1. innsalzach24-de
  2. Innsalzach
  3. Region Burghausen
  4. Stadt Burghausen

So kontrovers und emotional wurde über die Zukunft des Krankenhaus Burghausen diskutiert

Kommentare

Andreas Wichmann hielt beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus einen emotionalen und von den Zuhörenden begeistert aufgenommenen Vortrag über seine Zeit als langjähriger Mitarbeiter der Notaufnahme.
Andreas Wichmann hielt beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus einen emotionalen und von den Zuhörenden begeistert aufgenommenen Vortrag über seine Zeit als langjähriger Mitarbeiter der Notaufnahme. © hs/dh (Montage)

Die Stadt Burghausen hatte am Dienstagabend zu einem Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ ins Bürgerhaus eingeladen. Bürgermeister Florian Schneider und mehrere medizinische Fachleute des Innklinikums stellten dabei zunächst die aktuellen Überlegungen für die Zukunft des Klinik-Standorts vor. Danach folgten Diskussionen und teils emotionale Wortbeiträge von Betroffenen.

Burghausen - „Nach all Ihren sachlichen Erläuterungen bringe ich jetzt hier die Emotionen hinein“, meinte Andreas Wichmann zu Beginn seines kurzen Vortrags, als er unter dem Jubel seiner Kolleginnen und Kollegen auf die Bühne des Bürgerhauses trat. „Ich habe selbst vor 29 Jahren in der Notaufnahme angefangen. Mit einem kleinen, aber feinen Team waren wir rund um die Uhr, das ganze Jahr hindurch für die Bevölkerung da.“ Er blickte auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre zurück. Sichtlich bewegt schloss er: „Im Namen der Notaufnahme, deren pflegerischer Leiter ich bin, möchte ich mich für die jahrelange Unterstützung aus der Bevölkerung bedanken. Und natürlich dem Team unserer geliebten Notaufnahme, der Küche, dem Reinigungsdienst und dem Personalrat. Sie werden mich bald hochmotiviert mit meinem Team in Altötting wiederfinden und ich wünsche dem neuen Gesundheitszentrum alles gute.“ Dem folgte tosender, donnernder und lang anhaltender Applaus.

Das InnKlinikum Burghausen schließt seine Notaufnahme zum 1. August 2023, wie der Krankenhausverbund vor kurzem mitteilte. Ab diesem Zeitpunkt würden alle Notfallpatienten in der Notaufnahme des InnKlinikum Altötting versorgt. Für leichtere Verletzungen diene das InnKlinikum Burghausen jedoch weiterhin als Anlaufstelle. Im dortigen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) werde von Montag bis Freitag eine offene Sprechstunde angeboten. Ab Anfang des kommenden Monats werde diese von 8 bis 16 Uhr geöffnet sein, eine Ausweitung der Öffnungszeiten bis 18 Uhr solle in den Folgemonaten erfolgen. Neben der chirurgisch-orthopädischen Akutversorgung bietet das MVZ Burghausen auch weiterhin Spezialsprechstunden an. Die Stadt Burghausen, der Landkreis Altötting und Dr. Michael Gerstorfer wollen unterdessen gemeinsam eine Gesellschaft gründen. Gerstorfer war 15 Jahre lang ärztlicher Direktor der Schlossklinik Abtsee und will nun wegen deren Schließung seine Spezialklinik nach Burghausen überführen, und dafür als Mieter einsteigen. Vor allem soll er mit seinem Team am Wochenende von 8 bis 18 Uhr die Notfallversorgung in Burghausen am Krankenhaus sicherstellen.

Schneider betont Verbundenheit mit Krankenhaus, weist aber auch auf finanzielle Realitäten hin

„Ich selbst bin dort auf die Welt gekommen. Meine Familie, Freunde und Bekannte wurden dort behandelt“, betonte Bürgermeister Florian Schneider (SPD), „Aber Veränderungen, bedingt durch die Krankenhausreform, der medizinische Fortschritt , eine dünner werdende Personaldecke und nicht zuletzt die hohen finanziellen Verluste des Innklinikums machen diesen Schritt notwendig. Wir reden hier nicht davon, das alles gewinnmaximiert werden soll aber auch nicht davon, dass man mal etwas draufzahlt. Das Krankenhaus soll keinen Gewinn machen, aber die Dinge müssen sich in einem Zahlenkorridor bewegen, damit Stadt und Landkreis auch noch Geld für andere Dinge haben, dem müssen wir uns bewusst sein!“

