Die Einführung der diagnosebezogenen Fallgruppen (engl. „diagnosis related groups“ [DRG]) zur Abrechnung stationärer Krankenhausleistung war einer der Hauptaspekte der zunehmenden Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesens aus gesundheitspolitischer Sicht. Ob und inwieweit dieser umstrittene Wandel in der Leistungsvergütung zu einer Kostenersparnis und besseren Nutzung der Ressourcen im Deutschen Gesundheitssystem geführt hat, ist jedoch bis heute umstritten und wird kontrovers diskutiert.

Hintergrund und Fragestellung

Die DRGs wurden in Deutschland ab dem 01.01.2003 auf gesetzlicher Grundlage des § 85 Sozialgesetzbuch V (SGB) sowie des § 17 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes eingeführt und lösten damit – bis auf in psychiatrischen und Rehabilitationskliniken – das zuvor vorhandene Mischsystem zur Abrechnung im stationären Gesundheitssektor ab, welches auf Pflegesätzen, Fallpauschalen und Sonderentgelten basierte. Nach einer Übergangszeit von 12 Monaten wurde die Verwendung des DRG-Modells ab dem 01.01.2004 verpflichtend, wobei aufgrund von noch nicht abgeschlossenen Budgetverhandlungen viele Kliniken erst im Jahr 2005 auf das neue Abrechnungssystem wechselten [1]. Die Einführung des DRG-Systems wurde insbesondere aus medizinischen Fachkreisen kritisiert, da eine zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens befürchtet und eine deutlich erhöhte Arbeitsbelastung von pflegendem und ärztlichem Personal vorhergesagt wurde. Zudem führte die mit den DRGs eingeführte obere Verweildauer für stationäre Aufenthalte zu Kritik, da diese kürzere Krankenhausverweildauern, eine frühzeitige Entlassung von Patienten trotz vielleicht noch nicht abgeschlossener Diagnostik oder Behandlung aus ökonomischen Gesichtspunkten forciert und somit eine höhere Rate von Komplikationen nach der Entlassung mit Wiederaufnahme befürchtet wurde („Drehtüreffekt“). Nach nunmehr fast 20 Jahren seit der Einführung der DRGs scheint das Ziel einer Eindämmung des Kostenanstiegs in der Gesundheitsversorgung durch diese Reform verfehlt. Die DRG-basierte Kostenkompensation birgt das Problem, eine Deckung der tatsächlich entstehenden Aufwendungen insbesondere bei komplexen Fällen nicht zu erreichen [2, 24, 25]. Auch aus medizinethischen Aspekten wurde die DRG-Einführung deutlich kritisiert [16]. Die stationären Behandlungskosten sind einer der Hauptkostenfaktoren bei den epilepsiebezogenen Ausgaben im deutschen Gesundheitswesen [18, 29, 30].

Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Auswirkungen der Einführung der DRGs auf die Krankenhausverweildauer und die Häufigkeit der stationären Aufnahmen von Menschen, die aufgrund von Epilepsie in Deutschland zwischen den Jahren 2000 und 2020 stationär behandelt wurden, zu analysieren und potenzielle Konsequenzen zu diskutieren.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Ausgangsdaten.

Die vorliegende Auswertung basiert auf frei verfügbaren populationsbasierten Daten zur stationären Versorgung von Menschen mit Epilepsie, die vom Statistischen Bundesamt auf dem Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zum Europäischen Tag der Epilepsie am 14.02.2022 veröffentlicht wurden (http://www.gbe-bund.de/gbe/k?k=WA52288). Die Selektion von Patienten basiert hierbei auf dem ICD-10 Code G40.0–G40.9. Zudem wurden für die Erfassung krankenhausspezifischer Leistungen die epilepsiespezifischen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 1‑210 (Nichtinvasive präoperative Video-EEG-Intensivdiagnostik), 1‑211 (Invasive präoperative Video-EEG-Intensivdiagnostik), 1‑213 (Syndromdiagnose bei komplizierter Epilepsie) und 8‑972 (Komplexbehandlung bei schwerbehandelbarer Epilepsie) berücksichtigt, wobei sich die angegebenen Zahlen nur auf Akutaufenthalte bzw. stationäre Aufnahmen zwecks Diagnostik und Therapie und nicht auf Rehabilitationsaufenthalte beziehen. Diese Angaben waren erst ab 2005 verfügbar, da das aktuell gültige OPS-System erst 2004 durch das Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eingeführt wurde. Aus den vorhandenen Fallzahlen wurden für jedes Kalenderjahr zwischen 2000 und 2020 der prozentuale Anteil von Stundenfällen (< 24 h Krankenhausaufenthalt) sowie von Aufnahmen mit einer Krankenhausverweildauer von 1 bis 3 Tagen, 4 bis 7 Tagen, 8 bis 14 Tagen, 15 bis 21 Tagen und > 21 Tagen berechnet und als Ausgangsdaten für die Zeitreihenanalyse genutzt.

