Frühchen-Zentren in OWL gefährdet: Bundesländer wollen Vorgaben stoppen

Berlin/Düsseldorf. Ab 2024 gelten für die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm strengere Vorgaben für Krankenhäuser. Die extremen Frühchen dürfen dann nur noch in Level-1-Perinatalzentren versorgt werden, wenn dort jährlich mindestens 25 dieser Kinder behandelt werden. Diese Vorgabe wird nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums zu Schließungen von Stationen führen, weil einige die Vorgaben nicht erfüllen. In OWL wären drei der fünf Level-1-Perinatalzentren betroffen. Die Bundesländer wollen Schließungen jedoch verhindern und versuchen deshalb, die neuen Vorgaben zu stoppen. Um die Versorgungsqualität auch bei schwierigen Behandlungen zu sichern, gibt der Gesetzgeber in Deutschland für neun solcher Eingriffe Mindestmengen vor. Ziel dieser Vorgaben ist, dass nur solche Kliniken die Eingriffe anbieten, deren Ärzte und Pfleger damit ausreichend Erfahrung haben. Dazu zählt auch die Versorgung extremer Frühchen. Bestimmt wird die Mindestmenge vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Für die Frühchenversorgung hat der GBA die Mindestmengen auf 25 pro Jahr erhöht. Der GBA geht davon aus, dass die neue Vorgabe zu Schließungen von Zentren führen wird. Risiken sieht das Gremium dadurch aber nicht. Das bestätigt auch das Bundesgesundheitsministerium. &bdquo;In den Einrichtungen mit mehr Erfahrung im Umgang mit Extrem-Frühchen reduziert sich die Sterbewahrscheinlichkeit der Kinder signifikant“, sagt Staatssekretär Edgar Franke (SPD). Die verbesserte Versorgungsqualität wiege längere Fahrzeiten auf. Am besten sind die Aussichen für Frühchen in Kliniken mit jährlich 60 Fällen Eine Analyse von mehr als 50.000 Geburten in Deutschland von 2020 im Auftrag des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen zeigt, dass die Aussichten für extreme Frühchen am besten in Kliniken mit mindestens 60 Fällen pro Jahr sind. Mit einer Erhöhung der Mindestmengen auf diese Zahl könnten laut der Studie bis zu 40 Todesfälle pro Jahr vermieden werden. In Deutschland erfüllt jedoch nur ein Viertel der Perinatalzentren diese Vorgabe. Mediziner verweisen zudem auf eine positive Entwicklung: Die Verbesserung der Geburtshilfe habe dazu geführt, dass die Zahl extremer Frühchen insgesamt zurückgeht. Einige Bundesländer befürchten mit Schließungen von Perinatalzentren jedoch eine Verschlechterung der Versorgung. Die Länder haben deshalb einen Antrag in den GBA eingebracht, um zu erreichen, dass sich das Gremium erneut mit den Mindestmengen beschäftigt. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) kündigt Widerstand an: &bdquo;Wir werden uns als Land weiter dafür einsetzen, dass Vorgaben auf Bundesebene die Versorgung nicht gefährden.“ Laut von der Decken würden in Schleswig-Holstein voraussichtlich nur zwei der fünf Perinatalzentren die Vorgaben erreichen. In Baden-Württemberg müssten nach Angaben des Verbandes leitender Kinder- und Jugendärzte elf der 21 Zentren schließen. Die Ärzte kritisieren, dass ungeklärt ist, ob die verbleibenden Zentren Kapazitäten für zusätzliche Patienten haben. Unklar sei zudem, was der Wegfall der Stationen für die Notfallversorgung in anderen Kliniken bedeute. 28 von 41 Zentren in NRW erfüllten 2021 die neuen Vorgaben In NRW ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums noch unklar, wie viele Zentren die neuen Vorgaben ab 2024 erfüllen können, weil die finale Berechnungsgrundlage noch nicht vorliegt. Die Krankenhausträger melden ihre Prognosen nach Angaben eines Sprechers jährlich an die Landesverbände der Krankenkassen, ob die festgelegte Mindestmenge im nächsten Kalenderjahr voraussichtlich erreicht wird. &bdquo;Die Prognose wird bis Anfang Oktober von den Krankenkassen geprüft.“ Die Mindestmengen-Transparenzliste der AOK für den Zeitraum Juli 2020 bis Juli 2021 zeigt jedoch, dass von den 41 Level-1-Perinatalzentren in NRW lediglich 28 die neue Mindestmenge erfüllen. In OWL erfüllen nur zwei der fünf Zentren die Vorgabe. In der Region werden die meisten extremen Frühchen im evangelischen Klinikum Bethel versorgt; in dem Zeitraum waren es 61 Kinder. Darauf folgen das St.-Vincenz-Krankenhaus Paderborn mit 28 Kindern, das Johannes-Wesling-Klinikum Minden mit 24 sowie das Klinikum Herford und das Klinikum Lippe in Detmold mit jeweils 22.

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