Höhere Anforderungen - Frühchen-Stationen in Brandenburg droht das Aus

Fr 21.07.23 | 17:43 Uhr
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Symbolbild: Ein Frühgeborenes Kind wird im Inkubator von einer Krankenschwester versorgt. (Quelle: dpa/Jens Büttner)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 21.07.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Jens Büttner

Schwangere mit einer Frühgeburt in Brandenburg müssen ab 2024 für eine Spezialklinik wohl in ein anderes Bundesland reisen. Grund dafür sind höhere Anforderungen an die Stationen. Die Brandenburger Gesundheitsministerin will dies nicht hinnehmen.

Drei spezialisierte Frühchen-Stationen in Brandenburg könnten ab kommendem Jahr nicht mehr die nötigen Anforderungen erfüllen, um besonders kleine Frühchen zu versorgen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), in dem Ärzteschaft, Krankenkassen und Krankenhäuser medizinische Standards in Deutschland festlegen.

Der G-BA hatte schon 2020 entschieden, dass der Standard für die bestausgestatteten Frühchen-Stationen steigen soll. Demnach muss ein Krankenhaus zukünftig im Jahr mindestens 25 Frühchen behandeln, die weniger als 1.250 Gramm bei der Geburt wiegen, um als sogenanntes Frühchen-Zentrum Level 1 zu gelten. Das soll sicherstellen, dass diese Zentren über ausreichend Erfahrung und Routine verfügen.

In Zukunft nach Berlin oder Dresden?

Zurzeit gibt es in Brandenburg noch in Potsdam, Cottbus und Brandenburg an der Havel Frühchen-Zentren, die Frühchen unter 1.250 Gramm behandeln können. Der Frühchen-Station in Frankfurt (Oder) war in diesem Jahr der Status bereits aberkannt worden, weil sie nicht genügend Behandlungsfälle vorweisen konnte. Dort können dank einer Ausnahmegenehmigung des Landesgesundheitsministeriums dennoch weiterhin Risikoschwangere und Frühgeburten versorgt werden, heißt es aus dem Klinikum.

Die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) kritisierte die Regelung. Es sei zu befürchten, dass man in Brandenburg 2024 in keinem dieser Zentren die Zahl von 25 Fällen pro Jahr erreiche, sagte Nonnemacher dem rbb.

Wege für Frauen und deren Familien würden sehr viel weiter, wenn solche Frühchen künftig nur noch etwa in Berlin oder Dresden behandelt werden könnten. Außerdem habe der Wegfall Konsequenzen für die Attraktivität der Kliniken. "Die Ausbildung von Pflegepersonal oder Hebammen wird dadurch beeinträchtigt. Auch junge Ärzte in der Weiterbildung möchten Erfahrungen an so einem Zentrum sammeln", sagte Nonnemacher.

Ausschuss: Behandlung von Frühchen braucht viel Erfahrung

Mit diesen Argumenten hatten sich das Brandenburger Gesundheitsministerium gemeinsam mit sechs weiteren Länder-Gesundheitsministerien an den G-BA gewandt. Sie forderten, die Übergangsfrist mindestens zu verlängern. Der Antrag fand im G-BA am Donnerstag allerdings keine Mehrheit.

Für Karin Maag, unparteiisches Mitglied im G-BA, führt kein Weg an der Erhöhung der Mindestmengen vorbei. "Wenn Sie Eltern vor die Wahl stellen, ob sie 50 Kilometer fahren wollen, dafür aber die bestmögliche Behandlung bekommen, dann werden sich die Eltern immer dafür entscheiden", so Maag gegenüber dem rbb.

Die Versorgung von kleinen Frühchen stelle an Ärzte- und Pflegepersonal hohe Anforderungen, für die man viel Erfahrung brauche. "Wenn man gewährleisten will, dass Frühchen besser versorgt werden können und dass sie weniger bleibende Schäden davontragen oder gar sterben - dann muss man die Mindestmenge erhöhen."