Datenanalyse und Handhabung.

Die Zeitreihenanalyse (engl. Time-Series Analysis [TSA]) der Daten erfolgte mittels der frei verfügbaren RITS-Toolbox (Robust Interrupted Time Series Toolbox) der KAUST Biostatistics Research Group (King Abdullah University of Science and Technology, Thuwal, Saudi Arabien, https://biostatistics-kaust.github.io/robust_time_series_toolbox/) [5]. Eine Zeitreihenanalyse ist ein quasi-experimentelles Analyseverfahren, das entwickelt wurde, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit einer Intervention zu ziehen, wobei gleichzeitig die komplexe zeitliche Abhängigkeit innerhalb eines analysierten Systems berücksichtigt wird [3,4,5]. Bei einer unterbrochenen Zeitreihenanalyse (Interrupted Time Series Analysis [ITSA]) wird hierbei von einem Ereignispunkt ausgegangen, welcher dem System entweder vorgegeben werden kann oder näherungsweise durch die ITSA selbst bestimmt wird. Die hier verwendete RITIS-Toolbox nutzt die zuletzt genannte Möglichkeit und analysiert die Daten frei nach einem Änderungspunkt (engl. „change point“). Bei der vorliegenden Auswertung wurde der statistisch errechnete Änderungspunkt verwendet, der Unterschied zwischen dem prä- und postinterventionellen Trend (engl. „slope/trend estimate“) wurde mittels Supremum Wald-Test analysiert, wobei p-Werte < 0,05 als signifikant gewertet wurden. Aufgrund der deskriptiv gehaltenen Interpretation der Analysewerte wurde auf eine Post-hoc-Korrektur der Werte für multiples Testen verzichtet. Die Ergebnisse der Zeitreihenanalysen wurden mittels Prism 9 (GraphPad Software Inc.) graphisch aufgearbeitet, die Abbildungen mittels Pixelmator Pro (Pixelmator Team Ltd.) erstellt.

Ergebnisse

Fallzahlen und mittlere Krankenhausverweildauer

Die mittlere Fallzahl pro Jahr belief sich zwischen 2000 und 2020 auf 134.982 ± 962 Fälle mit einem Minimum von 122.992 stationären Fällen im Jahr 2000 und einem Maximum von 147.961 Fällen im Jahr 2016. Im Jahr 2020 mit Beginn der COVID-19-Pandemie lag die Fallzahl bei 124.126. Detaillierte Fallzahlen und die weitere Aufschlüsselung kann den Originaldaten entnommen werden, die im Internet frei verfügbar sind. Die mittlere Dauer der stationären Aufenthalte lag zwischen 2000 und 2020 bei 7,0 Tagen ± 1,0 Tag, wobei sich die Krankenhausverweildauer von einem Maximum im Jahr 2000 von 9,3 Tagen stetig auf ein Minimum von 5,6 Tagen im Jahr 2017 reduzierte und seither bis 2020 konstant bei diesem Wert lag.

Veränderungen des Anteils unterschiedlicher Krankenhausverweildauern

Der prozentuale Anteil unterschiedlicher Krankenhausverweildauerkategorien zwischen 2000 und 2020 ist in Abb. 1 dargestellt und verdeutlicht eine deutliche Zunahme des Anteils von Fällen mit kürzerer bei zugleich Abnahme von Fällen mit längerer Krankenhausverweildauer. Die Tab. 1 zeigt den statistischen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Krankenhausverweildauerkategorien im Jahr 2020 verglichen mit denen aus 2000, wobei sich eine deutliche Zunahme von 17,5 % von Fällen mit einer Krankenhausverweildauer von 1 bis 7 Tagen (p < 0,001) bei zudem deutlicher Abnahme von Stundenfällen und Fällen mit einer Krankenhausverweildauer von > 7 Tagen zeigt.

