Veraltete IT, Misswirtschaft: Uniklinik-Chefs schlagen Alarm

Der Haupteingang des einstigen Städtischen Krankenhauses, der späteren Uniklinik und der heutigen Universitätsmedizin.
© dpa

Die Mainzer Uniklinik kommt nicht zur Ruhe: Erneut warnen die Klinikchefs das Gesundheitsministerium davor, dass der Versorgungsauftrag nicht mehr umgesetzt werden könne.

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Mainz. Es sind vier Din-A4-Seiten, vollgeschrieben, Sätze mit Sprengkraft. Absatz für Absatz schildern die Leiter der Mainzer Uniklinik in dem Schreiben dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium, wie heikel ihrer Ansicht nach die Situation derzeit im Krankenhaus ist. Das Schreiben ist auf Juni datiert, jetzt allerdings an die Öffentlichkeit gekommen. Zudem werfen die Klinikleiter dem Ministerium sowie dem Aufsichtsrat vor, dass sie „mit großer Sorge“ zur Kenntnis nehme, „wie wenig entschlossen“ vonseiten des Landes bislang auf die Hilferufe reagiert wurde. Es ist der zweite Brandbrief der Klinikchefs binnen kurzer Zeit. Bereits im Mai dieses Jahres hatten sich die Chefärzte des Krankenhauses erstmals mit einem schriftlichen Hilferuf an die Landespolitik gewandt.

Konkret greifen die Klinikleiter den kaufmännischen Vorstand an, der in den vergangenen fünf Jahren die Uniklinik heruntergewirtschaftet haben soll. Finanziell wie Image-mäßig. Die Vorwürfe reichen von Misswirtschaft über Mangelverwaltung bis hin zu einer bewussten Täuschung der Öffentlichkeit. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem kaufmännischen Vorstand und den medizinischen Leitern sei „unwiederbringlich zerrüttet“, heißt es. Das Schreiben weist darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage der Uniklinik „prekär“ und die technische Infrastruktur nicht mehr „zeitgemäß“ sei. „Die Uniklinik ist nicht das modernste Universitätsklinikum, das sie sein sollte und könnte.“ Im bundesweiten Vergleich sehen die Klinikleiter sich „abgeschlagen am Ende des Feldes“. Zudem führe das Arbeiten mit der veralteten Technik zu einer Mehrbelastung der Mitarbeiter. Auch Forschung und Lehre sehen die Chefärzte zurzeit aufgrund der mutmaßlich verfehlten kaufmännischen Politik als gefährdet an.

Gesundheitsministerium soll „entsprechende Narrative“ prüfen

Dem Gesundheitsministerium und dem Aufsichtsrat werfen die Klinikleiter indes vor, einem falsch positiven Bild in der Öffentlichkeit zu folgen. Das Schreiben aus dem Juni fordert die Landesregierung auf, „den Wahrheitsgehalt der Darstellungen“ zu überprüfen. „Wir bedauern sehr, diese unbequeme Tatsache offen ansprechen zu müssen, sehen es aber als unsere Pflicht an, um die Universitätsmedizin Mainz vor weiterer Stagnation und Schaden zu bewahren“, heißt es.

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Denis Alt (SPD), Staatssekretär im Gesundheitsministerium und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Uniklinik, teilt gegenüber den Portalen der VRM mit, dass er das Schreiben der Klinikleiter ernst nehme. „Ich habe als Aufsichtsratsvorsitzender die klare Erwartung, dass jeder seiner Position angemessen mit diesem Konflikt umgeht“, sagt Alt. Ein entsprechendes Mediationsverfahren zwischen Klinikleiter und kaufmännischen Vorstand werde derzeit angestrebt. Zuvor soll ein Kommunikationsexperte in Gesprächen herausfinden, ob ein solches Verfahren überhaupt sinnvoll ist. Wie die Klinikleiter in ihrem Schreiben allerdings bereits mitteilen, räumen sie einem Mediationsverfahren kaum Erfolgsaussichten ein.

Denis Alt (SPD)
Denis Alt (SPD)
© Susie Knoll

Abriss der 701 als Auftakt zum Baumasterplan

Staatssekretär Alt erklärt indes weiter, dass bereits vergangenen Dezember beschlossen wurde, in der Uniklinik eine externe Unternehmensberatung einzusetzen. Mit dem Ziel herauszufinden, wo das Klinikum umstrukturiert werden müsse, um effizienter zu arbeiten und bessere Erlöse zu erzielen. Das vergangene Jahr 2022 hatte die Uniklinik mit einem Minus von 70 Millionen Euro abgeschlossen, laut neuestem Wirtschaftsplan soll sich das Defizit für 2023 auf 57 Millionen Euro belaufen. Solche Defizite würden gegenwärtig „bundesweit die meisten Universitätskliniken aufweisen“, berichtet Alt.

Bei der Landtagsdebatte im Juni zur Lage an der Mainzer Uniklinik hatte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) darauf hingewiesen, dass das Land plant, in den kommenden 15 Jahren mehr als 2 Milliarden Euro in die Modernisierung der Uniklinik zu investieren. Von einem sogenannten Baumasterplan die Rede. In einem ersten Schritt ist im Juni mit dem Abriss der alten Nachsorgeklinik 701 auf dem Gelände der Uniklinik begonnen worden. An ihrer Stelle soll ein zeitgemäßes Wirtschafts- und Logistikgebäude entstehen. Wie die Klinikleiter der Universitätsmedizin in ihrem zweiten Brandbrief allerdings auch mitteilen, sehen sie den aktuellen kaufmännischen Vorstand nicht dazu in der Lage, den Baumasterplan zu erfassen und somit „die Neuaufstellung der Uniklinik konstruktiv zu begleiten“.