Nonnemacher will noch Gespräch suchen

Nonnemacher hält dagegen, dass die Brandenburger Frühchen-Stationen im guten Bundesdurchschnitt lägen, was Sterblichkeit, Infektionen oder sonstige Komplikationen betreffe. Man werde nun das Gespräch mit den Krankenkassen suchen. Die können in den Bundesländern auch Ausnahmen von der Mindestmenge zulassen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.07.2023, 18:30 Uhr

36 Kommentare

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  1. 36.

    Woher kommt eigentlich der Anspruch der Regierenden, der Welt erklären zu können, wie‘s laufen soll, wenn zu Hause nicht mal mehr was Minimum möglich sein soll?
    Wie viele Frühgeborene sind denn bei der aktuellen Situation zu Schaden gekommen und wenn ja, wie?
    Es geht doch sicher wieder blos ums Geld. Und da unsere Regierung so genau zu wissen glaubt, wie die Zukunft aussieht, wäre hier auch ein „Sondervermögen“ das Mittel der Wahl, wenn ich was zu sagen hätte.

  2. 35.

    Bis zur Schließung vor ein paar Wochen war ich ca. 25 Jahre im Forum wunschkinder.net online. Die Schicksale, die im Schwangerschafts-, Früh- und Fehlgeburtenforum kommuniziert wurden, sind prägend und belastend. Vor allem aber geben sie Einblicke ins deutsche Krankenhausleben. Und seine "zusätzlichen" Katastrophen, die die Frühgeburtlichkeit dann leider begleiten. Zwar denken/reden sich die üblichen Verdächtigen das (auch hier) schön, die Realität ist leider eine andere. Es gibt sie, die "menschlichen" Abteilungen, mit den "netten" Ärzten, den "fürsorglichen" Schwestern. Das sind meist keine großen Zentren. Wenn man Größe und normalen Umgang kombinieren würde, wäre vielen geholfen. Wenn Exzellenz mit Arroganz und Missmanagement zusammenfällt, dann hilft es nicht wirklich.

    Man könnte eine Erstaufnahme vor Ort mit verpflichtender Heli-Weiterverlegung kombinieren. Oder vernünftiges PersonalMANAGEMENT in Zentren garantieren, aber weder Personal noch Ressourcen sind vorhanden.

  3. 34.

    "Kann die Zustände in den Niederlanden oder Schweden nicht beurteilen..."
    Das ist ein Killersatz, bitte informieren Sie sich.

    Das was Sie erleben mussten, ist wirklich schlimm und das tut mir leid für Sie und ihr Kind. Ich hoffe, Ihnen beiden geht es gut. Dennoch ist es überlebenswichtig für die Kleinsten der Kleinen, in Zentren betreut und gerettet zu werden. Die Argumente dafür können Sie sehr gut bei "Isegrimm" nachlesen. Ihre schrecklichen Erlebnisse widerlegen das ja nicht. Alles Gute für Sie.

  4. 33.

    Kann die Zustände in den Niederlanden oder Schweden nicht beurteilen, aber bei uns ist es furchtbar. Mein Kind war auch ein Frühchen, und wir wurden in Windeseile in die Charité verlegt. Die Charité wurde damals bei laufendem Betrieb renoviert. War für niemanden schön. Durch den Gang wurden Schwerverletzte geschoben, an der Seite desselben Ganges bohrte einer und der Bohrstaub flog durch die Luft. Auf der Frühchenstation sehr schwierig, einmal kam die Berliner Feuerwehr mit Sauerstoffflaschen im Trab, weil bei Bauarbeiten ein Sauerstoffkabel zerstört wurde. STändig irgendeine Katastrophe, wie mit uns Müttern umgegangen wurde wegen der Bauarbeiten will ich gar nicht erst beschreiben. NIE wieder Charité!! Und medizinische Fachkenntnisse sind sicher wichtig. Eine irgendwie funktionierende Pflege ist aber auch vonnöten. Und das war damals in der Charité eine Katastrophe. Die damals Verantwortlichen (für die Baumaßnahmen, nicht für die Pflege) sollten mindestens vor Gericht gestellt werden.

  5. 32.

    Das ist erneut polemischer Unsinn! Keime sind ein hohes Risiko- bei jedem Kranken, aber eine 1:1 Betreuung gibt es bei den kleinsten Neonaten auch in D, übrigens auch vom G-BA vorgeschrieben. 1:1 bedeutet vor allem eine Pflegekraft pro Kind pro Schicht, natürlich wechselt das im Schichtbetrieb regelhaft.