Abb. 1
figure 1

Mittlere Krankenhausverweildauer sowie Anteile unterschiedlicher Krankenhausverweildauern von Patienten mit Epilepsie in Deutschland zwischen den Jahren 2000 und 2020. a zeigt hierbei einen mittels Zeitreihenanalyse der mittleren Krankenhausverweildauer aufgedeckten nicht signifikanten Trendwandel der Krankenhausverweildauer im Jahr 2006. In b sind die Anteile der Fälle mit unterschiedlicher Verweildauer an der Gesamtfallzahl dargestellt, es zeigt sich eine deutliche Zunahme der Fälle von Patientenfällen mit kurzer Krankenhausverweildauer (blau). Die vertikalen gestrichelten Linien verdeutlichen den jeweiligen Beginn der fakultativen (2003) und obligaten (2004) Nutzung der DRGs sowie den Beginn der Sanktionierungen bei Nichteinhalten der Kriterien (2006). Die Zeitreihenanalyse wurde mit der RITS-Toolbox der KAUST Biostatistics Research Group durchgeführt (Thuwal, Saudi Arabien)

Tab. 1 Veränderungen der Anteile unterschiedlicher Krankenhausverweildauern an der Gesamtfallzahl im Jahr 2020 verglichen mit denen aus 2000

Ergebnisse der Zeitreihenanalyse

Eine Zeitreihenanalyse unter Verwendung der mittleren Krankenhausverweildauer zwischen 2000 und 2020 erbrachte keinen signifikanten Trendwechsel in Bezug auf die mittlere Krankenhausverweildauer. Die Analyse identifizierte jedoch das Jahr 2006 als am ehesten mit einem Trendwechsel assoziiert (Abb. 1). Eine Zeitreihenanalse unter Verwendung der unterschiedlichen Verweildauerkategorien erbrachte für alle untersuchten Kategorien signifikante Trendwandel mit eindeutig zu identifizierenden Zeitpunkten. So lag der signifikante Änderungspunkt (jeweils p < 0,001) laut Zeitreihenanalyse für Stundenfälle im Jahr 2005 und für die Krankenhausverweildauer von 1 bis 3, 4 bis 7, 8 bis 14, 15 bis 21 und > 21 Tagen in den Jahren 2006, 2009, 2006, 2008 bzw. 2007 (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Zeitreihenanalysen von Stundenfällen (a) sowie Fällen mit 1 bis 3 Tagen (b), 4 bis 7 Tagen (c), 8 bis 14 Tagen (d), 15 bis 21 Tagen (e) sowie über 21 Tagen Krankenhausverweildauer (f) mit dem jeweils errechneten Zeitpunkt der Trendwende und Angabe der p-Werte. Die vertikalen gestrichelten Linien verdeutlichen den jeweiligen Beginn der fakultativen (2003) und obligaten (2004) Nutzung der DRGs sowie den Beginn der Sanktionierungen bei Nichteinhalten der Kriterien (2006). Die Zeitreihenanalysen wurden mit der RITS-Toolbox der KAUST Biostatistics Research Group durchgeführt (Thuwal, Saudi Arabien)

Spezielle epileptologische Krankenhausaufenthalte

Zwischen dem Jahr 2005 und 2015 war eine deutliche Zunahme der Fallzahlen für stationäre, nichtinvasive prächirurgische und differenzialdiagnostische Video-EEG-Monitoring-Aufnahmen (OPS 1‑210) zu verzeichnen mit einem besonders deutlichen Anstieg ab 2012. Die mittlere jährliche Fallzahl der OPS 1‑210 lag im beobachteten Zeitraum bei 2682 ± 1034 Fällen, Median 2122 Fälle, mit einem Minimum von 1754 Fällen im Jahr 2005 und einem Maximum von 4889 Fällen im Jahr 2015. Die mittlere jährliche Fallzahl von Syndromdiagnosen bei komplizierten Epilepsien (OPS 1‑213) lag im beobachteten Zeitraum bei 1783 ± 296 Fällen, Median 1831 Fälle, mit einem Minimum von 1336 Fällen im Jahr 2006 und einem Maximum von 2266 Fällen im Jahr 2015. Die mittlere jährliche Fallzahl von Epilepsiekomplexbehandlungen (OPS 8‑972) lag im beobachteten Zeitraum bei 5585 ± 964 Fällen, Median 5993 Fälle, mit einem Minimum von 4158 Fällen im Jahr 2006 und einem Maximum von 6631 Fällen im Jahr 2015. Somit ließ sich auch in Bezug auf die OPS 1‑213 und 8‑972 eine deutliche Zunahme der jährlichen Fallzahlen seit dem Jahr 2005 verzeichnen. Im Gegensatz hierzu zeigte sich die jährliche Fallzahl invasiver Video-EEG-Monitoring-Aufenthalte (OPS 1‑211) im beobachteten Zeitraum nahezu konstant mit im Mittel 140 ± 17 Fällen, Median 133 Fälle, mit einem Minimum von 117 Fällen im Jahr 2010 und einem Maximum von 170 Fällen im Jahr 2015 (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Entwicklung der epilepsiespezifischen stationären Leistungen nach den OPS 1‑210, 1‑211, 8‑972 und 1‑213 dargestellt, welche seit 2005 bis auf die Syndromdiagnose bei komplizierter Epilepsie (1-213) allesamt tendenziell zunahmen

