Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 10/22 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Beurlaubung - Fallzusammenführung

Verhandlungstermin 11.05.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

K. K. V. GmbH ./. AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Das klagende Krankenhaus behandelte vom 9. bis 18. Oktober 2019 einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vollstationär. Es wurde ein Rektumkarzinom mit Metastasen unter anderem in der Leber diagnostiziert. Entsprechend dem Votum der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde eine operative Rektumresektion mit intraoperativer Abklärung der Leberläsionen beschlossen; als Operationstermin wurde der 24. Oktober 2019 vorgesehen. Am Entlassungstag war die Wiederaufnahme für den 23. Oktober 2019 vorgesehen. Der Versicherte wurde am 23. Oktober 2019 erneut aufgenommen und am Folgetag operiert. Dabei wurde festgestellt, dass das Karzinom nicht operabel war. Der Versicherte wurde am 5. November 2019 in die hausärztliche Behandlung entlassen.

Für den Aufenthalt vom 9. bis 18. Oktober 2019 berechnete das Krankenhaus 1909,27 Euro auf der Grundlage der Fallpauschale G60B, die die Krankenkasse beglich. Für den Aufenthalt vom 23. Oktober bis 5. November 2019 berechnete das Krankenhaus weitere 8489,36 Euro auf der Grundlage der Fallpauschale G18C. Die Krankenkasse beglich diese Rechnung nicht und machte nach Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung geltend, die beiden Abrechnungsfälle seien zusammenzuführen. Die Behandlung sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Wegen der im Zeitpunkt der Entlassung bereits geplanten Wiederaufnahme des Versicherten liege ein typischer Beurlaubungssachverhalt vor.

Nach Klageerhebung hat die Krankenkasse an das Krankenhaus 6480,09 Euro gezahlt. Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung weiterer 2009,27 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landessozialgericht zurückgewiesen. Das Krankenhaus habe beide Behandlungsfälle korrekt abgerechnet. Die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung hätten nicht vorgelegen. Die Krankenkasse könne auch nicht geltend machen, das Krankenhaus habe nur Anspruch auf diejenige Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre. Die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei mit der Einfügung des § 8 Absatz 5 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz zum 1. Januar 2019 überholt.

Mit ihrer Revision rügt die Krankenkasse sinngemäß die Verletzung von § 12 Absatz 1 SGB V.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Koblenz, S 1 KR 101/21, 23.09.2021
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, L 5 KR 212/21, 07.04.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 16/23.

Terminbericht

Die Revision der Krankenkasse hatte keinen Erfolg. Das Krankenhaus durfte die beiden Behandlungsfälle getrennt abrechnen. Die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung nach der Fallpauschalenvereinbarung 2019 lagen nicht vor. Einer Kürzung der Vergütung unter Zugrundelegung der vom Senat hierzu aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot entwickelten Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens steht seit dem 1. Januar 2019 § 8 Absatz 5 Satz 3 Krankenhausentgeltgesetz entgegen. Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus ist seither abschließend den Vertragsparteien der Fallpauschalenvereinbarung zugewiesen. Diesen steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, bei dem sie die Grundsätze des Wirtschaftlichkeitsgebots beachten müssen (§ 17b Absatz 2 Satz 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz). Sie dürfen dabei auch aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität Verallgemeinerungen in Form von Generalisierungen, Pauschalierungen oder Standardisierungen vornehmen. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien der Fallpauschalenvereinbarung 2019 Ausnahmen vorgesehen, die hier einer Fallzusammenführung entgegenstehen. Unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Vertragsparteien begegnet dies keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wirtschaftlichkeit einer Entlassung und Wiederaufnahme im Einzelfall nicht zu überprüfen ist, gilt für Missbrauchsfälle. Ein solcher liegt vor, wenn für die Entlassung im konkreten Einzelfall überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich ist und diese offensichtlich allein dazu dient, eine weitere Fallpauschale zu generieren. Ein solcher Missbrauchsfall lag nach den vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen hier nicht vor.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/23.

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