Portal „gesund.bund.de“ :
Landgericht untersagt nationales Gesundheitsportal

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Unter seiner Ägide wurde das Portal gesund.bund.de zu Corona-Zeiten gestartet: der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Das Landgericht Bonn stoppt das Portal „gesund.bund.de“. Damit verstoße die Regierung gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Nicht nur der klagende Verlag Wort & Bild ist erleichtert.

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn hat einer Klage des Wort & Bild-Verlags gegen das nationale Gesundheitsportal „gesund.bund.de“ stattgegeben und festgestellt, dass die Bundesregierung mit dem Betrieb des Angebots gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt (Az. 1 O 79/21). Das Portal ist nunmehr untersagt.

Dem Kläger, so das Gericht, stehe ein Unterlassungsanspruch nach Paragraph 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit dem aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz GG hervorgehenden Gebot der Staatsferne der Presse zu. „Ein Großteil der auf dem Portal eingestellten Artikel“, so das Bonner Landgericht, überschreite „die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns“.

Die aufzufindenden Artikel enthielten „keinerlei Hinweise zu akuten Gefahrensituationen, sondern allgemeine Informationen wie ein Gesundheitslexikon oder Tipps und Ratschläge für ein gesundes Leben. Um seinen staatlichen Aufgaben und Fürsorgepflichten gegenüber den Bürgern gerecht zu werden“, bedürfe es „eines solchen Portals des Bundes nicht. Zudem geht der Substitutionseffekt zu Lasten der privaten Anbieter ähnlicher Formate.“ Das heißt: Das vom Staat betriebene Portal geht zulasten der freien Presse. Einen Anspruch auf Schadenersatz, den der Wort & Bild-Verlag ebenfalls geltend machte, hat das Landgericht verneint. Dafür fehle es an einem „konkreten Vortrag zu dem Eintritt eines Schadens“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Berufung ist möglich.

Google und Bund machten gemeinsame Sache

Obwohl die Entscheidung noch nicht endgültig ist, kommt ihr grundsätzliche Bedeutung zu. Das Gesundheitsportal des Bundes, das seit September 2020 mit einer eigenen Redaktion presseähnlich Informationen aufbereitet, war nicht nur vom klagenden Verlag Wort & Bild, der unter anderem das Portal apotheken-umschau.de betreibt, als Verstoß gegen das Verbot, staatliche Presse zu betreiben, verstanden worden.

Hinzu kam, dass der Suchmaschinenkonzern Google die Informationen des Gesundheitsportal zu Zeiten der Corona-Pandemie bei der Suche zu entsprechenden Stichworten bevorzugte und ganz vorne listete. Dieser Kooperation zwischen Staat und Digitalkonzern schob indes das Landgericht München I im Februar 2021 einen Riegel vor.

„Die Entscheidung des Landgerichts Bonn ist ein großer Erfolg für das gesamte Verlagswesen und die Pressefreiheit“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung des Wort & Bild Verlags, Andreas Arntzen. „Die freie Presse darf als Grundpfeiler für die freie Meinungsbildung nicht von staatlichen Konkurrenzangeboten beeinträchtigt werden. Staatliche Presseangebote wie gesund.bund.de bergen die Gefahr einer Vermischung von objektiv-neutralen Inhalten mit politisch motivierter Berichterstattung und stören so den Meinungsbildungsprozess.“

„Dass ein Bundesministerium ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt“, sei „ein fataler Tabubruch“, sagte Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik im Medienverband der freien Presse (MVFP). „Das Nationale Gesundheitsportal ist in dieser Gestalt mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und stellt einen verwerflichen Eingriff in den freien Pressemarkt dar. Daher begrüßen wir das heutige Urteil des Landgerichts Bonn ausdrücklich, das eine grundlegende Entscheidung für den Erhalt einer freien und unabhängigen Presse im digitalen Zeitalter bedeutet.“

Beim Bundesgesundheitsministerium hieß es auf Anfrage der F.A.Z., man wolle „unmittelbar nach dem Richterspruch das Urteil nicht kommentieren. Wir prüfen die Begründung und ziehen dann die entsprechenden Konsequenzen.“