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Klinik Weißwasser wird ambulanter

Es fehlen noch Entscheidungen von Land und Bund bei der Klinikreform. Für Weißwasser sind dennoch schon die Weichen gestellt, gibt es weitere Hilfen.

Von Sabine Larbig
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Das Krankenhaus Weißwasser muss, um erhalten zu bleiben und wirtschaftlich zu arbeiten, neu strukturiert werden, sich auf ambulante Leistungen spezialisieren.
Das Krankenhaus Weißwasser muss, um erhalten zu bleiben und wirtschaftlich zu arbeiten, neu strukturiert werden, sich auf ambulante Leistungen spezialisieren. © Sabine Larbig

Knappe Kassen, alternde Gesellschaft und Fachkräftemangel belasten das Gesundheitssystem. Die Bundesregierung arbeitet daher am neuen Bundes-Krankenhausgesetz, um Klinikschließungen zu vermeiden und flächendeckend qualitativ hochwertige Versorgung – auch in ländlichen Regionen – sicherzustellen, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium. Und auch, dass das System der Fallpauschalen die Krankenhäuser zu stark ökonomischen Zwängen ausgesetzt habe. Viele Häuser seien ohne Veränderungen von Schließung bedroht. Eingesetzt wurde bereits eine Regierungskommission, die Vorschläge erarbeitet, die von Bund, Ländern, Fraktionen in einem vereinbarten Verfahren konkretisiert werden.

Geldspritzen für Klinik Weißwasser sollen kommen

Sachsen hat seine Klinikreform bereits beschlossen, arbeitet an der Umsetzung, braucht dazu aber unter anderem Klarheit über die Höhe künftiger Bundesgelder, für welche Leistungen und Fälle sie fließen. Von Grundsatzentscheidungen abhängig sei gleichfalls die angelaufene Reform im Kreis Görlitz, informierte Landrat Stephan Meyer (CDU) am Mittwoch im Kreistag. Ungeachtet dessen habe man Gespräche mit Kassen, Klinikchefs, Kommunalvertretern oder Betriebsräten fortgesetzt, nachdem der Kreistag Ende 2022 einen Beschluss zur Neuausrichtung des Gesundheitszentrums des Kreises mit dem Ziel, die Häuser in Weißwasser, Zittau, Ebersbach zu erhalten, fasste Bis Ende 2023 befinden sich die drei Standorte im Anhörungsverfahren. Dabei gibt es unter anderem eine Analyse zur Erreichbarkeit, etwa bei Rettungsdienst, Geburt, Notfall, Geriatrie.

Dass es Reform und Umstrukturierung der Häuser geben muss, ist im Kreis aufgrund sinkender Fallzahlen, gestiegener Personal- und Betriebskosten unstrittig. Vor allem bezüglich Weißwasser. Hier sanken die Fallzahlen, die stationär Behandelten, von 2016 bis 2021 um 34 Prozent. Von 180 Betten sind durchschnittlich 130 belegt. Das Haus ist dadurch unwirtschaftlich. Der Kreistag bewilligte daher schon ein 10-Millionen-Euro-Darlehen für die Kliniksicherung. Am Mittwoch beschloss er für Weißwassers den Eintrag einer Grundschuld von 1,6 Millionen Euro im Rahmen des Darlehens. Es ist Voraussetzung, damit beim Land diese Summe als Fördergeld zur Klinik-Digitalisierung beantragt werden kann.

„Wir sind noch auf Papier fokussiert, müssen digitaler werden, um Kosten zu sparen. Dafür brauchen wir Speichermedien, Sicherheit, neue Hardware“, erläutert Steffen Thiele, Geschäftsführer Kreiskrankenhaus Weißwasser gGmbH, am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD), Landrat Meyer und Kreisdezernentin Martina Weber, die zuvor mit Kassen & Co. über die Klinikreform im Kreis berieten. Weißwasser soll dabei zum integrierten Gesundheitszentrum mit stationärer und ambulanter Versorgung entwickeln und so erhalten werden, weil der Norden des Kreises sonst medizinisch unterversorgt wäre.

„Unser Krankenhausgesetz hat bei Digitalisierung, sektorenübergreifender Versorgung, Zusammenarbeit, Spezialisierung, Zentrengründung, Unterstützung von Modellvorhaben sowie Qualität der Krankenhausplanung und -finanzierung wichtige Impulse gesetzt“, erklärte Köpping im Pressegespräch. Und auch, dass Weißwassers Klinik als Erste nach den Möglichkeiten des neuen Gesetzes umstrukturiert werde. Nicht zuletzt, weil es Modellregion für zukunftsfähige medizinische Versorgung im ländlichen Raum ist und hier gesammelte Erfahrungen landesweit helfen sollen.

Ambulante OPs und Tele-Rucksäcke

„Die Region macht sich wirklich Gedanken über neue Wege und Möglichkeiten im Gesundheitswesen, statt alles wegbrechen zu lassen“, lobt die Ministerin, die auch die neuen, mit Kohlegeldern entstehenden, Ärztehäuser als wichtigen Baustein sieht. Dennoch, sagt sie, sei die Bundesgesetzgebung ein Hemmschuh. „Wir hoffen aber auf Unterstützung für das Modell Weißwasser, das auch der Bund kennt.“

Start für dessen neue Struktur soll 2024 sein. Das Konzept für das Haus der Grund- und Regelversorgung in Weißwasser sieht mehr ambulante statt stationärer Versorgung vor. Konzentriert wird sich auf Innere, (Unfall)Chirurgie, Notfallversorgung, Intensiv- und Palliativstation sowie ambulante Neuaufstellung der Kindermedizin und Gynäkologie.

Aufgebaut in der Klinik wird dafür ein ambulantes OP-Zentrum unter Einbeziehung der vorhandenen drei OP-Säle für Vorbereitung, Überwachung bis Entlassung. Auch Kurzzeitpflege und Physio- sowie Ergotherapie soll geboten werden. „Ambulant heißt nicht, dass es nur um Einsparungen geht. Aber Patienten müssen durch den medizinischen Fortschritt heute nicht mehr zwingend von Klinik zu Klinik, Arzt zu Arzt und brauchen nicht nach jeder OP ein Klinikbett, wenn Fach- und niedergelassene Ärzte, Disziplinen, Gesundheitseinrichtungen enger und digitaler zusammenarbeiten“, begründete Köpping die Pläne für Weißwasser. Zudem könne Digitalisierung, beispielsweise durch Zugriff der Akteure im Gesundheitswesen auf Röntgenbildern, Patientenakten, Dokumentationen, für alle Beteiligten die Wege, Warte-, Bearbeitungszeiten verkürzen, selbst Mehrfachuntersuchungen vermeiden und ärztliche Ressourcen schonen und durch Telemedizin wie digitale Visite von Haus- und Klinikarzt, Arztkonferenzen oder Sprechstunden dazu beitragen, dass Patienten vor Ort sofort Diagnosen, Überweisungen, Rezepte bekommen. Und die Modellregion Weißwasser erhält voraussichtlich im Herbst sogenannte „Tele-Rucksäcke“ – ausgestattet mit Laptop, Blutdruck-, Blutzuckermessgeräten und mehr. Mit „Schwester Agnes in digital“, so die Ministerin, könne das stark akademisiert ausgebildete Pflegepersonal viele Aufgaben übernehmen und Ärzte entlasten.

Durch die Umstrukturierung sieht die Krankenhausplanung für die Klinik Weißwasser, laut Geschäftsführer Thiele, in 2024 nur noch 125 Betten vor. „Die Belegschaft wird nicht reduziert“, versichert er.