    Um jedes Kind wird sich bemüht, außer es gibt keine Aussicht auf eine Teilhabe am Leben. Dann werden gemeinsam mit den Angehörigen Optionen besprochen und eine Entscheidung getroffen. Gruselig, was hier geschrieben wird!

  6. 31.

    Das ist einfach falsch. Die Kapazitäten sind da und die Mitarbeiterinnen der Neonatologien Berlins wie Neukölln, Charité Friedrichshain etc., die wirklich echte Level-1-Zentren sind, wären froh wenn die Kinder nicht erst im letzten Moment aus Potsdam oder Cottbus kämen... hier wird in Unkenntnis Polemik gemacht- zum Schaden der Kinder und ihrer Familien. Geburten unter 1250 g sind sehr selten und gehören in beste Hände! Nichts ist schlimmer als ein sinnlos verstorbenes Kind.

  7. 30.

    In Fällen sehr kleiner Frühchen sollte immer (!) ein entsprechendes Level-1-Zentrum aufgesucht werden. Das allein ist das Beste für Kind und Mutter und natürlich Vater/Partnerin! Diese Vorstellung, bloß keine weiten Wege, ist so typisch deutsch- es ist zum Haare raufen. Es ist wie alles im Leben: Übung und Praxis begründen Erfahrung und Wissen, dass gilt ebenso in der Medizin. Zentren die 50 oder 60 solcher Fälle im Jahr versorgen, sind besser- und das ist entscheidender als ein weiter Weg. Und ja, es gibt schnelle Nottransporte per Hubschrauber oder Risikopatientinnen werden rechtzeitig vor der Geburt aufgenommen. Siehe Schweden und Norwegen wo z.t. nur noch 3- 4 Kliniken das ganze Lsnd versorgen- und das in bester Qualität. Wir kleckern dann lieber mit zig Standorten in mieser Qualität vor uns hin- weil, der weg ist sonst so weit...

  8. 29.

    Krankenhäuser sollen schließen, Kita zufällt, Sparkasse zu, usw. ... und da wird sich noch gewundert?

  9. 28.

    Tatsächlich gibt es in anderen Ländern andere Standards. In den Niederlanden werden extreme Frühchen gar nicht erst behandelt. Im vielzitierten Schweden liegt der Erfolg daran, dass es eine 1:1 Betreuung gibt: eine Krankenschwester betreut ein Frühchen. Da die Frühchen sehr empfindlich auf Keime reagieren und an Infektionen meist versterben, ist es ein großer Erfolgsfaktor, wenn nur EINE Personen betreut, nicht wie in Deutschland ein sehr großes Team. Auch sind dort die Eltern sehr eingebunden. Und nur in zertifizierten Zentren wird behandelt. Babys aus JWD versterben, ohne die Statistik zu belasten, bevor sie ein Zentrum erreichen..

    In Deutschland gibt es KEIN Personal, das Modell ist damit nicht übertragbar. Auch die restlichen Rahmenbedingungen sind nicht abbildbar.

    In Ägypten gibt's auch keine Eiskunstläufer. Und am Nordpol keine Strandbar.

  10. 27.

    Und nun stelle man sich vor, ALLE Brandenburger Frühchen würden in der Charité behandelt. Wäre die Charité dann eine reine Frauenklinik? Nur für fruhgeburtliche Babys? Anders kann man sich den Andrang doch nicht vorstellen, denn in Sachsen Anhalt und Mecklenburg Vorpommern gibt es auch keine vergleichbaren Kliniken.

    Wo soll das hinführen? Alle norddeutschen Frühgeburten nach Berlin, in Süddeutschland nach München?

  11. 26.

    Nur was ärztliches und pflegerisches Personal häufig Genen macht, kann es auch. Deshalb sind Mindestmengen Richtig.
    Wo es nur selten kleine Frühchen mit deren Problemen gibt können junge Kollegen und Kolleginnen die Versorgung lernen.
    Wenn man nach Skandinavien schaut, sind dann hunderte Kilometer zum nächsten Frphchenzentrum. Und deren Komplikationsraten sind geringer als hier. Viele drohende Frühgeburtwn können rechtzeitig Kliniknah betreut werden.
    Und ehrlich, auch Geschwisterbetreuung kann um Vorfeld organisiert werden.
    Ja, die Komfortzone der wohnortnahen Betreuung ist schön. Aber Qualität ist auch schön.