Stationäre Rehabilitationsbehandlungen

Die mittlere Fallzahl von Patienten in Rehakliniken zwischen 2003 und 2020 lag bei 1587 ± 193 Fällen, Median 1592 Fälle, mit einem Minimum von 1269 Fällen im Jahr 2003 und einem Maximum von 1939 Fällen in 2019. Zwischen den Fallzahlen von 2003 (n = 1269) und 2020 (n = 1577) gab es eine Zunahme von 308 Fällen pro Jahr. Die mittlere Krankenhausverweildauer von Patienten mit Epilepsie in Rehakliniken lag zwischen 2003 und 2020 im Mittel bei 28,2 Tagen ± 0,5 Tage, Median 28,2 Tage, mit einem Minimum von 27,6 Tagen im Jahr 2010 und 2012 und einem Maximum von 29,6 im Jahr 2004. Im Jahr 2020 lag die mittlere Verweildauer in Rehakliniken bei 28,1 Tagen und entspricht weiterhin einer üblichen stationären Rehabilitationsdauer von etwa 4 Wochen.

Diskussion

Ziel dieser Arbeit war es, die subjektiv deutliche Abnahme der Dauer stationärer Behandlungen bei Patienten mit Epilepsie zwischen den Jahren 2000 und 2020 mittels Zeitreihenanalyse aufbauend auf Daten des Statistischen Bundesamtes zu belegen und auf einen zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung der DRG-basierten Abrechnung zu überprüfen.

Auch wenn der seit dem Jahr 2000 zu beobachtende Trend hinsichtlich einer abnehmenden mittleren Verweildauer in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Epilepsie bis 2020 nahezu linear verlief, konnte mittels Zeitreihenanalyse ein sichtbarer, jedoch nicht signifikanter Trendwechsel im Jahr 2006 festgestellt werden. Durch die nähere Untersuchung einzelner Krankenhausverweildauerkategorien konnte zudem eine signifikante, zeitlich mit der Einführung der DRGs in Deutschland assoziierte Veränderung der Fallzahlen nachgewiesen werden. Hierbei zeigte sich neben einer deutlichen Zunahme von kurzen Krankenhausaufenthalten mit einer Krankenhausverweildauer („length of stay“, LOS) von 1 bis 3 Tagen auch eine Unterbrechung des vor 2005 zu beobachtenden Trends zu weniger Stundenfällen bzw. ambulant/teilstationär verrechneten Aufenthalten (LOS < 1 Tag) sowie eine Tendenz zu weniger Fällen mit einer Krankenhausverweildauer von 4 bis 7 Tagen. Für Fälle mit einer Krankenhausverweildauer von > 7 Tagen konnte zwischen 2006 und 2008 ebenfalls ein signifikanter Trendwechsel im Sinne einer Stagnation der zuvor fallenden Fallzahlen nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse sind mit einer Veröffentlichung des „Benchmarking & Quality Management“-Komitees der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vereinbar, die nach Einführung der DRG-basierten Abrechnung eine Abnahme der Krankenhausverweildauer zwischen 2015 und 2017 um 17 % auf im Mittel 5,4 Tage im Hinblick auf alle neurologischen Fälle aufgezeigt hat [19]. Hierbei lag die mittlere Verweildauer bei Patienten mit Epilepsie mit 5,6 Tagen im Jahr 2017 leicht über der Krankenhausverweildauer aller neurologischen Fälle. Auch in den USA konnte bereits wenige Jahre nach Einführung der DRG eine deutliche Verkürzung der mittleren Krankenhausverweildauer für Fälle mit neurologischer Diagnose um etwa 7 % bei zugleich um ca. 12 % steigender Fallzahl aufgezeigt werden [14]. Nach Einführung der DRG-basierten Abrechnung in der Schweiz war innerhalb der ersten 12 Monate noch keine Auswirkung auf die mittlere Verweildauer zu beobachten, was ebenfalls gut mit den vorliegenden Daten sowie der diskutierten Literatur vereinbar scheint und die langzeitige Umstrukturierung der Verweildauern in diesem Kontext betont [23]. Im gleichen Zeitraum konnte keine vergleichbare bzw. signifikante Verkürzung der mittleren Verweildauer bei stationären Rehabilitationsleistungen beobachtet werden, welche überwiegend auch weiterhin nicht DRG-basiert abgerechnet werden. Dies unterstreicht den beschriebenen Effekt der Umstellung des Vergütungssystems im akutmedizinischen Bereich auf die Dauer der Krankenhausaufenthalte.

