Gastkommentar

Der Bundesrat drängt die Spitäler an den Staatstropf

Der Bundesrat hintertreibt das wettbewerbliche Finanzierungssystem gemäss Krankenversicherungsgesetz. Die Vergütung der Spitäler orientiert sich nicht mehr adäquat an Qualitäts- und Effizienzkriterien.

Christian Schär 8 Kommentare 3 min
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Gerade die grossen Spitäler können steigende Kosten nicht mit steigenden Einnahmen ausgleichen.

Gerade die grossen Spitäler können steigende Kosten nicht mit steigenden Einnahmen ausgleichen.

Andrea Zahler / CHM

«Werden die Tarife für unsere medizinischen Leistungen nicht angepasst, sind künftig weitere einschneidende Angebotsanpassungen unumgänglich.» Das sagte kürzlich Bernhard Pulver, Verwaltungsratspräsident der Berner Insel-Gruppe, nach der Ankündigung, dass zwei Spitäler im Kanton Bern geschlossen werden müssten. Er hat recht.

Noch nie war die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen infolge des demografischen Wandels so hoch, und dennoch kämpfen die Spitäler ums Überleben. Spardruck aus Bern, Personalmangel, Forderungen der Pflegeinitiative und Inflation setzen sie unter riesigen Druck.

Grosse Spitäler haben das Nachsehen

Das Problem: Steigende Kosten können die Spitäler nicht mit steigenden Einnahmen ausgleichen. Die Forderungen der Spitäler, die Tarife endlich zu erhöhen, verhallen. Die Krankenversicherer gehen gerichtlich gegen jede Tariferhöhung vor, und Bundesrat Alain Berset verlangt von den Kantonen, keine höheren Spitaltarife zu akzeptieren. Warum?

Die Schweiz setzt auf eine wettbewerbsorientierte Spitalversorgung, die Qualität und Effizienz fördert. Für grundversicherte Leistungen werden die Spitäler über eine Fallpauschale entschädigt, die sich am Benchmark orientiert.

Voraussetzung für ein funktionierendes System ist, dass der Benchmark sachgerecht gesetzt wird und die daraus abgeleiteten Tarife für effizient geführte Betriebe tatsächlich kostendeckend sind. Und hier liegt die Crux: Wie ist der Benchmark berechnet, und wo wird er angesetzt? Beim 25. Perzentil, so fordern es die Krankenversicherer. Das bedeutet, dass drei Viertel der Spitäler finanzielle Verluste pro Fall machen. Es liegt auf der Hand, dass damit Qualität und Versorgungssicherheit leiden. Will man das wirklich, ist das nachhaltig?

Preisüberwacher und Krankenversicherer setzen zur Erstellung des Benchmarks auf eine einfache Reihenfolge nach Spitälern. Der Verein Spitalbenchmark hat im Auftrag der Spitäler nachgerechnet. Ein Blick auf die Daten aus dem Jahr 2021 zeigt, dass die günstigsten 20 Prozent nur rund 10 Prozent der Leistungen repräsentieren. Das kommt daher, dass kleine Spitäler in der Regel tiefere Fallkosten haben als die grossen.

Ein Betriebsvergleich nach Reihenfolge der günstigsten Spitäler repräsentiert somit das von den Spitälern Geleistete in keiner Weise. Die daraus resultierende Fallpauschale ist zu tief und nicht sachgemäss. Die Folgen sind riesige Verluste bei zahlreichen Spitälern. Die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Versorgung ist damit unmöglich. Dies hat die Zürcher Regierung erkannt und die Fallpauschale auf 9900 Franken erhöht. Das war ein Schritt in die richtige Richtung und ein wichtiges Signal an die Krankenversicherer, das die Basis für weitere Verhandlungen legt.

Auf Steuerzahler überwälzt

Bundesrat Berset und das nationale Parlament blenden die Realität aus. Es scheint, als wollten sie das Finanzierungssystem durch die Hintertüre ändern. Denn wenn die Spitäler von den Kantonen gerettet werden müssen, übernehmen die Steuerzahler die Ausfälle. Der Kanton Zürich wäre davon besonders betroffen, weil er knapp 20 Prozent ausserkantonale Patienten behandelt, deren Kantone sich nicht an der Finanzierung der Zürcher Spitäler beteiligen.

Damit wird das wettbewerbliche Finanzierungssystem nach KVG hintertrieben. Die Vergütung der Spitäler orientiert sich nicht mehr an Qualitäts- und Effizienzkriterien, sondern sie werden an den Staatstropf gedrängt.

Bundesrat und nationales Parlament müssen der Bevölkerung endlich erklären, warum sie es jahrelang versäumt haben, auf gesetzgeberischem Weg notwendige Reformen in unserem Gesundheitswesen umzusetzen. Reformen, die eine effiziente, qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung für kommende Generationen gewährleisten. Eine Anpassung der Fallpauschalen an die Realitäten wäre ein guter Anfang.

Christian Schär ist Präsident des Verbands Zürcher Krankenhäuser (VZK).

8 Kommentare
Daniel Billeter

Abbau der überflüssigen Bürokratie, die den Angestellten im Gesundheitswesen massiv auf den Geist geht, würde auch die Kosten senken und den Fachkräftemangel beheben.

Gabriela Suter

Zwei unterfinanzierte Spitäler der Insel-Gruppe mussten geschlossen werden. Das steht als Drohung für weitere  Schliessungen im Artikel. Dagegen hört man von Inseidern, dass sich die Renovation dieser Spitäler nicht gelohnt hätte und dafür Ende Jahr ein neu gebautes in Betrieb genommen wird. Ich befürchte, jede Interessensgruppe versucht die Öffentlichkeit zu seinen Gunsten zu manipulieren.