Bürgermeister Florian Schneider beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus.
Bürgermeister Florian Schneider beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus. © hs

„Ich würde lügen, würde ich behaupten, es bliebe mit dem neuen Konzept alles, wie es ist“, so Schneider weiter, „Es wird eine Notfallversorgung unter Tags von 8 bis 18 Uhr geben, schwerere und komplizierte Fälle werden aber nach Altötting müssen.“ Gleichzeitig sehe er auch Chancen durch das neue Modell. „Wir können dort medizinische Angebote für alle Altersgruppen ansiedeln. Burghausen braucht beispielsweise dringend einen weiteren Kinderarzt, der dort seinen Sitz finden könnte. Die Ehrlichkeit verlangt von mir auch zuzugeben: Die Akutgeriatrie wird nicht mehr ewig da sein. Das wird weh tun, aber die Reha wird uns erhalten bleiben und wir hoffen, das durch ergänzende Angebote, beispielsweise für die Kurzzeitpflege auszugleichen. Wir werden nicht jeden Arbeitsplatz halten können, aber beispielsweise in diesem Bereich wird es neue Optionen geben. Ich kann sie als Mitarbeiter, ihre Frustration und Wut voll verstehen. Aber ich hoffe, wir können auch Ihnen dort in Zukunft langfristige Arbeitsplätze bieten.“

Medizinische Experten betonen Notwendigkeit der Umstruktierung

„Ich habe jetzt selbst erleben müssen, wie es ist, wenn einem die Klinik zugesperrt ist“, wandte sich danach Dr. Gerstorfer ebenfalls an die Klinik-Mitarbeiter im Publikum. Er verwies darauf, dass das Konzept des MVZ in Burghausen und an den anderen Standorten in der Region bereits erfolgreich laufe und stellte seine Vorstellungen für die Zukunft des Standorts Burghausen vor. „Gerade für ältere Patienten will ich dann auch die Möglichkeit einer Übernachtung bieten.“ Darüber hinaus wolle er sich auch mit den Fachärzten vor Ort vernetzen. „Wie gesagt: Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen. Aber die aktuelle Entwicklung macht vor nichts halt und frisst die kleinen Krankenhäuser. Gleichzeitig freue ich mich auf Burghausen!“

von links oben, im Uhrzeigersinn: Dr. Michael Gerstorfer, Dr. Matthias Pfersdorff, Christian Fendt und Dr. Christian Pfeifer legten beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus Ihre Aussagen vor.
von links oben, im Uhrzeigersinn: Dr. Michael Gerstorfer, Dr. Matthias Pfersdorff, Christian Fendt und Dr. Christian Pfeifer legten beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus Ihre Aussagen vor.  © hs (Montage)

Dem folgte eine Reihe kurzer Vorträge von Ärzten und Experten des Innklinikums, in denen diese die Hintergründe der Entscheidung aus Sicht des Krankenhausverbunds darlegten. „Wir haben mit sehr viel Aufwand versucht, die Hürden für den Erhalt der Notaufnahme in Burghausen zu nehmen, sind dabei aber leider gescheitert“, betonte Dr. Matthias Pfersdorff, Chefarzt der Notaufnahme am InnKlinikum Altötting, „Gleichzeitig haben wir uns die Entwicklung der Patientenzahlen dort angeschaut und müssen sagen: Es wird kein großes Loch in die Notfallversorgung hier reißen.“ Prof. Dr. Christian Pfeifer, Chefarzt der Klinik für Unfall- und Handchirurgie am InnKlinikum Altötting wiederum betonte, der Trend gehe immer mehr zur ambulanten Versorgung. Selbst bei hoch aufwändigen Operationen können Sie inzwischen am selben Tag wieder nach Hause gehen!“