Der errechnete Zeitpunkt, auf den der Trendwechsel der Fallzahlentwicklung retrospektiv datiert wurde, lag je nach Verweildauerkategorie in den Jahren 2005 bis 2009 (Abb. 2). Die zeitliche Varianz der Trendwechsel ist sicherlich zu einem gewissen Maß durch die genutzte Methode und die Datenbasis zu erklären. Da die Fallzahlen nur jährlich und nicht monatlich oder sogar täglich vorliegen, können diese zu einer Verzerrung des Endergebnisses führen [3,4,5]. Andererseits wäre auch die prolongierte Umsetzung der DRG-Einführung in Deutschland eine weitere mögliche Erklärung. Nach der fakultativen Einführung der DRG-Abrechnung im Jahr 2003 und deren verpflichtender Nutzung ab dem Jahr 2004 dauerte es tatsächlich noch bis zum Jahr 2010, bis das DRG-System im vollständigen Echtbetrieb umgesetzt worden war. Wenn man bedenkt, dass 2003 mit etwa 600 Fallgruppen begonnen worden war und 2012 bereits ca. 1200 Fallgruppen existierten, können nachträgliche Modifikationen des DRG-Systems und die rasante Erhöhung von dessen Komplexität und Detailgrad ebenfalls unterschiedliche Auswirkungen auf Krankenhausverweildauern gehabt und somit die unterschiedliche Datierung der Trendwechsel begünstigt haben [8].

In Bezug auf spezialisierte epileptologische stationäre Krankenhausaufenthalte lagen leider nur Daten aus den Jahren 2005 bis 2015 zur Auswertung vor. Hier zeigte sich, dass sowohl die Anzahl stationärer Video-EEG-Monitorings als auch die von Epilepsiekomplexbehandlungen und Syndromdiagnosen bei komplizierter Epilepsie im beobachteten Zeitraum deutlich zunahm. In Bezug auf die OPS 1‑210 (Nichtinvasive präoperative Video-EEG-Intensivdiagnostik) war ab 2012 eine deutliche Zunahme der jährlichen Fallzahlen zu verzeichnen. Dies scheint auch dadurch mitbedingt, dass seit 2012 auch Patienten mit psychogenen, nichtepileptischen Anfällen (PNEA) als Differenzialdiagnose zu epileptischen Anfällen unter 1‑210 abgerechnet werden können (www.dimdi.de, OPS Version 2012). Auch die langsame Zunahme der Anzahl von spezialisierten Epilepsiezentren auf aktuell mehr als 40 und deren Ausbau in Deutschland hat sicher zu dem beschriebenen Anstieg der Zahlen für die OPS 1‑210, 8‑972 und 1‑213 beigetragen. Die Anzahl invasiver Video-EEG-Monitorings, welche mittlerweile als sichere Diagnoseverfahren an mehreren Epilepsiezentren in Deutschland etabliert sind, zeigte nur einen geringen Zuwachs an Fällen pro Jahr, was a. e. durch die begrenzten zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie Anzahl der für eine invasive Diagnostik motivierbaren Patienten bedingt scheint [15, 22, 26]. Ob sich durch die Einführung der stereotaktischen Laserablation eine Änderung epilepsiechirurgisch behandelter Patienten ergibt, wird es in den nächsten 10 Jahren abzusehen sein [10, 11].

