Spar-Forderung von Kassenärzte-Chef Andreas Gassen

Diese Operationen sollen künftig nicht mehr im Krankenhaus gemacht werden!

ARCHIV - Eine Ärztin kommt aus einem Stationszimmer im Krankenhaus
Kassenärzte-Chef Andreas Gassen fordert: "Wir brauchen eine Kehrtwende bei den Operationen."
dpa, Wolfram Kastl

Jede vierte Operation soll nicht mehr von Klinik-Ärzten durchgeführt werden!

Das fordert jetzt Kassenärzte-Chef Andreas Gassen. Stattdessen sollen künftig auch Praxisärzte ambulant operieren. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft findet das völlig unrealistisch.

Leisten- oder Gelenk-OPs gehen auch ambulant

Kassenärzte-Chef Andreas Gassen
Kassenärzte-Chef Andreas Gassen
bvj cul axs, dpa, Bernd von Jutrczenka

„Wir brauchen eine Kehrtwende bei den Operationen. Es gibt unverändert viel zu viele stationäre Behandlungen in Deutschland. Von den rund 16 Millionen im Jahr könnten drei bis vier Millionen ambulant durchgeführt werden, also auch von niedergelassenen Ärzten“, so Kassenärzte-Chef Andreas Gassen zu „Bild“.

Welche OPs könnten das sein? Auf Nachfrage von RTL sagt er: „Es ist völlig klar, dass große Eingriffe stationär erfolgen müssen.“ Aber Operationen wie Leistenbrüche, Gelenkoperationen, Operationen an den Füßen, aber auch Eingriffe aus der Dermatologie, Gynäkologie oder Urologie könnten auch ambulant erfolgen. „Das Feld ist hier vielfältig und hier gibt es ein enormes Potenzial zu heben.“ Gassen hat Operationen im Blick, bei denen die Patienten in der Regel nach der OP bisher ein bis zwei Tage im Krankenhaus bleiben müssten. „Diese ein bis zwei Tage müssen sie aber im Krankenhaus bleiben, um die Vergütung auslösen zu können. Einen medizinischen Inhalt hat das in der Regel nicht. Und insofern ist es natürlich immer von Vorteil, wenn Menschen wieder in der gewohnten Umgebung sind“, so Gassen im RTL-Interview.

Gassen verspricht sich davon, dass Kosten eingespart werden, aber auch, dass Infektionen durch gefährliche Krankenhauskeime reduziert werden. Dazu müsse aber die Vergütung für Praxis-Ärzte angepasst werden.

„Wir sind in Deutschland seit vielen Jahren, was Ambulantes angeht, im internationalen Vergleich abgeschlagen. Rund vier Millionen Eingriffe und Prozeduren werden bei uns noch in Krankenhäusern abgerechnet, die in allen anderen europäischen Ländern ambulant durchgeführt werden müssen. Das muss sich ändern“, so Gassen weiter.

Patientenschützer Brysch: "Der Patient zunächst selbst die Entscheidungsmöglichkeit haben"

Patientenschützer Eugen Brysch findet den Vorschlag prinzipiell gut, mahnt aber an, dass auch auf die Nachsorge der Patienten geachtet wird: „Deswegen muss das ambulante Operieren ausgebaut werden. Die Nachsorge muss organisiert werden, auch ambulant. Ebenso brauchen wir stationäre Versorgung, die wir nicht einfach abschaffen können“, sagt er im RTL-Interview. Gerade jüngere Patientinnen und Patienten würden gerne mehr ambulant operiert werden. „Weil sie dann auch ihr persönliches Umfeld haben und alles auch mit organisieren können“, so Brysch.

Voraussetzung sei natürlich, dass man jemand zu Hause hat, der sich dann um einen kümmert. Entweder der Partner oder die Eltern oder die Ehefrau oder der Ehemann. Sei das alles nicht möglich, wird das schon deutlich schwieriger. „Und deswegen muss der Patient zunächst selbst die Entscheidungsmöglichkeit haben. In Deutschland hat er sie nicht, weil es gar nicht genügend Ärztinnen und Ärzte geben, die privat praktisch bei sich vor Ort, in der Praxis dann auch operieren.“

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Krankenhausgesellschaft: "Vorschlag völlig unrealistisch"

Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft: Gerald Gaß
Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft: Gerald Gaß.
car kde, dpa, Jörg Carstensen

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft lehnt den Vorschlag ab: „Der Vorschlag klingt gut, ist aber völlig unrealistisch“, sagte Vorstandschef Gerald Gaß der Bild-Zeitung. Schon heute müssten gesetzlich Versicherte viele Monate, zum Teil weit über ein halbes Jahr auf einen Termin beim Facharzt warten. „Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie sich dieser Zustand noch weiter verschlechtern würde, wenn jetzt noch zusätzlich Millionen von Patientinnen und Patienten aus den Krankenhäusern auf ambulante Operationen in den Arztpraxen warten müssten.“

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Gassen hatte bereits am Wochenende vor einem Scheitern der geplanten Krankenhausreform gewarnt. „Wenn die Ambulantisierung durch Einbindung der Praxen nicht gestärkt wird und die Auswahl der richtigen Kliniken nicht klug und strategisch koordiniert wird, dann wird diese Reform scheitern“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. In Deutschland gebe es weiterhin „absurd viele“ stationäre Eingriffe, konstatierte Gassen. „Noch immer werden viel zu viele Behandlungen stationär erbracht und Versichertengelder verschleudert.“ (dpa/eku)

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