestellt, dass diese im Vereinbarungszeitraum 2010 nicht vereinbart würden und nicht abgerechnet werden dürften. Zu den weiteren (also nicht bereits ausdrücklich ausgeschlossenen) mindestmengenrelevanten Leistungen werden in der Tabelle die jeweils geltenden Mindestmengen und die jeweils im Vorjahr (2009) erbrachten Ist-Leistungen aufgeführt. Dies zeigt, dass Ziffer I.1.8 der Vereinbarung in ihrer Gesamtheit auf dem Umstand beruht, dass – wie oben auf der Grundlage des § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellt – sich die Berechtigung eines Krankenhauses zur Erbringung von mindestmengenrelevanten Leistungen aus einer Prognose ergibt, die grundsätzlich auf der Basis der im Vorjahr erbrachten Leistungen angestellt wird. Diese Rechtslage war also den Vertragsparteien bewusst; sie wollten eine diesen Anforderungen entsprechende Regelung schaffen. Die Vertragsparteien wollten demnach eine positive Prognose darstellen, so dass das Krankenhaus berechtigt war, im Jahr 2010 Knie-TEP-Eingriffe zu erbringen.

 

Diese Prognose und die daraus folgende Berechtigung zur Erbringung dieser Leistungen konnte aber, da sie auf den Zahlen des Jahres 2009 beruhte, nur für das Jahr 2010 gelten, also den Vereinbarungszeitraum. Für das Jahr 2011 konnte diese Prognose nicht automatisch fortgelten.

 

Da im Krankenhaus der Beklagten 2010 nur 45 solcher Eingriffe durchgeführt wurden, so dass die Mindestmenge deutlich unterschritten wurde, war es offenkundig, dass eine positive Prognose für das Jahr 2011 nicht erneut aufgestellt werden konnte. Wie ausgeführt, stellten die Vertragsparteien in Ziffer I.1.8 der Vereinbarung 2011 daher auch fest, dass diese Eingriffe nicht vereinbart würden und nicht abgerechnet werden dürften. Bei dieser Sachlage kann sich die Beklagte auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen.

 

Da sie folglich nicht berechtigt war, die streitgegenständliche Behandlung durchzuführen, steht ihr auch kein Vergütungsanspruch zu.

 

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Krankenhausvergütungen nicht in entsprechender Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin hat nicht in Kenntnis ihrer Nichtschuld gezahlt. § 814 BGB setzt positive Kenntnis voraus. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung. Zur Kenntnis der Nichtschuld genügt es nicht, dass dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt; der Leistende muss vielmehr aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Eine unklare – insbesondere höchstrichterlich noch nicht geklärte – Rechtslage steht daher einer positiven Kenntnis i.S.d. § 814 BGB entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13 –, Rn. 109 f. m.w.N., juris). Im Jahr 2011, als die Klägerin die hier streitbefangenen Rechnungen der Beklagten ohne Erklärung eines Vorbehalts beglich, war die Rechtslage über die Zulässigkeit der Mindestmengenregelung für Knie-TEP in Anlage 1 Nr. 6 der Mindestmengenvereinbarung noch ungeklärt. Dies zeigt sich bereits daran, dass das LSG Berlin-Brandenburg festgestellt hatte, dass diese Mindestmengenbestimmung nichtig sei (Urteil vom 17.08.2011 – L 7 KA 77/08 KL –, juris). Infolgedessen hatte der G-BA mit dem o.g. Beschluss vom 15.09.2011 diese Regelung befristet außer Vollzug gesetzt. Diese unklare Rechtslage wurde erst durch das Urteil des BSG vom 14.10.2014 (B 1 KR 33/13 R) beseitigt.

 

Der geltend gemachte Zinsanspruch i.H.v. 2 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ergibt sich aus dem Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V und ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Der Zinsanspruch beginnt nach § 94 Satz 1 SGG ab dem 21.12.2015 (Rechtshängigkeit der Klage).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG.

 

 

Rechtskraft
Aus
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