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Frühchen-Versorgung: Kliniken missachten Mindestmengen und gefährden damit Leben

Ab 2024 gelten neue Mindestmengen für die Versorgung extremer Frühchen, doch mit der Erlaubnis von Krankenkassen und Landesregierungen missachten viele Kliniken die Vorgaben. Ein unerträgliches Vorgehen, denn es geht um das Leben von Kindern, moniert unsere Autorin.

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Für die Behandlung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm gelten künftig strengere Vorgaben. Doch nicht alle Kliniken müssen sich daran halten. | © picture alliance

Für die Behandlung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm gelten künftig strengere Vorgaben. Doch nicht alle Kliniken müssen sich daran halten. | © picture alliance

13.11.2023 | 13.11.2023, 06:00

Menschen in Not haben in keinem Krankenhaus die Garantie, dass sie bestmöglich versorgt werden. Auch dann, wenn Ärzte, Pfleger und Therapeuten alles dafür geben, besteht immer das Risiko von Fehlern und Komplikationen. Das Risiko dafür lässt sich jedoch erheblich senken, wenn Betroffene in einer Klinik behandelt werden, in der erfahrene Spezialisten arbeiten. Der Zusammenhang zwischen einer hohen Fallzahl und einer guten Behandlungsqualität ist erwiesen. Für besonders komplikationsträchtige Behandlungen gibt der Gesetzgeber deshalb Mindestmengen vor.

So eine Vorgabe gilt auch für die Versorgung extremer Frühgeborener mit einem Gewicht von unter 1.250 Gramm. Davon betroffen ist lediglich ein Prozent der Geburten in Deutschland, also etwa 7.000 Kinder pro Jahr, mit sinkender Tendenz. Doch ihre Versorgung ist hochkomplex, weshalb sie ab 2024 nur noch in Kliniken behandelt werden dürfen, die 25 solcher Patienten pro Jahr versorgen. Eigentlich, denn seit Jahren werden extreme Frühchen auch in Kliniken versorgt, die die Vorgaben dafür nicht erfüllen. Möglich machen das Ausnahmegenehmigungen der Krankenkassen und Landesregierungen, denn nur dann erhalten die Kliniken auch weiter Geld für die Versorgung.

Dabei ist wissenschaftlich belegt, dass Mindestmengen Leben retten und zu weniger Behinderungen bei Frühchen führen. Diverse Politiker und Krankenkassenfunktionäre sowie Geschäftsführer und Ärzte der Kliniken, die die Vorgaben nicht erfüllen, sagen zwar immer wieder, dass sie alles für eine bestmögliche Versorgung tun, handeln mit der Missachtung der Mindestmengen jedoch nicht entsprechend. Denn auch dann, wenn Klinikteams alles dafür tun, um das Leben eines Frühchens zu retten, haben sie bei zu geringen Fallzahlen schlicht nicht die Möglichkeit, eine Routine dafür zu entwickeln.

Klinikvertreter schüren mit Falschbehauptungen Ängste

Mit Blick auf Frühchen als schwächste Patienten im Gesundheitssystem ist es unerträglich, dass diese Klinikvertreter den Frühchen nicht nur die bestmögliche Versorgung vorenthalten, sondern zusätzlich Ängste schüren, in dem sie behaupten, dass die Schließung von Zentren die Gesundheit von Kindern und Müttern gefährden, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Zudem erklären sie sich selbst zu den Fürsprechern von Eltern, die sich vor allem kurze Fahrtwege wünschen, obwohl Frühchen-Eltern klar sagen, dass die bestmögliche Versorgung ihrer Kinder oberste Priorität hat.

Es ist also eindeutig, dass Kliniken alles dafür tun, um trotz fehlender Erfahrung weiterhin extreme Frühchen zu versorgen. Die Bürger können nur hoffen, dass die dringend notwendige und bereits begonnene Klinikreform für einen Strukturwandel sorgen wird. Denn erklärtes Ziel ist in Düsseldorf und in Berlin ja eine Verbesserung der Patientenversorgung durch die Zentralisierung von Leistungen.

Bis es soweit ist, dass die Entscheidungsträger tatsächlich alles für eine bestmögliche Versorgung tun, bleibt Bürgern nur die Möglichkeit, sich vor jedem geplanten Klinikbesuch genau darüber zu informieren, ob die Klinik der Wahl die Anforderungen für die Behandlung überhaupt erfüllt.

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