„In Zukunft wird sich der Patient im MVZ vorstellen und vom Facharzt gesichtet. dann wird entschieden, ob er im MVZ oder dem Klinikum in Altötting behandelt wird“, erklärte Dr. Martin Feuchtenberger, Ärztlicher Leiter des MVZ Burghausen, „Mein Fazit ist, dass ambulante und stationäre Versorgung immer mehr zusammenwachsen werden, da sie sich gegenseitig brauchen.“ Christian Fendt, Kreisgeschäftsführer des BRK Altötting bezeichnete die Pläne für die Zukunft des Krankenhauses als „Riesenchance“ für etwas neues. „Eine sinnvolle Nutzung statt Leerstand. Dringend benötigte Pflegeplätze, die hier entstehen und gleichzeitig eine super Perspektive für die Mitarbeiter, in Form eines attraktiven Arbeitsplatzes in Wohnortnähe. Wir können hier etwas sehr gutes schaffen“, versprach er.

Steindl attackiert Landrat Erwin Schneider

Dem folgte zunächst die erwähnte Ansprache von Andreas Wichmann. Nach ihm ergriff, erneut unter viel Applaus der Zuhörer, Altbürgermeister Hans Steindl (SPD) das Podium. „Ich habe selbst bis 2020 als Bürgermeister die Entwicklung miterlebt und versucht mitzugestalten“, so das 30 Jahre amtierende Ex-Stadtoberhaupt. Er betonte, viele der jetzt in Angriff genommenen Überlegungen habe es bereits nach dem Bürgerentscheid 2015 gegeben. Damals hatten sich die Bürger mehrheitlich für den Erhalt des Klinikstandorts ausgesprochen. „Vor drei vier Monaten vielleicht noch nicht, aber jetzt bist du auf dem richtigen Pfad Florian“, lobte er seinen Amtsnachfolger und gab damit gleichzeitig dessen Plänen seinen Segen. Er forderte gleichzeitig, dass die Stadt notfalls viel Geld in die Hand nehmen und Teil- oder Gesamtinhaber des Klinikums werden müsse. Das Krankenhaus in Fridolfing habe gezeigt, dass entsprechende Modelle Potenzial hätten.

Altbürgermeister Hans Steindl ergriff beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus das Podium.
Altbürgermeister Hans Steindl ergriff beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus das Podium. © hs

Nach diesen versöhnlichen Worten blies er dann jedoch zur Attacke: „Wir Burghauser haben einen Stolz! Es muss ein Aufschrei erfolgen! Wir können es nicht stehen lassen, wenn Landrat Erwin Schneider jetzt behauptet, der Erhalt des Standorts hier habe Gelder aufgefressen, die nun beispielsweise für Schulen fehlen! Wir sollen schuld sein, obwohl wir den Löwenanteil der Kreisumlage zahlen“, polterte er unter Beifall der Zuhörer, „Ich wurde schon gefragt, ob wir nicht einen neuen Bürgerentscheid für den Kauf des Krankenhauses oder eine Demo brauchen. Zehn Jahre waren wir jetzt auf einem Leidensweg, immer mehr wurde weggenommen und jedes Mal hieß es, dass doch was Besseres stattdessen kommt.“

Ebenfalls auf den Bürgerentscheid zurück blickte Personalratsvorsitzender Otto Becker: „Herr Schneider hat seine Niederlage damals sichtlich nicht verwunden und es in der Folge anders versucht. Man hat seitdem den Standort ohne Not reduziert und alles getan, damit die Notaufnahme nicht bleiben kann. Das Team hat extra, gegen Widerstände, eine Fortbildung gemacht, um welche das Innklinikum nun für den Aufbau der Abteilung in Altötting froh sein kann. Gleichzeitig wurde der Verwaltungsrat Stück für Stück mit Herrn Schneider gefälligen Leuten besetzt, die dem Standort Burghausen immer mehr die Rückendeckung entzogen. Da wurde allerhand mit verdecktem Visier hintenrum eingefädelt!“

