Pressemitteilung 22. Juni 2023

Krankenhausgesellschaft fordert Finanzierungssicherheit, Ergebnisqualitätsorientierung und Bürokratieabbau

Vorschaltgesetz muss Insolvenzwelle der Krankenhäuser verhindern

Hamburg, 22. Juni 2023 - Nach den Belastungen der Pandemiejahre, gefolgt von Ukrainekrieg und Inflation geht es den Krankenhäusern heute wirtschaftlich schlechter denn je zuvor. Zukunft und wirtschaftliche Existenz der Krankenhäuser sind bedroht; allein in Hamburg geht es um Arbeitsplätze von 35.800 engagierten Ärztinnen, Ärzten, Pflegefachkräften und Therapeuten. Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft fordert ein Vorschaltgesetz mit einem Inflationszuschlag und einer 100 %-igen Tarifrate, um die Insolvenzgefahr zu bekämpfen und die Versorgung zu sichern.

Die Krankenhausreform muss eine betriebswirtschaftlich auskömmliche Finanzierung sicherstellen, sowohl des Krankenhausbetriebs, als auch im investiven Bereich. Eine reine Umverteilung der vorhandenen Mittel wird dabei nicht zum Ziel führen.

Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Reform mit Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung erfordert die Einbindung der Akteure aus der Praxis, um eine Umsetzbarkeit zu gewährleisten. Eine Orientierung an der Ergebnisqualität darf nicht fehlen, da diese den Erfolg einer medizinischen Behandlung misst. Ein Bürokratieabbau ist überfällig und muss bei der Reform dringend mitgedacht werden.

Viele Krankenhäuser befinden sich in wirtschaftlicher Not. Laut einer aktuellen Erhebung des DKI vom Februar dieses Jahres bewerteten 71 % der Allgemeinkrankenhäuser ihre wirtschaftliche Situation als schlecht (43 %) oder sehr schlecht (28 %). Nur noch 3 % betrachteten ihre Situation als gut. Der aktuelle Krankenhaus-Rating-Report des RWI legt offen, dass 80 % der Krankenhäuser 2024 mit einem negativen Jahresergebnis rechnen. Die DKG kalkuliert, dass die Krankenhäuser bundesweit unter Berücksichtigung aller Preissteigerungen und Hilfsprogramme bis zum Jahresende 2023 ein Defizit von 10 Mrd. Euro aufbauen, dies bedeutet auch den Hamburger Krankenhäusern fehlen 250 Mio. Euro bis Ende dieses Jahres, sofern die Politik nicht tätig wird.

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft fordert daher schnellstmöglich ein Vorschaltgesetz, um die aktuelle wirtschaftliche Notlage der Krankenhäuser zu beheben. Joachim Gemmel, 1. Vorsitzender der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft: „Krankenhäuser können Kostensteigerungen nicht einfach über ihre Preise weitergeben. Um diese Finanzierungslücke zu decken, fordern wir für 2023 einen Inflationszuschlag als prozentualen Rechnungszuschlag sowie für das Jahr 2024 eine entsprechende Basisberichtigung im Landesbasisfallwert.“. Neben den Sachkosten steigen auch die Personalkosten überproportional. Gemmel weiter: „Die Tarifrate muss dringend gesetzlich angepasst werden und bereits ab diesem Jahr eine vollständige Refinanzierung der Tarifkosten ermöglichen. Diese Maßnahmen können und müssen kurzfristig im bestehenden Finanzierungssystem umgesetzt werden. Der kalte Strukturwandel muss verhindert werden, damit die Krankenhäuser die Krankenhausreform überhaupt erleben!“

Mit der Krankenhausreform soll die Versorgung sichergestellt, die Qualität gesteigert und endlich entbürokratisiert werden. Diese Ziele hält die Hamburgische Krankenhausgesellschaft ebenfalls für erstrebenswert, meldet jedoch Zweifel an, ob die ins Auge gefassten Maßnahmen dafür geeignet sind.

Joachim Gemmel: „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass man in der Bund-Länder-Runde offensichtlich von der Verknüpfung von Leveln mit Leistungsgruppen Abstand genommen hat. Level sind aus unserer Sicht für die Reform komplett entbehrlich. Die Einführung von Leistungsgruppen als bundesweites Planungsinstrument begrüßen wir. Wir fordern jedoch die Einbindung der Akteure aus der Praxis ein, damit der neue Regelungsrahmen sowohl auf Bedürfnisse in Metropolen als auch in strukturschwachen Regionen angepasst werden kann. Außerdem müssen praktikable Regelungen für kooperative Leistungserbringung und digital verknüpfte Netzwerke gefunden werden. Dies wird am besten mit Einbindung von Sachverstand aus der Versorgungspraxis gelingen.“

Die Finanzierungsreform ist in weiten Teilen noch intransparent. Bei den Krankenhäusern gibt die Aussage des Bundesgesundheitsministers zu großer Sorge Anlass, dass es für die Reform keine zusätzlichen finanziellen Mittel geben soll. Es sollen durch die Einführung einer Vorhaltevergütung nur Mittel umverteilt werden. Aus der Sicht der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft muss die systematische Unterfinanzierung sowohl im DRG-System, als auch im investiven Bereich dauerhaft beseitigt werden. Die Finanzierungsregeln müssen so gesetzt werden, dass den zukünftigen Kostenentwicklungen bei den Sachkosten, aber insbesondere den Tarifentwicklungen, vollständig Rechnung getragen wird und die Krankenhäuser nicht erneut in eine Abwärtsspirale geraten. Daher wird dies im ersten Schritt nun mit zusätzlichen Mitteln gelingen. Eine betriebswirtschaftlich auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser ist zwingend für den langfristigen Erfolg der Reform!

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft mahnt die Orientierung an der Ergebnisqualität an, um den Erfolg einer Behandlung zu messen. Dies scheint bei der Reform gerade aus dem Fokus zu geraten. Gemmel: „Seit Jahren setzen wir uns für eine stärkere Ergebnisqualitätsorientierung ein, denn aus der Patientenperspektive ist die Ergebnisqualität einer medizinischen Behandlung der entscheidende Parameter. Die Reform bringt uns auf diesem Weg derzeit nicht voran. Die Reform darf kein Selbstzweck oder Sanierungsprogramm für die gesetzliche Krankenversicherung sein, sondern muss für die Patientinnen und Patienten die Versorgung besser machen!“

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft sieht trotz des erklärten Ziels der Entbürokratisierung ein großes Risiko für einen weiteren Aufbau von Dokumentations- und Nachweispflichten. Die zusätzlichen Anforderungen für Leistungsgruppen, möglicherweise auch die Auswirkungen der Finanzierungsreform, bieten vielfältige Gefahren eines weiteren Bürokratieaufwuchses. Ärzte und Pflegekräfte sind nahezu die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation und Verwaltungsaufgaben belastet. Diese Zeit fehlt am Patienten. Bei Einführung der Leistungsgruppen müssen ähnliche und gleichartige Regelungen, beispielsweise aus G-BA Richtlinien und OPS-Strukturprüfungen unbedingt entfallen. Gemmel: „Diese Reform hat das Potential, die Bürokratie erheblich auszuweiten – dann droht der Bürokratieinfarkt! Wir appellieren an alle am Reformprozess Verantwortlichen, sich für einen spürbaren Abbau von Dokumentationslast und Prüfbürokratie einzusetzen.“

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft bietet ihre aktive und konstruktive Mitwirkung an der Reform an, damit diese ein Erfolg wird.