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Krankenkassen bleiben hart: Deutliche Absage an Nierenzentrum in Fulda

Zwei Ärzte (Mitte) arbeiten in einem Transplantationszentrum in Leipzig bei einer Operation. In Fulda steht dessen Fortbestand aktuell auf der Kippe (Symbolfoto).
Zwei Ärzte arbeiten in einem Transplantationszentrum in Leipzig bei einer Operation. In Fulda steht dessen Fortbestand aktuell auf der Kippe. (Symbolfoto) © Waltraud Grubitzsch/dpa

Die hessischen Krankenkassen sehen keinen Spielraum, um einer Ausnahmegenehmigung für das Nierentransplantationszentrum am Klinikum Fulda zuzustimmen. Die Zahl der Eingriffe sei zu gering. Die hohe medizinische Qualität in Fulda lassen die Kassen nicht als Argument gelten.

Fulda - Seit dem Jahr 2000 werden am Klinikum Fulda Nieren transplantiert. Dieses Organ einem Menschen zu entnehmen und es in einem anderen Menschen zum Funktionieren zu bringen, das schaffen nur wenige Krankenhäuser – in Hessen ganze drei: nämlich Kliniken in Frankfurt, in Gießen-Marburg und in Fulda.

Fulda: Krankenkassen erteilen Nierenzentrum deutliche Absage

Seit dem Jahr 2005 gilt eine Mindestzahl. Ein Krankenhaus, das Nieren verpflanzen will, muss im Jahr mindestens 25 Eingriffe vorweisen. Das Sozialministerium konnte aber Ausnahmen zulassen. Und das hat es für Fulda immer getan. Bis jetzt. Seit diesem Jahr muss nicht nur das Ministerium einer Ausnahme zustimmen, sondern auch die Krankenkassen müssen das tun. Das lehnten Ministerium und Kassen für Fulda aber ab.

Die Kommunalpolitik in Osthessen ging daraufhin auf die Barrikaden. Die Fuldaer Stadtverordneten und der Kreistag forderten den Erhalt des Zentrums. Argument der Politik: Das Zentrum am einzigen Maximalversorger in Osthessen habe eine große Bedeutung für die Region sowie für die weitere Entwicklung des Klinikums. Zudem wäre ohne das Zentrum in Fulda eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in Ost- und Nordhessen nicht mehr gewährleistet. Zudem sei die Qualität der Nierentransplantationen im Klinikum „überdurchschnittlich gut“.

Das Sozialministerium verteidigt gegenüber unserer Zeitung seine ablehnende Haltung. Die Vorgabe der Bundesebene, mindestens 25 Nieren im Jahr zu transplantieren, sei wichtig. Das Ministerium erklärt: „Das Klinikum Fulda hat diese Mindestmenge 2022 nicht erreicht und daher eine negative Prognose für 2023 erhalten.“ Die Frage, ob die Kooperation Fuldas mit dem Klinikum Kassel ein anderes Urteil erlaube, sei jetzt Gegenstand von Gesprächen.

Transplantationen am Klinikum

Die Mindestmengenregelung trat 2005 in Kraft. Danach meldete das Klinikum Fulda folgende Transplantationszahlen:

2005: 19, 2006: 4, 2007: 22, 2008: 15, 2009: 10, 2010: 14, 2011: 13, 2012: 19, 2013: 14, 2014: 18, 2015: 14, 2016: 11, 2017: 14, 2018: 26, 2019: 24, 2020: 15, 2021: 15, 2022: 8

Quelle: Klinikum

Das Ministerium erklärt: „Bei der Entscheidung ist sowohl zu berücksichtigen, dass ein Interesse besteht, das Nierentransplantationszentrum zu erhalten, als auch, dass es gute Gründe dafür gibt, dass der Bundesausschuss die Mindestmenge auf 25 Transplantationen pro Jahr festgesetzt hat. Diese Wertung des Gesetzes können weder unser Ministerium noch die Krankenkassen ignorieren.“

Das Klinikum Fulda weist diese Argumentation zurück. Es verweist auf die außerordentlich hohe Qualität seiner Transplantationen: „Sowohl die Chefärztin der Nierenheilkunde Prof. Dr. Marion Haubitz als auch Urologie-Chefarzt Prof. Dr. Tilman Kälble haben mit ihren Teams langjährige Erfahrung mit Nierentransplantationen“, sagt Sprecherin Barbara Froese. Eine Promotions-Arbeit zeige, dass das Klinikum Fulda absolut gleichwertige, bei Lebendtransplantationen sogar bessere Ergebnisse vorweist als die Daten der Collaborative Transplant Study (CTS). Die CTS-Studie vergleicht die Ergebnisse von 700.000 Organtransplantationen durch 400 Transplantationszentren aus 40 Ländern.

Streit um Nierenzentrum in Fulda: Landessozialgericht eingeschaltet

Internationales Spitzenniveau in Fulda? Die hessischen Krankenkassen überzeugt das nicht. Sie erklären unserer Zeitung, dass die Mindestmengen-Vorgabe verpflichtend sei – auch für die Kassen: „Wird die geltende Mindestmenge in einem Bereich voraussichtlich unterschritten, darf diese Leistung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Es handelt sich somit um ein regelrechtes Leistungserbringungsverbot.“

Nach den gesetzlichen Vorgaben kann das Land nur dann eine Ausnahme für Fulda zulassen, wenn sonst die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährdet wäre. „Hierfür gibt es bislang keine Anhaltspunkte“, sagt der Kassensprecher. Die Transplantation könne man ohne weiteres auch in Gießen, Marburg oder Frankfurt oder an einem anderen Standort vornehmen lassen. Eine gute Nachsorge sei auch dann gesichert.

Die Mindestmengen seien zudem klug, sagt der Kassensprecher: „Je mehr Eingriffe erfolgen, desto höher die Erfahrungskompetenz, desto niedriger die mit der Behandlung verbundenen Risiken.“ In den vergangenen Jahren habe das Nierentransplantationszentrum Fulda die erforderliche Mindestmenge von 25 aber nur ein einziges Mal erreicht – 2018 mit 26 Patienten. Zuvor waren es schon deutlich weniger als 20.

Video: Schweineniere zum ersten Mal in einen Menschen transplantiert

Für eine gute medizinische Qualität der Transplantationen in Fulda seien den Krankenkassen keine objektiven Kennzahlen bekannt. Ohnehin sei die Zahl der transplantierten Personen in Fulda zu gering, um belastbare Aussagen über Risiken zu treffen. Aber selbst wenn es diese Daten gäbe, würde dies nichts an den geforderten Mindestmengen ändern.

Der Streit zwischen dem Klinikum und den Krankenkassen ist mittlerweile am Landessozialgericht anhängig. Die durchschnittliche Verfahrensdauer liegt bei mehr als einem Jahr.

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