    Ich mache in meiner Praxis auch nicht alles mehr, was ich mal erlernte und auch noch dürfte.

  12. 25.

    Bliebe noch die Frage, ob Berliner oder Dresdner Klniken dannPlatz haben für alle Brandenburger Fälle. Und ob es ausreichend geeignete Möglichkeiten des Transportes für Frühchen gibt. Die meisten Babys, die zu früh kommen, machen nämlich keine Ansage vorher.

  13. 24.

    Als unser Frühchen im EvB geholt wurde, sagte man uns, auf eine Verlegung angesprochen, dass andere Kliniken auch nichts anderes machen können. Erst nach einer Woche und auf Drängen hin wurde unser Kind in die Charité verlegt. In Potsdam hätte man wohl nichts mehr für das Kind machen können. In der Charité hingegen wurde gesagt, dass eine Verlegung schon früher hätte erfolgen müssen. Dort wurde unser Kind auch gerettet. Die Mutter lag mit im Krankenhaus und konnte die Betreuung mit übernehmen.

  14. 23.

    "Außerdem  habe der Wegfall Konsequenzen für die Attraktivität der Kliniken."

    Man lasse sich das auf der Zunge zergehen. Genau darum geht es Frau Nonnemacher. Um Profit.

  15. 22.

    Qualität hat seinen Preis. Schwer Brandverletzte oder Rauchgasintoxikierte müssen auch jetzt schon nach Berlin oder in andere Städte gebracht werden. Spezielle und anspruchsvolle Versorgung kann nur in Schwerpunktkliniken gelingen. Und bei weniger als 25 Fällen muss man die Frage nach der Qualität und Routine tatsächlich stellen. Kein Krankenhaus sollte solche Fachrichtungen anbieten nur um sich über Fallpauschalen zu finanzieren. Aber natürlich ist das ein Thema für Populismus.

  16. 21.

    Es gibt fast immer in den Kliniken die Möglichkeit für eine Mitaufnahme der Mutter. Entweder sogar direkt auf der Frühchen-Station oder auf einer anderen Station so dass sie aber zum futtern und kuscheln vorbeikommen kann.
    Das mit den "Mindestmegen" ist ein Dilemma. Natürlich hat das Personal mehr Erfahrung wenn es mehr sehr kleine Fruhgeborene versorgt. Z.b. Nabelkatheter legen, intubation, darmkomplikationen etc. und damit ist die Versorgung an größeren zentren prinzipiell "besser". Oder "sicherer" Aber bei einer Frühgeburt kommt eben der Faktor Zeit ins spiel. Manche drohnenden Frühgeburten lassen sich verlegen wenn sie noch im Bauch sind aber auch da und eben auch dann wenn sie auf der Welt sind sind die Verlegungen eben auch mit einem Risiko verbunden...

  17. 20.

    Sie haben sowas von recht, ganz meine Meinung! Nur ob es die Wahrheit ist, könnte noch eine Frage sein.
    Oh Moment, der Wind dreht sich gerade! ...

  18. 19.

    Die dar blühen. Kann hier nicht Europäische gedacht werden?
    Kopenhagen, Amsterdam Paris Madrid und Warschau Prag Wien sowie Rom. Alle 1000 km reicht doch aus, warum in Berlin oder München noch ein Krankenhaus? Unter dem Mantel der Qualität Sicherung fanden schon immer Markt Bereinigung statt? Man muss nur den Mut haben dass auch umzusetzen. Was interessiert der Transport nach Kopenhagen oder Amsterdam bzw Warschau, mein tiefes Mitgefühl für den Verlust.
    So, jetzt die überspitztung abschalten, ach das macht man auch mit Maschinen.

  19. 18.

    Das habe ich schon verstanden, nur sie hat seit 2020 Zeit gehabt entsprechend zu reagieren, aber...

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