Ob und inwieweit die DRG-Einführung in Deutschland zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung geführt hat, wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert [1, 6, 20]. Durch ärztliche Verbände wurde im Jahr 2021 sogar eine Petition zur Abschaffung der DRG-basierten Abrechnung ins Leben gerufen [17], u. a. nachdem eine Studie aus 2020 unter anderem die schlechte Transparenz sowie die Inhomogenität des DRG-Systems kritisiert und dessen Mitschuld an der vermehrten Privatisierung im medizinischen Sektor sowie dem Stellenabbau diskutiert hatte [21]. Eine deutsche Studie zeigte eine deutliche Veränderung der Bedingungen für das ärztliche und pflegerische Personal in Kliniken nach der DRG-Umstellung auf. So war ein Anstieg geleisteter Überstunden bei zudem relevanter Reduktion der aufgewendeten Arbeitszeit für Literaturstudium und Forschung bei ansteigender zusätzlicher Last durch administrative Aufgaben zu beobachten. Bei unveränderter Regelarbeitszeit konnte zu dieser ohnehin relevanten Tendenz zu mehr abrechenbaren Leistungen im Berufsalltag eine deutliche Arbeitsverdichtung in Bezug auf medizinische Tätigkeiten in Bereitschaftsdiensten verzeichnet werden. Der Anteil des subjektiv überlasteten ärztlichen Personals nahm nach DRG-Einführung von 31 % auf 36 % zu, was ebenfalls als Folge einer Arbeitsverdichtung interpretiert wurde. Auch war eine deutliche Reduktion der sozialen und emotionalen Teilhabe im direkten Patientenkontakt sowohl für den pflegerischen als auch für den ärztlichen Bereich zu beobachten [9]. Auch wirtschaftlich sowie prozedural ist die Einführung der DRGs abschließend nicht zwingend als erfolgreich zu bewerten, wobei insbesondere Fehlanreize in der Mengensteuerung, der Qualitätsmessung sowie Probleme in der intersektoralen Zusammenarbeit zu nennen sind und Optimierungsfelder darstellen [1]. Zur Verbesserung der pflegerischen Situation in deutschen Akutkrankenhäusern wurden 2022 die Pflegekosten aus dem DRG-System ausgegliedert mit dem Ziel, eine adäquatere und nicht im Hinblick auf die Verweildauer gedeckelte Finanzierung von Pflegeleistungen zu gewährleisten. Auch diese Modifikation des DRG-Systems wurde im Vorfeld insbesondere aufgrund der aufwendigen Neuverhandlungen von Pflegesätzen mit den Krankenkassen kritisiert [12]. Ob und inwieweit dies zu einer tatsächlichen Verbesserung der Pflegesituation führt, bleibt abzuwarten.

Wie jede retrospektive Arbeit kann auch diese Arbeit bestimmten methodischen oder gesellschaftlichen Einflüssen unterliegen, die einen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben könnten. Hier ist insbesondere für das letzte Jahr der erfassten Daten im Jahr 2020 die SARS-CoV-2-Pandemie zu nennen, die einen mittlerweile nachweisbaren Einfluss auf die Versorgung von Menschen mit Epilepsie sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor in Deutschland gehabt hat [7, 13, 27]. Die Entscheidung, die Fallzahlen und Verweildauern aus 2020 mit in die Analyse einfließen zu lassen, fiel einerseits aus Gründen der vollständigen Abbildung der Daten, andererseits aber auch aus statistischen Aspekten, um für die Zeitreihenanalyse ein größtmögliches Maß an Datenpunkten vorhalten zu können. Zudem können methodisch bedingt Fehlkodierungen die Fallzahl und Verweildauer verzerrt haben, was aufgrund der Anzahl der Gesamtfälle jedoch kaum ins Gewicht fallen sollte.

Schlussfolgerung/Fazit für die Praxis

Die Einführung der DRGs zur Abrechnung stationärer Fälle hat eine nachweisbare, statistisch signifikante Auswirkung auf die Krankenhausverweildauer von Menschen mit Epilepsie in Deutschland gehabt und insbesondere zu einer Zunahme kurzer und Abnahme längerer Krankenhausaufenthalte geführt. Im Gegensatz zu anderen gesundheitspolitischen Maßnahmen, die z. B. einen deutlichen kostendämpfenden Effekt auf die Preisentwicklung von Antikonvulsiva hatten, ist der wirtschaftliche Benefit des DRG-Systems im Bereich der Neurologie umstritten [28]. Negative Auswirkungen auf die Behandlungsqualität sind in Anbetracht der hieraus resultierenden Arbeitsverdichtung zu vermuten, jedoch nach aktueller Datenlage nicht sicher zu objektivieren.