Geplante Krankenhausreform :
Kliniken zahlen bei jedem Patienten 460 Euro drauf

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Wo geht es künftig lang mit der Finanzierung? Die Frage stellt sich auch die Frankfurter Unfallklinik.
Die Eckpunkte zur geplanten Krankenhausreform stehen fest. Jetzt beginnt das Warten auf den Gesetzentwurf. Kritik an den Plänen üben einige Klinikvertreter in Hessen schon jetzt.

Die Kliniklandschaft in Deutschland soll umgestaltet werden. Besser gesagt, sie muss umgestaltet werden, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagt. Denn das Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen. Der demographische Wandel führt nicht nur dazu, dass die Bevölkerung immer älter wird und damit die Belastung des Gesundheitssystems kontinuierlich steigt. Auch wird perspektivisch mehr Personal in den Ruhestand gehen, als Berufseinsteiger nachkommen. Zudem sind viele Kliniken seit Jahren unterfinanziert. Gründe dafür gibt es viele. Die Inflation, aber auch die Folgen der Pandemie gehören dazu.

Die Reform sieht deshalb eine maßgebliche Änderung des Vergütungssystems vor. Statt, wie bisher, Fallpauschalen zu erhalten, sollen die Kliniken rund 60 Prozent der Vergütung für das Vorhalten von Personal, Notaufnahmen und anderen Leistungsangeboten bekommen. Die geplanten Änderungen könnten besonders kleinere Kliniken in eher ländlichen Gebieten absichern, die bisher nur wenige Fälle abrechnen konnten. Zudem sollen in ganz Deutschland einheitliche und strengere Qualitätsvorgaben gelten.

Reinhard Schaffert, Geschäftsführer des Klinikverbunds Hessen, findet lobende, aber auch kritische Worte für das Eckpunktepapier. „Es ist unumstritten, dass sich an der jetzigen Struktur etwas ändern muss“, sagt er. „Aktuell steht die Krankenhausfinanzierung aufgrund der Inflation und der gestiegenen Kosten in keinem Verhältnis zu den Einnahmen, die ja gesetzlich geregelt sind.“

Zuletzt hatten mehrere Kliniken im Rhein-Main-Gebiet, darunter das Klinikum Höchst und das Klinikum Hanau, rote Zahlen vermelden müssen. Millionendefizite, die von den zuständigen Kommunen aufgefangen werden müssen. Um den Weiterbetrieb des Klinikums Höchst zu sichern, muss die Stadt bis Ende 2024 mindestens 47 Millionen Euro zuschießen, in Hanau muss für 2022 ein 5,8-Millionen-Defizit ausgeglichen werden.

Mehr als 80 Prozent der Häuser erwarten Defizit

Dass die Finanzierung vieler Kliniken längst nicht mehr funktioniert, ist bekannt. Wie dramatisch aber die Lage ist, zeigt eine interne Umfrage, die der Klinikverbund Hessen unter seinen Mitgliedern vorgenommen hat. Mehr als 80 Prozent der Häuser, die teilgenommen hatten, sehen laut Schaffert für 2023 einen Jahresabschluss mit einem Defizit voraus. Wegen der seit Jahrzehnten nicht ausreichenden Investitionsfinanzierung der Länder und der nicht an die Inflation angepassten Behandlungsvergütungen stünden diese Säulen der Krankenhausfinanzierung in keinem Verhältnis mehr zu den gestiegenen Kosten, heißt es in einer Mitteilung des Klinikverbunds. „Defizitäre Krankenhäuser legen im Schnitt etwa 460 Euro je Fall, den sie behandeln, drauf“, hat Schaffert ausgerechnet. Werde die Reform nicht schnell auf den Weg gebracht, sei es möglich, dass die eine oder andere Klinik schon vorzeitig Insolvenz anmelden müsse. Ein solches Szenario, so kritisiert der Geschäftsführer, sei in dem jetzigen Entwurf einkalkuliert worden.