Personalratsvorsitzender: Notaufnahme wurde systematisch untergraben

Bürgermeister Schneider verwehrte sich dagegen, mit den gegen Burghauser Interessen arbeitenden Verwaltungsräten könne auch er gemeint sein. Becker rudert daraufhin zurück: „Es gibt und gab natürlich, gerade in der Vergangenheit, übrigens auch aus der CSU, immer Räte, die uns den Rücken frei gehalten haben.“ Dr. Matthias Pfersdorff widersprach zu seinem Teil der Aussage, die Notaufnahme habe erhalten werden können: „Dazu fehlten uns schlicht ausreichend Ärzte. Wie gesagt, da geht es nicht nur uns so und dafür muss man nicht weit schauen: In Berchtesgaden ist die Notaufnahme seit 1. Juli zu, dort müssen sie dann nach Bad Reichenhall, was übrigens eine sehr viel weitere Distanz als von Burghausen nach Altötting ist. Überhaupt sind wir da von den Zeiten sehr viel besser aufgestellt als die Landkreise Traunstein oder Berchtesgadener Land!“

Personalratsvorsitzender Otto Becker kritiserte beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus das Vorgehen von Landrat Erwin Schneider.
Personalratsvorsitzender Otto Becker kritiserte beim Infoabend zum Thema „Umgestaltung Krankenhaus Burghausen“ im Bürgerhaus das Vorgehen von Landrat Erwin Schneider. © hs

Im Anschluss prasselten noch die Fragen, vor allem vieler Beschäftigter, aus dem Publikum auf Bürgermeister und medizinische Leiter ein. „Bleibt uns wenigstens der Rettungsdienst, oder wird der auch geopfert?“, wollte eine Bürgerin wissen. Im vergangenen Jahr sorgte eine Studie zur Notarztversorgung für viel Wirbel in der Region. Diese regte an insgesamt fünf Standorte in den Landkreisen Altötting, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Traunstein zu schließen und zwei neue in Übersee und Tittmoning zu öffnen. Auf der jüngsten Sitzung des Rettungs-Zweckverbands war Klarheit darüber geschaffen worden, dass dies rein in der Entscheidung der Landkreise und Kommunen liege und nichts derartiges geplant sei. „Jemand anderes hat über uns eine Studie gemacht, die uns unverbindliche Vorschläge macht. Nicht mehr und nicht weniger“, betonte Traunsteins Landrat Siegfried Walch damals.

Viele Fragen von Mitarbeitern und aus der Bevölkerung

„Als Mitarbeiter weiß man von nichts! Ständig kommen neue, kleine Änderungen, aber nichts wird vernünftig kommuniziert“, klagte eine Mitarbeiterin. „Als Ehemann einer der Beschäftigten muss auch ich sagen: Die Kommunikation ist schlecht“, bemängelte ein anderer Besucher der Veranstaltung, „Es braucht mehr Transparenz, auch damit nicht ständig neue Gerüchte herumschwirren.“ Auch SPD-Kreisrätin Johanna Schachtl, selbst Gesundheits- und Krankenpflegerin, kritisierte die Kommunikation in dieser Sache. „Beispielsweise bei Wacker wäre so etwas unvorstellbar. Es wird von den Pflegekräften eine Menge erwartet und gleichzeitig sollen sie alles einfach hinnehmen.“ - „Mit uns vom Reinigungs- und Hausmeister-Personal hat noch gar niemand geredet“, meldete sich außerdem eine im Innklinikum Beschäftigte zu Wort, „Wie geht es mit uns weiter? Da haben wir noch gar nichts gehört!“

„Es gab Einzelgespräche ...“ setzte InnKlinikum-Vorstandsvorsitzender Thomas Ewald, nur um zunächst von abwertendem Gelächter der Beschäftigten im Publikum übertönt zu werden, „Wenn jemand dabei nicht dran gekommen ist, dann sagen Sie das bitte. Außerdem gab es Betriebsversammlungen, zu denen aber nicht alle kommen, was schade ist“, rechtfertigte er sich weiter, unter deutlichen Missmutsbekundigungen der Angesprochenen. „Es tut einem in der Seele weh“, klagte schließlich Ex-CSU-Kreisrätin Sieglinde Linderer, die für ihr Engagement für das Krankenhaus von ihren Vorrednern immer wieder gelobt worden war, „Wir waren früher in vielem Vorreiter. Jetzt müssen wir uns überlegen, was wir aus der guten Bausubstanz machen. Ich plädiere dafür, dass wir uns in ganz starkem Maß dem ambulanten Standort widmen.

hs

Auch interessant

Kommentare