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Pflegekräfte in Münchner Kliniken: Bayerische Regierung hat "Überblick völlig verloren"

Eine Antwort auf eine Anfrage des bayerischen Grünen-Abgeordneten Florian Siekmann zeigt: Der Bedarf an Pflegekräften ist bei den Kliniken in der Hand des Freistaats Bayern groß. Wie groß? Das weiß die Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern selbst nicht so genau.
| Lisa Marie Albrecht
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Eine Pflegekraft in einer Klinik. Es fehlen flächendeckend Pflegekräfte - auch in Bayern.
Eine Pflegekraft in einer Klinik. Es fehlen flächendeckend Pflegekräfte - auch in Bayern. © dpa

München - Es ist mittlerweile ein Dauerbrenner geworden: In der Pflege fehlt Personal, auch in Bayern, und der Bedarf dürfte in Zukunft noch deutlich steigen.

Erst im März warnte Andrea Nahles, Vorstandschefin der Bundesagentur für Arbeit, bei einem Termin mit dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), die Zahl der zu Pflegenden werde in Bayern von derzeit 400.000 bis zum Jahr 2030 auf 487.000 steigen.

Personalmangel in der Pflege: Freistaat Bayern verliert den Überblick

Umso erstaunlicher ist es, dass zumindest für die staatlichen Kliniken in München der Freistaat offenbar gar nicht so genau weiß, wie viele Fachkräfte denn nun konkret benötigt werden.

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Aus der Antwort auf eine Anfrage des stellvertretenden Grünen-Fraktionsvorsitzenden Florian Siekmann, die der AZ exklusiv vorliegt, geht hervor: Der Personalbedarf an Pflegekräften im LMU-Klinikum, im Klinikum rechts der Isar und im Münchner Herzzentrum – allesamt in der Hand des Freistaats – ist für die Staatsregierung offenbar eine Blackbox.

Minister Markus Blume (CSU): "Regierung kann keine valide Aussage machen"

Der zuständige Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) teilt auf die Frage nach der Personallücke an den Kliniken in den nächsten fünf Jahren mit: "Da der Bedarf von vielen Faktoren wie Fluktuation, Renteneintritten und Gesetzesänderungen abhängt, kann hierzu von der Staatsregierung keine valide Aussage gemacht werden."

Siekmann sagt der AZ: "Das hat mich wirklich erschüttert. Die Staatsregierung und der zuständige Minister Blume haben offenbar völlig den Überblick verloren." 2021 noch konnte die Staatsregierung für die drei Kliniken zumindest einen zusätzlichen Personalbedarf von 630 Vollzeitkräften benennen.

Opposition kritisiert: Wird da Problemen aus dem Weg gegangen?

Woher diese plötzliche Leerstelle? "Ich sehe da nur zwei Möglichkeiten, beide gefallen mir nicht", so Siekmann. "Entweder man will nicht wissen, wie groß das Problem ist oder man versucht, es zu verschleiern, indem man sich um die Antworten drückt. Beides geht zulasten der Patientinnen und Patienten, der Kliniken und auch der derzeitigen Mitarbeitenden."

Fachkräftemangel in den Münchner Kliniken schlimmer als gedacht

Wie aus der Antwort ebenfalls hervorgeht, sind im Moment im Deutschen Herzzentrum etwa 90 Pflegekraft-Stellen unbesetzt, im Rechts der Isar etwa 200 und im LMU-Klinikum sogar 473 Stellen.

Florian Siekmann (Grüne) hat erst kürzlich eine Pflege-Schicht am LMU-Klinikum absolviert.
Florian Siekmann (Grüne) hat erst kürzlich eine Pflege-Schicht am LMU-Klinikum absolviert. © privat

Geht man davon aus, dass mindestens noch so viele zusätzliche Fachkräfte benötigt werden wie 2021, ergibt sich rein rechnerisch schon jetzt insgesamt eine Personallücke von knapp 1.400 Stellen für die Kliniken.

Die Auswirkungen der Fachkraftmisere sind im Vergleich zu 2021 nochmal dramatischer geworden: Blume teilt mit, dass inzwischen in allen drei Kliniken des Freistaats die Personaluntergrenzen jetzt oder in den vergangenen zwei Jahren zumindest monatsweise unterschritten wurden. 2021 hatte die Staatsregierung eine Unterschreitung für 2019 nur im LMU-Klinikum eingeräumt.

Siekmann fordert: Mehr Aus- und Weiterbildung in der Pflege

Den aktuellen Daten zufolge wurden hier sowohl 2022 als auch 2021 durchgängig, also "in allen Monaten", Personaluntergrenzen gerissen. Wie aber das Problem lösen? Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende hat erst kürzlich eine Frühschicht auf einer Station der Herzchirurgie im LMU-Klinikum absolviert und sich dabei unter den Pflegekräften umgehört.

Ein wichtiger Punkt: "Sie wünschen sich Karrieremöglichkeiten", sagt der 28-Jährige. Es gehe natürlich um gute Bezahlung, aber auch darum, "dass es sich lohnt, in der Pflege dranzubleiben, in die Aus- und Weiterbildung zu gehen."

"Bayern ist Schlusslicht" bei Anerkennung von ausländischen Fachkräften

Weitere Handlungsfelder seien insbesondere in München die hohen Lebenshaltungskosten, denen man zum Beispiel mit einer Verdopplung der sogenannten Ballungsraumzulage von derzeit 136,21 Euro begegnen könnte.

Das sei aber nicht geplant, wie es in der Antwort auf die Anfrage Siekmanns heißt. Darüber hinaus müssten ausländische Berufsabschlüsse in der Pflege schneller anerkannt werden, so Siekmann. "Bayern ist nach wie vor eines der Schlusslichter bei den Anerkennungszeiten."

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13 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Herr Gamsbichler am 14.05.2023 09:59 Uhr / Bewertung:

    Das hier ist das beste Beispiel das wir mit unserer Migrationspolitik völlig auf dem falschen Dampfer sind.

  • SL am 14.05.2023 18:28 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Herr Gamsbichler

    Wieso? Damit kommen doch viele Fachkräfte vor allem für den Pflegebereich ins Land. Auch Mediziner und Schwestern.

  • Tthomas am 13.05.2023 21:25 Uhr / Bewertung:

    Die Grünen wirtschaften alles in Grund und Boden. Einem Kinderbuchautor kann man aber auch keinen Vorwurf machen. Er bemüht sich ja.