Die Neuorganisation der Strukturen sei auch mit Blick auf die Personalsituation der einzig gangbare Weg. „Aber der Teufel steckt im Detail.“ So ein Transformationsprozess koste Geld. Wer dafür aufkomme, sei noch nicht geklärt. Außerdem, so Schaffert, sei für ihn noch nicht zu erkennen, wie es innerhalb der neuen Strukturen, die eine engere Zusammenarbeit der einzelnen Kliniken vorsähen, zum erforderlichen Bürokratieabbau kommen könne. Zudem, so der Geschäftsführer des Verbunds weiter, konzentriere man sich zu sehr auf die Krankenhäuser, statt das Gesundheitssystem in seiner ganzen Komplexität anzuerkennen. „Wir haben auch den ambulanten Bereich.“

„Die Welt ist nicht mehr so einfach wie früher“

Matthias Münzberg, seit Mai medizinischer Geschäftsführer der BG-Unfallklinik in Frankfurt, beschäftigt sich ebenfalls schon seit vielen Monaten mit den Reformplänen. „Dass eine Reform kommen muss, war klar“, sagt auch er, weist aber darauf hin, dass es sich bei dem Eckpunktepapier noch immer um einen Grundentwurf handele. „Jetzt kommt erst die spannende Phase.“ Denn über den Sommer soll ein Gesetzesvorschlag erarbeitet werden.

Positiv sei schon jetzt, dass eine Regierungskommission gegründet worden sei. Das Gesundheitsministerium lässt sich von Experten aus der Praxis beraten. „Es wird sich viel ändern. Das wird nicht spurlos an den Krankenhäusern vorbeigehen.“ Aber es gehe auch darum, die Chancen zu erkennen, die die Reform für alle Häuser bieten könne. Eine Herausforderung allerdings, die seiner Ansicht nach nicht unterschätzt werden darf, ist die Kommunikation mit Angestellten und Patienten über die bevorstehenden Änderungen. „Die Welt ist nicht mehr so einfach wie früher. Auch die Lösungen sind komplexer.“

Auch die Arbeitsgemeinschaft katholischer Krankenhäuser in Hessen (AkKH) lobt die auf politischer Ebene verabredeten Eckpunkte für eine Krankenhausreform. „Bedauerlich ist allerdings, dass angesichts der finanziellen Nöte der Krankenhäuser wohl kurzfristig keine Hilfen zu erwarten sind“, sagt Markus Juch, der AkKH-Vorstandsvorsitzende. Auch er befürchtet, dass das eine oder andere Haus den Wandel vom Fallpauschalensystem hin zur Vorhaltefinanzierung nicht mehr erleben werde.

Lösung nur für einen Teil der Probleme

Der Vorstand der DGD-Stiftung, zu der auch das Klinikum in Frankfurt-Sachsenhausen zählt, äußert sich ebenfalls kritisch zu den vorgestellten Eckpunkten. Zwar werde eine Reform grundsätzlich gutgeheißen, die geplante Vorhaltefinanzierung löse aber nur einen Teil der Probleme. 40 Prozent der Kosten müssten die Kliniken noch immer über nun abgesenkte Fallpauschalen erwirtschaften.

Als „absolute Frechheit“ bezeichnet Hubertus Jaeger, Kaufmännischer Vorstand der DGD-Stiftung, die Äußerung Lauterbachs, durch die Reform Qualität in die Krankenhäuser zu bringen. „Zu unterstellen, diese Qualität gebe es derzeit nicht, ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die in den Kliniken arbeiten.“ Zudem sei die Aussage falsch. „Natürlich wird unsere Qualität schon seit Jahrzehnten immer wieder überprüft – wir arbeiten ja nicht im luftleeren Raum.“ Auch an der Personalnot in den Krankenhäusern werde das neue Finanzierungskonzept nichts ändern. „Wir hätten uns innovative Ansätze erhofft.“